Thread: Über die „Freiheit“ auf deutschen Autobahnen
Tempolimit, ja oder nein? Daran scheiden sich aktuell die deutschen (Klein-)Geister. Worin die eine Seite Vernunft und Sicherheit sieht, fürchtet die andere um ihre persönliche Freiheit. Klar, das Gaspedal-Durchdrücken des Menschen ist schließlich unantastbar. Twitteruser Marcus Engert hat dazu einen eindrucksvollen Thread verfasst. Aus der Sicht eines Ersthelfers schildert er seine Eindrücke von einem Autobahnunfall, verursacht durch einen Raser. Einfach mal daran erinnern, wenn die Tachonadel das nächste Mal an der 200 kratzt.
Ein Ersthelfer berichtet:
Ich war mal Ersthelfer auf der Autobahn. Ein Herr lebte dort seine Freiheit aus, er raste nahezu ungebremst in ein Stauende. Angeblich irgendwas um die 250 km/h, also sehr viel Freiheit. Er krabbelte m.o.w. unverletzt aus seinem Sportwagen. Im Auto ganz am Ende des Staus saß 1/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
eine Familie auf dem Weg in den Urlaub. Wir brauchten 10 Minuten, um die Mutter aus dem Auto zu bekommen. Details könnten triggern, darum nur so viel: Beatmen ging einfach nicht mehr. Irgendwann hatte sie keinen Puls mehr. In den Autos davor und daneben muss sich ähnliches 2/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
abgespielt haben, ich weiß das nicht mehr, aber ich glaube, ich las später von 4 Toten & 12 Verletzten. Das ist anekdotische Evidenz, ich weiß, aber zu Zahlen komme ich gleich noch. Das soll nur illustrieren, wie unmenschlich es ist, die Tempolimit-Debatte zu einer Diskussion 3/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
über Freiheit zu machen. Freiheit, die nur dem einen gegeben und deswegen dem anderen genommen wird, ist keine. Sie ist Egoismus. Ich verstehe übrigens den Gedanken dahinter, wirklich! Ich habe einen totalen Faible für Autos, der sich je nach Modell und Baujahr ins vollkommen 4/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
Unvernünftige übersteigert. Aber Freiheit? Klar, das klingt anschlussfähig und groß, aber können wir hier mal kurz pausieren und überlegen, wofür die Vokabel „Freiheit“ alles steht? Wie unendlich wichtig sie ist? Und was für eine unverantwortliche Perversion es ist, sie und 5/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
die Vokabel dafür so zu missbrauchen? Warum sagen die Tempolimit-Gegner nicht einfach, dass es um Emotionen geht, um Spaß u. darum, sich etwas zu gönnen? Das ist doch nix schlimmes. Ich jedenfalls empfände das als ehrlicher: Spaß. Das würde nämlich gleich noch ein anderes 6/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
Problem dieser Diskussion mit lösen: Dass manche versuchen, sie allein an Zahlen zu führen. Soll ein Sportwagenfahrer wie der eingangs erwähnte weiterhin seinen Spaß auf öffentlichen Straßen ausleben dürfen, wenn der Preis dafür ist, dass jedes Jahr ein paar hundert Menschen 7/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
deswegen nicht mehr nach Hause kommen? Vielleicht findet die Gesellschaft Argumente dafür, dass das so sein soll. Ich bin überzeugbar. Aber das Ganze einfach „Spaß“ statt „Freiheit“ zu nennen, macht in meinen Augen die Verhältnisse viel klarer. Im übrigen geht es hierbei ja 8/9
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
auch um die Menschen, die sich die teuren schnellen Autos leisten können und wollen. Dass die, nachdem sie jemanden totgefahren haben, ein unbeschwertes Leben voller Freiheit führen, kann ich mir nicht recht vorstellen.
P.S.: Macht Erste-Hilfe-Kurse!
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
(Ergänzung 1/2: Da hier Leute meinen, der Kern meiner Botschaft sei, sich über physikalische Exaktheit und konkrete Zahlen zu streiten: Ich gehe hier nur meine Erinnerung an das wieder, was in der Lokalpresse dazu stand. Ich hab nicht gemessen. Ob die Geschwindigkeit bei
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019
2/2 Aufprall so hoch war oder niedriger: keine Ahnung. Es ist mir nicht egal, aber mein Beitrag hatte nicht zum Kern, Bremswege zu diskutieren, oder was Fahrgastzellen bei >200K € Grundpreis können. Solche Nebengleise verschieben die Diskussion m.M.n. in eine absurde Richtung.)
— ᴍᴀʀᴄᴜs ᴇɴɢᴇʀᴛ (@ENGERT) 28. Januar 2019