Thread: Warum es sich lohnt, genauer hinzuschauen
Besonders Boomer beschweren sich ständig, dass die Azubis im Handwerk fehlen. Doch wen wundert es bei den Horror-Geschichten, die man dort immer mitbekommt? Es gibt in der Tat ein paar schwarze Schafe in der Ausbildungungsbranche. Denen scheint nichts mehr Freude zu bereiten, als ihre Angestellten zu triezen und die Neulinge an ihre physischen und psychischen Belastbarkeitsgrenzen zu bringen, weil „früher hat man das ja auch ausgehalten“.
Doch wir wollen nicht alle Ausbilder*innen über einen Kamm scheren, denn die meisten leisten bei der Ausbildung ihrer Schützlinge hervorragende Arbeit, wissen mit ihrer Verantwortung umzugehen und sind in ihrer höheren Position genau richtig. Bei ihnen wird der scheinbar verpeilte Azubi, der mit den Gedanken kaum bei der Arbeit ist, nicht direkt als „unfähig“ und „zu nichts zu gebrauchen“ abgestempelt. Stattdessen wird ihm mit Respekt und Verständnis begegnet. Denn im Alltag wird doch zu oft vergessen, dass wir keine Maschinen oder künstlichen Intelligenzen sind, sondern auch nur Menschen, die alle ihr (mal mehr, mal weniger) schweres Päckchen mit sich tragen. Warum Menschlichkeit wichtig ist und warum es sich lohnt, genauer hinzuschauen, verdeutlicht @HerrBalsam in seinem Thread und erntet daraufhin positive Reaktionen anderer Twitteruser.
Unser Azubi im 2. Lehrjahr ist, Zitat:
»Die letzte Flachpfeife«.
Kann sich nichts merken, ist unkonzentriert, versteht wenig.
Nun stellte sich im Gespräch heraus, das der Junge Halbwaise ist, die Mitter Alkoholikerin und er mit Ritalin vollgepumpt wird.Kein Wunder also.
1/
— Benno Brockmann 📯 (@HerrBalsam) May 4, 2020
Nach gemeinschaftlichen Beratungen wurde beschlossen, ihn jetzt intensiver zu betreuen, um ihn trotzdem durch die Prüfung zu bekommen.
Und nun raten Sie mal, wer ihn unter seine Fittiche nimmt.Richtig.
Ich.Ganz ehrlich, was Besseres konnte dem Jungen gar nicht passieren.
2/
— Benno Brockmann 📯 (@HerrBalsam) May 4, 2020
Ich habe ihn noch keine Woche bei mir, auf einmal geht es.
Langsam, aber es wird.Was hier gesagt werden soll:
Seien Sie kein Arschloch.
Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Selbst, und gerade, bei „hoffnungslosen“ Fällen.Sie wissen nie, was Ihr Gegenüber zu tragen hat.
3/3
— Benno Brockmann 📯 (@HerrBalsam) May 4, 2020
Kommentare und Reaktionen
Von den anderen Usern erntet er viel Zustimmung. Alle sind sich einig:
Nicht aufgeben!
„Meine Azubine kam über eine Maßnahme zu uns, wurde in den vorigen Betrieben nur gemobbt.
Ich möchte keine Details schreiben, aber sie hat die Zwischenprüfung mit 2,1 abgeschlossen und wird dieses Jahr die Abschlussprüfung meistern ❤️— Astriddottir (@Astriddottir) May 4, 2020
Den Azubis mit Verständnis begegnen
Ich hatte in meiner Laufbahn als Jugendtrainer einiger solcher „Problemfälle“. Die meisten haben nie jemanden gehabt, der mit ihnen spricht und ihnen Lösungen für ihre Probleme anbietet. Keiner will mit ihnen zu tun haben. Den meisten konnte ich helfen. Schule, Ausbildung usw
— 🦁 TSV 1860 Ⓜ️ #ELIL (@KaraFedai) May 4, 2020
Ein respektvoller Umgang ist so wichtig!
Ja kenne ich. Jetzt auch wieder ein Lehrling in der Firma zugewiesen bekommen der auch eine Flachpfeife sei. Nach 3 Tagen erzählt er wie sehr er von Tag 1 an fertig gemacht wurde und nicht damit umgehen kann das ich ihn normal behandelt und er Fehler machen darf ohne Anschiss.
— Lars 3/12 (@lars_cassel) May 4, 2020
Menschen, die an andere glauben <3
Meiner Freundin sagten 7 ältere Geschw. sie sei zu blöd für Mathe. In der Ausb. zur Bäckereiverk. raselte sie durch die Prüfung mit 6. Siehste sagte die Familie.
Die Chefin lernte dann mit ihr für die Nachprüfung. Mit 1 bestanden. Heute hat sie mit 35 eine eigene Bäckerei.— Fredda-Edda (@EddaFredda) May 4, 2020
Wie immer ist Kommunikation der Schlüssel
Klasse. Ich selbst bin in einem Handwerksbetrieb mit im Schnitt 10 Azubis zeitgleich. Da ist immer mal einer dabei, der neben der Spur läuft. Hier zeigt sich dann ob der Arbeitgeber oder auch der Ausbilder und Ausbildungsbeauftragte Empathie empfinden. 1/
— MrFogg (@MrFogg87) May 4, 2020
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es meist nicht an den oberen Etagen liegt sondern an den direkten Kollegen (Ausbildungsbrauftragten), dass diese Kids nicht richtig gefördert werden. Kommunikation ist alles. Immer.
— MrFogg (@MrFogg87) May 4, 2020
Von wegen „hoffnungslose Fälle“ …
Ich habe übers THW mal straffällig gewordene Jugendliche in Holzbearbeitung eingearbeitet. Die hatten zum Teil richtig Talent. Aber den Eltern waren die Kinder egal es hat sich keiner um sie gekümmert.
— Stephan Niewerth (@derjumpy83) May 4, 2020
Hat jeder verdient, oder nicht?
Danke, dass Du Dich kümmerst. Es ist leider nicht selbstverständlich, dass das jemand tut.
Meine Tochter konnte im 2. Lehrjahr zum Glück die Ausbildungsstelle wechseln. Sie hätte sonst komplett aufgegeben… .
2. Chancen sind so wichtig.— Clarissa (@dancejig80) May 4, 2020
Vielen Dank und ein Hoch auf solche Menschen!
Ich sage DANKE für soviel Menschlichkeit und Respekt.
— Birgit Wehrheim📯 (@wehrheim_birgit) May 4, 2020
(Beitrag erstmals veröffentlicht am 07.05.2020)
Außerdem hätten wir noch das hier für euch: