Die Krise in Osteuropa spitzt sich weiter zu. In den vergangenen 24 Stunden kam es wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen in den umkämpften Gebieten der Ostukraine. Obwohl Russlands Präsident Putin einen Truppenabzug angekündigt hatte, ist davon bislang wenig zu spüren. Die Gefahr, dass es zu einem neuen Krieg in Europa kommen könnte, scheint realer zu sein, als es den meisten von uns lieb ist. Und selbst wenn es nicht zum Äußersten kommt, das Klima der diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen rangiert so weit unter dem Gefrierpunkt, dass wir dies trotzdem zu spüren bekommen könnten. Stichwort: Gaslieferungen. Allerdings sollte man sich auch nicht zu sehr von der aktuellen Berichterstattung verunsichern lassen. Hier kommt der sehr informative Thread von Melina Borčak ins Spiel, die euch and allen journalistischen Kolleginnen und Kollegen sehr wertvolle Medientipps zur Berichterstattung gibt. Das solltet ihr unbedingt gelesen haben.
Liebe Kolleg:innen, ich habe in der Berichterstattung zu #Ukrainekrise viele Fehler bemerkt. Da meine Medientipps zu Hanau, Ramadan, Srebrenica uvm so gut akzeptiert wurden, gibts hier Tipps zur besseren Berichterstattung zur Ukraine (natürlich auch für Leser:innen wichtig):
— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Formulierungen wie „es kann zu einem Krieg in der Ukraine kommen“ sind faktisch falsch, da in der Ukraine bereits seit 2014 Krieg herrscht. Und: Dies zu leugnen impliziert, dass ihr den Osten des Landes nicht als Ukraine sondern als Russland seht & Putins Annexion legitimiert.— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Erspart euch bitte den „Krieg in Europa“-Sensationalismus, als gäbe es nicht seit 2014 Krieg in Europa/Ukraine, in den 90ern VIER getrennte von miloševićs Serbien geführte Kriege inkl. 4 Jahre Genozid an Bosniaken, 2008 Krieg in Georgien uvm. Europa ist mehr als DE, Fr + UK— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Bebilderung: Der Krieg wird meist mit Fotos von Soldaten bebildert. Doch größte Opfer sind Zivilisten, ganz normale Menschen, die studieren, ihren Kindern Dinosaurier-Stories vorlesen oder Memes bei Twitter teilen – bis ihr Wohnzimmer zerbombt + Familie getötet wird. Besser: pic.twitter.com/i4EnI4g8hx— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Nicht „Konflikt“, sondern Angriffskrieg Russlands. „Konflikt“ verharmlost die Realität & suggeriert faktisch falsche Gleichheit/Ausgeglichenheit zweier Seiten. Hat Ukraine Russland bombardiert? Grenzübergreifende Invasion gestartet +russische Zivilisten ermordet? Nein.— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Behauptungen „beider Seiten“ abkopieren +Feierabend machen ist kein Journalismus. Recherchieren, fact-checken, kontextualisieren und dann die Resultate, die Fakten berichten ist Journalismus. Sonst könnten alle einfach Twitter-Acc von RUS+UA abonnieren +“beide Seiten“ bekommen— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Daraus folgt: Ihr müsst nicht krampfhaft Narrative „beider Seiten“ wiedergeben, wenn sie bewiesenermaßen falsch sind. Zb: RUS stellt die Krim-Annexion als Bürgeraufstand, Willen des Volkes etc dar. Es ist bewiesen, dass die „little green men“ russische Soldaten waren.— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Und wenn ich hier „russische“ sage, meine ich aus Russland angereiste Staatsbürger Russlands, nicht ethnisch russische Bürger der Ukraine. Auch das müsst ihr beachten: ethnisch russisch =/ Bürger Russlands, und umgekehrt. Außerdem: Russland+“Russische Seite“ sind mehr als Putin— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Habe „beide Seiten“ immer in Anführungsstrichen geschrieben weils nicht nur 2 gibt. Außerdem ist Bothsideism bekannte Taktik von Faschisten, die durch falsche Gleichstellungen und Relativierungen in Täter-Opfer-Umkehr resultiert. **Keine Gleichsetzung von „beiden Seiten“!**— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Betroffenen Stimme geben. Und wenn ich „Betroffene“ sage,meine ich Ukrainer. Denn mit Ausnahme von Soldaten werden die meisten Russen normal weiterleben, business as usual. Natürlich sollen ihre Perspektiven nicht fehlen, aber: nicht mit Opfern gleichsetzen (kein Bothsideism)— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Historischen Kontext nicht vergessen – schon vor 2014. Der Holodomor, Stalins Genozid an Ukrainern, kostete 4-5 Millionen Menschenleben. Auch Russifizierung, Kolonialismus… All das ist tief ins ukrainische Gedächtnis eingebrannt und darf nicht vergessen/unterschätzt werden. pic.twitter.com/sWPy23qIED— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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„Fixer“ machen Riesenteil eurer Arbeit… Behandelt +bezahlt sie wie echte Journalisten (was sie sind), wie Kollegen mit gleichen Rechten (was sie sein sollten). Sorgt dafür, dass Fixer, Quellen, Protagonisten sicher sind. Bietet immer an, ihre Identität geheim zu halten.— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
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Migras wissen: Factchecking wird in DE Auslandsjournalismus gern durch (rassistische) Stereotype & Klischees erstezt. Das darf natürlich nicht so weitergehen. Vor allem wenn Russland, die bekannteste Quelle+Verbreiter von Fake News involviert ist. Doppelt +dreifach überprüfen— Melina Borčak 🇧🇦🌱🎸 (@MelinaBorcak) February 14, 2022
Das sagen andere User:
Sehr gut auf den Punkt gebracht! Natürlich hätte man noch differenzierter die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine beleuchten können, das haben sich jedenfalls ein paar Leser gewünscht. Jedoch ging es bei dem Text gar nicht so sehr um die detaillierten und komplexen geschichtlichen Hintergründe, sondern wie darüber allgemein berichtet wird. Außerdem wäre der Thread dann ungleich länger ausgefallen. Ein paar der treffendsten Reaktionen haben wir hier für euch gesammelt.
Das ist das beste was ich bisher zu dem Thema gelesen habe, vielen Dank für deine Arbeit!!!
— Alexander Otto (@Alexand14485813) February 14, 2022
Ich empfinde auch diesen Hashtage #Ukrainekrise für falsch. Suggeriert als wenn die Ukraine dafür verantwortlich wäre. Imo ist es eine #RusslandKrise.
— Diether Ast (@DietherAst) February 14, 2022
Danke. So vieles, das Du erwähnt u. erläutert hast, habe ich selbst oft so empfunden. Da ich enge Kontakte in die Ukraine habe und häufig dort zu Besuch war, konnte ich viele Einblicke gewinnen. Themen wie Holodomor, Unabhängigkeitsbestrebungen usw sind im Kontext sehr wichtig.
— 🧁Cherry Mary Muffin 🍒 (@Cherrymarymuffi) February 14, 2022
Herzlichen Dank! 8 Jahre Krieg und noch immer scheint die Ukraine unsichtbar. Das liegt auch an Filmemachern die lieber nach Russland fahren und an Journalisten die aus einer russischen Blase berichten. Danke für Ihre Tips! 💙💛🙏
— Alexander Harder (@Alex76Harder) February 14, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wenn ihr mögt, schaut doch hier mal rein: