Thread: Spielzeug für Kinder, die schon viel zu weit für ihr Alter sind
Mittlerweile ist bekanntlich nahezu jedes Kind „hochbegabt“. Oder zumindest das, was sich viele Eltern darunter vorstellen. Ohne geht es einfach nicht mehr. Keine Karriere, kein Glück, keine Partnerin, keinen Partner, Leben vorbei, fertig. Da sollte doch eigentlich spätestens am Ende der 2. Klasse in der Grundschule die mindestens vierte Fremdsprache fließend gesprochen werden und auch der Satz des Pythagoras kein Problem mehr darstellen. Was? Mit 8 Jahren immer noch keinen Physik-Wettbewerb gewonnen und auch noch keinen eigenen Bestseller veröffentlicht? Puh, könnte eng werden langsam…
Und so ist es leider auch nicht mehr wirklich verwunderlich, dass in der knapp begrenzten Freizeit der Jüngsten nicht der Bolzplatz um die Ecke oder das letzte Freibad der Stadt aufgesucht wird, sondern der Nachhilfekreis. Täglich. In Mathe, Physik, Englisch und Kunst. Nicht, dass Adam-Finn da sonst den Anschluss verliert. So eine „2-“ in der Mathearbeit der Klasse 3b kann dir heutzutage ganz schnell den kompletten Lebenslauf versauen, sozialer Abstieg inklusive. Wissen zumindest die Eltern der Klassenkameraden. Oder haben es so von anderen Eltern gehört, die da jemanden kennen, der das vom Schwager seines Autolackierers erzählt bekommen haben. Ganz sichere Quelle normalerweise.
Den Satz „Mein Kind ist für sein Alter schon sooo weit“ haben bestimmt die Meisten schon irgendwo einmal gehört. Als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung kann Twitteruserin @dieLaminatorin darüber Bände schreiben. Für heute sollte jedoch der folgende Thread ausreichen. Und eines ist klar: Wer seinen Kindern dieses Jahr Spielzeug unter den Tannenbaum legt, das nicht das Prädikat „pädagogisch wertvoll“ und/oder von Einstein und Hawking „empfohlen“ auf der Verpackung trägt, bekommt noch am 1. Weihnachtsfeiertag Besuch von führenden Pädagogen.
Als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung kann ich den Satz „also, mein Kind ist für sein Alter sooooo weit“ nicht mehr hören. Mir tun all die Kinder leid, die Spielzeug bekommen, das sie garnicht richtig nutzen können, weil es komplett am Entwicklungsstand vorbeigeht.
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 4, 2019
Was ich eigentlich sagen will: Jedes Kind hat seine eigenen Stärken. Jede Entwicklung ist unterschiedlich. Warum ist es wichtig zu sagen, dass das Kind weiter ist als Andere. Warum sagt man nicht: Zur Zeit beobachte ich, dass mein Kind gerne Steckspiele macht, –>
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 5, 2019
…dass es sich gerne bewegt, dass es alles machen will, was ich mache…Warum geht man davon aus, dass Entwicklung genormt ist. Denn nur, wenn man davon ausgeht, dann kommt man in diese „ist weiter“, „ist langsamer“-Denke. –>
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 5, 2019
Und daher ist es auch fast unmöglich, Leute kompetent zu beraten, die ein Kind nicht kennen und für dieses Kind ein Geschenk suchen. Denn die Altersangabe „ist 2“ sagt alles und nichts🤷♀️
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 5, 2019
So kommentieren die User:
Ich habe manchmal das Gefühl, es gibt nicht Recht etwas für Zweijährige. Es ist entweder alles ab drei oder irgendwie noch Babyzeugs…
— lebeninderbude (@lebeninderbude) November 4, 2019
Die meisten knapp 2jährigen haben ihren Entwicklungsschwerpunkt im Bereich Bewegung. Rausgehen, Laufen, etc. ist da dran. Zuhause tut ein Pikler-Dreieck oft gute Dienste. Und am Besten: Haushaltsgegenstände. Imitieren ist dran. Der kleine Mensch will tun, was der Große tut.
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 5, 2019
Dass es dann nicht genutzt wird ist wahrscheinlich ein Zeichen der Unterforderung. Das Kind ist so hochbegabt dass es davon sichtlich gelangweilt ist.
— anthypophora (@anthypophora) November 4, 2019
Oder Kinder mögen zb Puzzeln nicht. Dann kann das Kind das Puzzle vielleicht sogar lösen, aber es tut es nicht, weil es Puzzeln doof findet.
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 5, 2019
Spannend! Wie sind Deine Beobachtungen zu anderen Erwartungen (Junge/Mädchen, eigene Interessen der Eltern vs des Kindes)?
— Sterntaler (@Sterntaler8) November 4, 2019
Die Rosahellblau-Falle erleben wir jeden Tag. Ganz krass bei der älteren Generation. Rotes Geschenkpapier zur Geburt eines Jungen geht zb garnicht😏 Insgesamt bin ich der Meinung, dass gerade an Babyspielzeug viel zu viel produziert und dann natürlich gekauft wird.
— AnnieLund🇩🇰 (@dieLaminatorin) November 4, 2019