Thread: Vater-Tochter-Beziehungen und die Rolle der Jungfräulichkeit

Manuela Jungkind 08.09.2020, 12:40 Uhr

Die Personenkonstellation in einer (kirchlichen) Hochzeit war in unserem mitteleuropäischen Verständnis recht lang eine unzweideutige Angelegenheit. Im Mittelpunkt standen unumstößlich: die Braut und der Bräutigam. Es gab noch einen zweiten Mann, der eine dominierende Rolle im Zeremoniell der Eheschließung einnahm: Der Vater der Braut. Er führte seine Tochter zum Altar und übergab sie dort ihrem zukünftigen Ehemann. Die Braut trug weiß, der Bräutigam, nun ja, nicht.

Symbolisch aufgeladen, wie Religionen sind, können wir aus diesen Traditionen ein paar Gedanken ableiten. Zunächst einmal: Die Braut hatte „rein“ (weiß), also unberührt, zu sein und das sollte auch jeder sehen. Bewacht wurde diese Jungfräulichkeit von ihrem Vater, der bis auf den letzten Schritt Sorge trug, dass es auch dabei blieb. Danach kümmerte sich sozusagen ein anderer um die Angelegenheit.

Viele von uns empfinden diese Traditionen heute als altmodisch. Sicher, es gibt eine Menge Tamtam um Hochzeitskleider, aber davon abgesehen dürften die wenigsten Bräute Wert auf Jungfräulichkeit legen. Sie schaffen nicht nur die Meter bis zum Altar (wenn es denn einen gibt) allein, sondern auch alle anderen Wege. Sie suchen sich Partner (oder Partnerin) selbst oder entscheiden sich gegen das Konzept einer Beziehung. Die Aufgabe der Väter besteht bei einer Hochzeit häufig eher darin, nicht negativ aufzufallen.

Ohne Frage, die Emanzipation trägt so langsam Früchte. Und doch ist die Vorstellung, dass die Frau und ihre Jungfräulichkeit eine Art Tempel sind, noch nicht völlig ausradiert. Wie viele Späße, in denen der Vater beim Besuch des ersten Freundes seiner Tochter die Schrotflinte zückt oder zumindest ein Verhör einleitet, geistern noch heute durch Elternsmalltalks?

Twitteruserin @journelle hat sich mit dem Thema befasst und beschreibt auf Twitter den Unterschied zwischen toxischen und gesunden Vater-Tochter-Beziehungen.

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