Thread: Weihnachten in vollen Zügen genießen
Wer kennt es nicht, zum Fest der Liebe mal eben schnell Freunde oder Verwandte besuchen? Da bietet sich natürlich die Deutsche Bahn als umweltfreundliche Alternative zum Auto an.
Der Gelegenheitsreisende erhofft sich eventuell auch noch ein wenig Komfort und ein stressfreies Ankommen. Doch weit gefehlt, Weihnachten mit der Bahn unterwegs sein, ist ein Abenteuer, für das man Zeit, Nerven und am besten eine gehörige Portion Humor braucht. @MarcelLindenau hat seine Erlebnisse an Heiligabend in einem wunderschönen Thread verarbeitet, den wir euch hier an dieser Stelle ans Herz legen wollen. Es darf gestaunt und gelacht werden.
Mein IC Richtung Münster ist ein uraltes Ding (gefühlt von 1920). Wagen 14 & 6 fehlen. Sitze und Ausstattung sind historisch. Statt wlan gibt es einen alten Mann mit Brille und Sonnenschutz-Schirm auf dem Kopf in einem extra Raum mit Morse-Gerät. Er wirkt gestresst.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) December 24, 2018
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Es macht sicherlich Sinn, auf dieser wichtigen, viel genutzten Hauptroute Hamburg-Bremen-Münster-Düsseldorf einen IC (keinen ICE), der von 3 Pferden und nem Hamster gezogen wird, einzusetzen. Ich sitze auf einer Holzpalette und habe ein Huhn auf dem Schoß. Es wirkt gestresst.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Zwei Wagen fehlen. Umgekehrte Wagenreihung. 25 min Verspätung. Unterhaltung zweier Zugbegleiter:
„Die Kollegen haben vergessen (nicht verständlich), deswegen müssen wir langsamer fahren. Mal schauen wie es weitergeht. Sie wirken sehr gestresst.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Business-Frau mit teurem Koffer stratzt durchs Abteil, räumt alles ab, was ihr in den Weg kommt und sagt sehr laut und aggressiv: „WAS FÜR EIN SCHEISSVEREIN HIER!“
Ob sie den HSV meint, oder die deutsche Bahn, weiß ich nicht. Sie wirkt extremst gestresst.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Der Feuerkessel wurde gezündet und die Heizung gibt alles. Es gibt offensichtlich nur die Stufen „Nordpol“ und „Feuersbrunst direkt aus dem Arsch der Hölle.“
Ich habe nur noch ein Handtuch locker um die Hüfte und mache den ersten Aufguss. Ein korpulenter Mann nickt mir zu.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Wir passieren das Städtchen Sprötze. Die Pferde geben alles & wir erreichen gleich die magischen 100 km/h. Nie zuvor ist der Mensch so schnell gereist. Viele weinen vor Freude. Alexander Gerst gratuliert & hält eine Rede. Er ist tief beeindruckt: „Das ich DAS noch erleben darf.“
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Der korpulente Mann, der mir zunickte, bin ich selber gewesen. Durch die Mischung aus Hitze und Geschwindigkeit (101 km/h) habe ich meine menschliche Hülle verlassen, schaue mich selbst an und frage: „wo siehst du dich in 5 Jahren?“
„Noch immer in diesem Zug.“, denke ich leise.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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„WER HAT DAS GESAGT?!“ rufe ich laut & schrecke auf. Habe ich geträumt? Bin ich verrückt geworden? Ich zweifle.
„Sind wir nicht alle etwas verrückt?“ antwortet eine ältere Dame. Während sie sich hysterisch lachend in einen Raben verwandelt und davon fliegt. Ich brauche Urlaub.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Plötzlich, wie aus dem nichts, ein kleines Dorf. Es scheint keinerlei Zivilisation zu geben, die Menschen sind einfaches Volk, essen rohes Fleisch und sind verwundert über das Stahlungetüm vor ihren Augen. Eine Frau grunzt. Ein Mann kaut auf einem Fischkopf. Der Zug hält. Bremen.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Eins der drei Pferde, die den Zug ziehen, lahmt. Es wird auf der Stelle erschossen. 45 min später gibt es spontan Hackbraten im Bordbistro. „Witzig, was ein Zufall.“, denke ich. Schmackofatz!
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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„Wie haben aktuell 25 min Verspätung, das ist aber noch nicht alles, es wird noch mehr werden. Wir haben einen Defekt an einem Wagen & dürfen nicht schneller fahren. *lange, emotionale Pause* Es geht einfach nicht.“
In diesen Worten liegt der Weltschmerz der gesamten Menschheit.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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„Es geht einfach nicht.“ Die Stimmlage der Zugbegleiterin war eine Mischung aus „Papa kommt nicht mehr wieder.“ und „Wir können nichts mehr für Ihren Hund tun.“
Betroffenes Schweigen im Wagon. Stille kann manchmal lauter sein als jeder Schrei. Ich akzeptiere mein Schicksal.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Osnabrück. Jemand spielt ein WhatsApp Video ab, auf dem Mäuse mit verstellter Stimme ein Lied singen. Daraufhin erwürgt sich das zweite Pferd umständlich selbst. Ein quälend langer, hässlicher Tod. Aber immer noch besser mitanzusehen, als noch ein Mäusevideo. Oder Osnabrück.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Begrüssungs-Durchsage: „Tja, was fehlt uns alles? Wagen 14 & 6 fehlen & wir haben einen Defekt. Ich kann ihn leider nicht reparieren. Die Zugbegleiterinnen kämpfen sich einmal durch den Zug & helfen Ihnen. Wir sind wenig und sie viele, aber wir schaffen das.“
Gänsehaut.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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11:19 Uhr. Typ gegenüber von mir zimmert sich eiskalt, ohne mit der Wimper zu zucken, nen halben Liter Weizen in den Korpus. Jetzt hab ich auch Bock! Es gibt aber nur Bitburger. Versuche mich daraufhin umständlich selbst zu erwürgen. Klappt nicht. Ich hasse mich.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Münster! Mehr Fahrräder als Menschen. Selbst der Bürgermeister ist ein Holland-Rad. Am Bahnsteig stehen Lisa, Merle, Tom. Schwer verkatert von gestern, auf dem Heimweg zu den Eltern. Ihre Sachen in den großen Trekkingrucksack (für Australien Reise nachm Abi gekauft) gestopft.
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Bösensell. Appelhülsen. Nottuln. Dülmen. Mit der Regionalbahn die Metropolen des Münsterlandes erkundschaften. Fahrt ihr ma ruhig alle nach Thailand (günstig!), Australien (X-Mas am Strand!), Island (Landschaft!) und macht euer Ding. Ich mache hier meins. Ciao mit V, ihr Trottel!
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Schweinepest. Christoph Metzelder. Germans Wings Absturz. Willkommen in meiner Heimat, Haltern am See.
(Nicht das mit dem Festival, das ist HALDERN.)
Zuhause ist, wenn Vatter dich rauchend vom Bahnhof abholt.— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
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Und damit mir hier nicht der #Relotius nachgesagt wird: Hier der Beweis, dass alles wahr ist:https://t.co/nTkjtmT53q
— Olympique Marcel (@MarcelLindenau) 24. Dezember 2018
Weil hier noch lange nicht Schluss sein muss: