Über Feminismus und die Vereinbarkeit von Familie und Karriere
Es war lange Zeit weit verbreitet und galt in einigen Kreisen sogar als Grundpfeiler des Feminismus, dass es für Frauen erstrebenswert sei, möglichst schnell Karriere zu machen und nach der Familiengründung ebenso schnell wieder in den Beruf zurückzukehren. Dieser Gedanke wird und wurde als eine Befreiung von traditionellen Geschlechterrollen und als ein Weg zur Gleichstellung der Geschlechter angesehen. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass dieses Konzept, obwohl gut gemeint und im Ansatz nachvollziehbar, letztendlich auch die patriarchalen Strukturen bedient, die überhaupt erst für die Ungleichheit gesorgt haben. Außerdem wird so die bestehende Ungerechtigkeit in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zementiert.
Die Idee, dass Frauen möglichst schnell nach der Geburt wieder arbeiten gehen sollten, basiert dabei auf der Vorstellung, dass ihre berufliche Identität und Unabhängigkeit vom Mann Vorrang haben sollten. Diese Motive sind grundsätzlich richtig und wichtig, können bei der Familiengründung jedoch auch dazu führen, dass die Bedürfnisse von Frauen und Kindern nach einer angemessenen Elternzeit, nach Bindung und Pflege des Neugeborenen sowie nach einer unterstützenden Umgebung vernachlässigt werden. All dies wird von einem System ausgenutzt, das unbezahlte Carearbeit, die traditionell von Frauen in der Familie geleistet wird, nicht angemessen anerkennt oder wertschätzt.
Die Betonung einer schnellen Rückkehr in den Beruf nach der Familiengründung verstärkt damit die bestehenden strukturellen Hindernisse, denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt gegenüberstehen. Und dieser wurde von Männern für Männer gestaltet, die sich zu gern als Alleinverdiener und Familienversorger sehen. Diese Hindernisse können von unzureichender Kinderbetreuung und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten bis hin zu Lohnungleichheit und mangelnder Aufstiegschancen reichen. Somit wird die bestehende Ungleichheit und Diskriminierung in Bezug auf das gebärende Geschlecht weiter gefestigt. Dies kann also unmöglich im Sinne des Feminismus sein, oder? Gar nichts daran ändern ist jedoch auch keine Option! Ein Strukturwandel und ein Umdenken sind daher dringend erforderlich, um eine gerechtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Wie dies gehen könnte, hat die österreichische Autorin @Natascha_Strobl in dem nun folgenden Thread festgehalten. Aber lest selbst.
Ich hab früher auch gedacht, dass der Girlboss-möglichst-schnell-Karriere-machen-Feminismus irgendwie progressiv ist. Und dass Frauen einfach möglichst schnell nach Kinder bekommen wieder arbeiten sollen. Ich sehe das nicht mehr so…
(Bevor ihr euch aufregt, bitte weiter lesen)
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Die Alternative dazu ist aber nicht, dass traditionelle Frau-bleibt-daheim-Kinder-Küche-Leben. Es ist völlig klar warum das schlecht ist: Finanzielle Abhängigkeit von einem Mann, keine Pensionsansprüche und ein Vernachlässigen eigener Talente und Fähigkeiten. Nein auch so nicht.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Deswegen muss das ganze Karenzsystem neu gedacht werden. Kinder sind keine Last, die möglichst schnell zu überwinden ist. Es ist echt schön und Eltern sollten Zeit mit ihren Kindern haben. Eltern! Nicht Mütter, damit Väter nur nicht mit Kindern belangt werden.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Alle Eltern sollen in Karenz gehen. Ich bin mit sehr sicher, dass die Meisten auch wollen, aber Angst um Job etc haben. Diese Angst haben Mütter auch, aber es gilt nicht so sehr wie bei Vätern.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Jeder Elternteil sollte 1 Jahr bei vollem Lohnausgleich (gedeckelt und Mindestbetrag) in Karenz gehen können. Nicht übertragbar. Man kann gleichzeitig und überlappend nehmen, wie man halt will. Punkt ist: jede Person bekommt Zeit mit ihrem Kind.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Und weil es nicht nur auf Mütter abgeschoben werden kann nimmt das den Druck von Frauen im Arbeitsleben. Für dieses Jahr gibt es volle Pensionsansprüche und danach einen Betreuungsplatz und Möglichkeit auf Elternteilzeit (am besten wäre halt 30h-Woche).
