Thread: Mein Mann und ich haben 5 Jobs
FrauSonnenSchein aka @DaniBrodesser lebt in Österreich. Sie redet und schreibt öffentlich über Armut, die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. Auch um die damit einhergehende Beschämung und Ausgrenzung geht es. Als Mutter von 4 Kindern und mehrfach Beschäftigte weiß sie wovon sie redet. Aber das lest ihr am besten selbst in dem nun folgenden Thread.
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Muss erzählen, weils mich massiv beschäftig. Wird länger:
Mein Mann und ich haben insgesamt 5 Jobs. Wir sind also mehrfach prekär beschäftigt. Es passt für uns, denn so können wir Familie (4 Kids, 3 davon noch zuhause u schulpflichtig) und Arbeit vereinbaren. Und sind über der
— FrauSonnenSchein🌻☀️ (@DaniBrodesser) February 16, 2020
Armutsgefährdungsschwelle. ABER: fällt einer von uns aus, weil Jobs weg oder Pflege nötig (kann bei Kindern mit schweren Vorerkrankungen schnell geschehen) sind wir auf die Sozialhilfe angewiesen. Das heißt, wir sind dann laut unserm Bundeskanzler wieder Teil jener, die sich ja
— FrauSonnenSchein🌻☀️ (@DaniBrodesser) February 16, 2020
nicht bemühen, die faul sind, die Nichtleister sind. Wir würden dann wieder in jene Gruppe gehören, die von den obersten Politikern in diesem Land nur allzu gerne stigamtisiert und zum Ausspielen gegen die „armen, fleissigen Leistungsträger“ hergenommen werden.
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Bei uns sind diesen Monat zB 145 Euro für den Sohn fällig, da seine Schule der Meinung ist, Native Speaker aus England für 1 Woche Unterricht einfliegen lassen zu müssen. Niemand hat sich beim Elternabend mit 3 Klassen und ca. 60 Eltern sagen getraut, dass das nicht leistbar
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wäre. Weil Gemeinde mit vielen finanziell gutgestellten. Also zahlens wir. Bei der Jüngsten sind auch jetzt im Februar 183 Euro fällig für 3 (!) Projekttage im Salzkammergut. Und nächsten Monat kommen dann nochmal 345 Euro für den Sohn für seine Projektwoche im Mai. Aktuell ist
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finanzierbar. Mit Magenweh und herumschieben, aber finanzierbar. Würde 1 von uns Soziahlhilfe beziehn müssen, sähe es gänzlich anders aus. Wir wären auf Almosen angewiesen. Und jene Eltern, die schon mal um Zuschüsse für ihre Kinder bitten mussten, wissen, was ich meine.
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Man kann Glück haben und Verständnis ernten, oder aber gedemütigt und beschämt werden. Das weiß man vorher nie.
Wir haben einen Bundeskanzler, der ständig – und das mit Erfolg – von den eigentlich wichtigen Themen ablenkt. Von höheren Mindestlöhnen, die notwendig wären, damit
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man nicht sofort in die Armutsfalle gerät, wenn der/die PartnerIn ausfällt. Von richtiger Armutsbekämpfung, sinnvoll und nachhaltig. Denn Drohungen, Sanktionen bringen nichts. Kein Mensch, der in Armut lebt, tut dies aus Spaß oder Faulheit. Meistens stecken Perspektivenlosigkeit,
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jahrelange Beschämung, Depressionen usw. dahinter. Wir haben einen Bundeskanzler, der Menschen, die am Limit kämpfen, als faul, als „in der sozialen Hängematte“ liegend bezeichnet, der aber gleichzeitig ein funktionierendes Gesundheitssystem an die Wand fährt. Der Menschen, die
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nichts haben, die sowieso jeden Arztbesuch gut überlegen, da viele Therapien nicht leistbar sind, nun in der Angst und Ungewissheit lässt, wie dieses System nun weiterhin funktioniert. Erhöhungen werden nur bewirken, dass jene Menschen gar nicht oder viel zu spät den Arzt
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konsultieren.
Der Grat zwischen einen halbwegs „normalen“ und finanzierbaren Leben und einem in Armut ist schmal. Viel zu schmal. OÖ macht es vor und hat eine Soziahlhilfe, die den Namen nicht mal verdient. Sie ist gerade mal genug, um das Monat zu überleben. Teilhabe ist damit
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nur noch mittels Almosen möglich. Ich will eine Politik, die nicht Schuldige sucht, die nicht mit dem Finger auf Betroffenen zeigt, sie als Spielball hernimmt. Ich will auch, dass die Bevölkerung endlich kapiert, dass wir es nur schaffen, wenn wir zusammenhalten und uns nicht
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nicht ausspielen lassen. Denn wer heute noch 1 Job hat und sich denkt, es würde ihn/sie ja nie treffen, kann in 1 Jahr schon aus versch. Gründen den Job verloren haben und dann ebenfalls auf Hilfe angewiesen sein. Das muss und sollte verständlich rübergebracht werden. Das es
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jede/n treffen kann. Und man dann genau auf Seite jener steht, die jetzt als Nicht- oder Minderleister bezeichnet werden. Nur gemeinsam kommen wir gegen diese stigmatisierende und spaltende Politik an. Nicht ständig seine Ablenkungsmanöver in den Mittelpunkt stellen, sondern
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erklären, aufzeigen, aufklären, was seine Politik bewirkt. Was Angst bewirkt. Was Druck bewirkt. Nämlich keine Verbesserungen. Sondern ein Erstarken des Niedriglohnsektors. Und ein Verstummen der Menschen. Denn wer täglich um die Existenz, um die Wohnung, um das Heizen kämpft,
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hat weder Kraft noch Zeit, sich dagegen zu wehren. Und wer ständig beschämt wird, glaubt es. Und wird sich nicht wehren, denn man sei ja selbst schuld an der Situation. Wir dürfen das nicht durchgehen lassen. Die Reichen richten sichs. Während wir Fußvolk nur der Spielball sind.
— FrauSonnenSchein🌻☀️ (@DaniBrodesser) February 16, 2020