Twitteruser und Notarzt @RMamarvar berichtet in seinen Threads immer wieder sehr offen und sehr persönlich von seinen Notarzteinsätzen. Vielen Leserinnen und Lesern führen diese häufig extrem belastenden und emotionalen Erlebnisse erst so richtig vor Augen, was Menschen, die in medizinischen Berufen und Bereichen arbeiten – wie auch zahlreiche andere Menschen – tagtäglich für uns alle leisten. Auch der folgende Thread macht dies auf eindringliche Art und Weise deutlich.
Ich will euch von einem #Notarzteinsatz erzählen, an den ich oft zurückdenke. Er war an Dramatik kaum zu überbieten, und obwohl alle Maßnahmen richtig liefen, endete er nicht gut, was bei mir aus Gründen, die ich noch nenne bis heute Schuldgefühle verursacht. Thread: 1/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
An einem Freitag Nachmittag im Frühling werden wir mit dem Stichwort „Herz“ zu einem S-Bahnhof alarmiert. Nach längerer Suche finden wir in einem abgelegenen Zuweg des Bahnhofs einen etwa 45 Jahre alten Mann, der auf dem Boden kauert und vor Schmerzen weint. (2/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Er klagt über plötzlich aufgetretene starke Brustschmerzen und kann kaum atmen. Er war gerade auf dem Rückweg aus der Klinik, wo er bei seiner Frau war, die gerade das erste gemeinsame Kind zur Welt gebracht hat, als es losging. Er schwitzt und hat große Angst. (3/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Wir machen ein EKG und sehen einen großen Herzinfarkt. Der Patient bekommt einen Zugang, Medikamente und Sauerstoff und wir fahren los. Weil wir an entgegengesetzten Enden des Bahnhofs geparkt haben, nehmen das NEF und wir im RTW unterschiedliche Wege in die Klinik. (4/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Unterwegs werden die Schmerzen des Patienten wieder schlimmer und der Blutdruck sackt ab, was ich mit Medikamenten auffange. Ich wünschte das NE wäre da, aber das ist weit weg. Endlich kommen wir in der Klinik an, zufällig die gleiche, in der auch die Frau liegt. (5/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Noch während wir im RTW sind wird der Patient plötzlich bewusstlos und bekommt Kammerflimmern. Ich defibrilliere ihn sofort und er ist wieder da, stöhnt vor Schmerzen, wird wieder bewusstlos, flimmert. Das gleiche Spiel nochmal. „Was war das, Doktor?“ stöhnt er ängstlich. (6/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Und ist gleich wieder weg. Wir beginnen mit Herzdruckmassage. Die ist so effektiv, daß er wach wird und vor Schmerzen stöhnt. Während auf seinen Brustkorb gedrückt wird, stöhnt er im Rhythmus: „https://t.co/0JbmHZtki7.Angst.“ „Keine Angst, ich passe auf Sie auf!“ sage ich. (7/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Ich mache eine Narkose und intubiere ihn. Dann laden wir ihn unter Herzdruckmassage aus dem RTW und bringen ihn direkt ins Katheterlabor, wo sein Infarkt unter Reanimation kathetert und behoben werden kann. Erleichtert fahren wir wieder ab. (8/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Am Montag frage ich wegen ihm nach und erfahre, daß er es zwar vom Herzen her gut überstanden hat, aber leider hirntot sei. Mit der Frau sei besprochen, die Geräte abzustellen.
Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er mich unter Herzdruckmassage angstvoll ansieht, und ich (9/x)— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
ihm verspreche, auf ihn aufzupassen. Er gehört zu denen, die ich nach meinem Tod wiederzusehen erwarte, dem ich dann Rede und Antwort stehen muss, warum sein Kind ohne Vater aufwachsen musste. Wenn ich einst sterbend daliege, und für mein Umfeld vermeintlich halluziniere. (10/x)
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
Dann werde ich vermutlich an vielen Patienten vorbeidefillieren und mich erklären. Vor ihm aber habe ich am meisten Angst, denn ich brach mein Versprechen. Ich frage mich oft, ob meine Erklärung ihn befriedigen wird. Und ihr?
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
P.S.: Das ist lange her, das Kind geht inzwischen zur Schule. Nur in meinem Kopf ist es nicht lange genug her sein und wird es vermutlich auch nie.
— Emergency doc (@RMamarvar) March 13, 2020
mich hätte dein Versprechen beruhigt..Für den Rest kannst du nichts.
— Fr.M. aus T. (@Metzmusch) March 13, 2020
Du hast auf ihn aufgepasst solange du konntest.
Du hast ihn auch nicht einfach vergessen, da du dich nochmal nach ihm erkundigt hast. Du hast also weiter aufgepasst.
Ich bin sicher, er weiß das auch.— (@gobi_todic) March 13, 2020