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Wenn sich so ein Modell durchsetzen würde, dann wäre es viel einfacher auch mit Unterbrechungen und weniger Wochenarbeitszeit Karriere zu machen. Das jetzige Modell läuft darauf hinaus, dass eine Person Karriere macht, weil die andere alles daheim schupft.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Lösung ist nicht noch mehr Arbeit auf andere Frauen im eigenen Leben zu verteilen (Omas), sondern, dass die Gesellschaft Eltern Zeit für ihre Familie gibt. Das ist was Gutes und kein Ärgernis.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Kommentare und Reaktionen:
Es erfordert nicht nur politische Maßnahmen wie verbesserte Elternzeitregelungen, bezahlten Urlaub, mehr Kinderkrankentage und eine erschwingliche Betreuung, sondern auch eine grundlegende Veränderung der Arbeitskultur und der gesellschaftlichen Normen. Arbeitgeber müssen flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, die es Eltern ermöglichen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren, ohne dass sie ihre beruflichen Ambitionen aufgeben müssen. Darüber hinaus müssen Männer stärker in die Verantwortung für die Betreuung ihrer Kinder einbezogen werden und sich selbst aktiver einbringen, um die Last der unbezahlten Familienarbeit fairer zu verteilen. Aber hören wir doch mal ein paar Stimmen aus der Community dazu.
So wahr
wir brauchen ganz allgemein eine viel bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit.
Wir sind leider unglaublich kinderfeindlich, wenn es darauf ankommt.— Philipp Seeger (@flippah_) January 25, 2024
Guter Hinweis
So wie jetzt auch – eigene Regelungen mit voller Ausschöpfung der Zeit, evtl. kann man übertragen auf andere verwandte Person andenken (habe ich aber nicht durchgedacht tbh)
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Ab auf die Leseliste
Ich finde Teresa Bücker hat in ihrem neuen Buch „Alle_Zeit“ das sehr gut beschrieben
— Dizzy Lizzy (@diz_lizzy) January 25, 2024
Darf auch nicht vergessen werden
Vielleicht wäre eine begrenzte Zeit überlappend aber denkbar.
Tu mir schwer mit dem „ich will nicht“ 1 Jahr ist nicht viel und ein Kind hat ein Recht auf Zuwendung und Aufmerksamkeit. Mit dem Modell sollen auch Kinderrechte gestärkt werden, nicht nur Erwachsene.— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Wichtiger Grundsatz des Feminismus
Jede Frau soll finanziell unabhängig sein. Deswegen wäre es in diesem Modell auch so, dass die Karenzzeit nicht zu einer finanziellen Abhängigkeit führt, sondern man davon auch leben könnte. Das ist enorm wichtig.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) January 25, 2024
Ist leider wirklich so
Die Dauer darf dann auch nicht tauschbar sein. Hier in Deutschland sind es 14 Monate und man bekommt irgendwas wenn beide mindestens 2 Monate nehmen. Rate mal wie viel Männer überdurchschnittlich zu Hause bleiben? Ja, nur zwei Monate. Wegen Geld, Job etc. 🙄
— totkeks (@totkeks) January 25, 2024
Schön, wenn es auch den Männern auffällt
Nach einem Jahr zuhause kann ich dem nur zustimmen. So viele Sterotypen lösen sich auf wenn auch Mann zuhause bleibt.
— Bernhard Reschreiter-Ladner (@BernhardReLa) January 25, 2024
Aber wie soll das umgesetzt werden?
Das ist ein Take, den ich schwierig finde, weil er die „man kann es nicht richtig machen“-Falle um eine weitere Variante erweitert. In meinen Augen ist es einfach: Männer und Frauen sollen alle frei verhandelten Optionen haben und die Konsequenzen dafür zu gleichen Teilen tragen
— Miriam Vollmer (@miriam_vollmer) January 25, 2024
Der letzte Satz ist der wichtigste
Ich liebe alles an deinem Text, denn genau das ist eine richtig gute Lösung. Plus wir sparen Betreuungskosten sowie Therapieplätze für Groß und Klein. Familien benötigen Zeit.
— Mum of Lille (@LilleMum) January 25, 2024
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Schaut doch noch hier rein, wenn ihr mögt: