Thread: Über die »strategische« Ablehnung der Seenotrettung
Nachdem die Kapitätin der Sea-Watch-3 am Wochenende in Italien verhaftet wurde, brennt die Diskussion um das Thema Seenotrettung natürlich lichterloh.
Leider wird auf der Gegenseite vergessen, dass Gesetze dabei nicht unbedingt ein zuverlässiger Kompass für Moral und Ethik sind. Der nachfolgende Thread von Nils Markwardt bringt es auf den Punkt. Solltet ihr gelesen haben.
Im Kontext der Seenotrettung wird ja schon seit längerem von manchen eine »Differenzierung« eingefordert, die Seenotretter müssten sich nun auch mal »Kritik gefallen lassen«. Mal abgesehen davon, dass das insofern schon eine Verdrehung der Wirklichkeit ist, als dass Seenotretter
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
im Netz massiv beschimpft und bedroht, ihre Arbeit kriminalisiert und sie (wie Carola Rackete) festgenommen werden; also mal abgesehen davon, dass die »Kritik« an der Rettung von Menschenleben vielfach offizielle Politik innerhalb des Friedensnobelpreisträgers EU ist; abgesehen
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
davon, dass diese Politik nicht nur den eigenen EU-Menschenrechtsstandards widerspricht, sondern auch jenem »kategorischen Imperativ«, auf den sich Europa in seiner Aufklärungstradition so gerne beruft; also von all dem abgesehen, heißt das geostrategische Gegenargument
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
dann oft: Seenotretter wären de facto »Schlepper«, weil Flüchtlinge und Migranten mittlerweile mit Ihnen rechneten. Würde man private Seenotrettung unterbinden, würden weniger die Flucht/Überfahrt wagen – dann würden auch weniger sterben. Mal abgesehen davon, dass das
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
schon deshalb nicht stimmt, weil zuletzt zwar immer weniger die Passage übers Mittelmeer wagten, der Anteil der Todesfälle jedoch stieg, wäre für die Debatte ja vielleicht mal folgendes hilfreich: jene, die hier »strategisch« gegen die Seenotrettung argumentieren, sollten doch
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
einfach mal gerade heraus sagen, wie viele Tote denn für die entsprechende strategische »Abschreckung« kommod wären? Sprich: Wie viele zusätzliche Tote – zu all denen, die es auch mit Seenotrettern gibt – wären dann okay? 100? 1000? 10000? Wenn das mal beantwortet würde, also
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
das »strategische« Argument gegen die Seenotrettung nicht fast immer die entscheidenden Fragen der Menschenrechte und praktischen Ethik umschiffen würde, hätten wir wenigstens eine ehrlichere Debatte.
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 29. Juni 2019
Dann würde nämlich auch klarer, dass diese »strategische« Ablehnung der Seenotrettung stets nur mit jener moralischen Verrohung zu haben ist, dank der man beginnt Menschen, mit Kant gesprochen, nur noch als Mittel, nicht mehr als »Zweck an sich« zu betrachten.
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 30. Juni 2019
Nachtrag: Weil hier öfter die Frage aufkam, warum die »Sea Watch 3« denn keinen anderen Hafen angelaufen hätte. (Siehe: https://t.co/T9rS1AqFse / https://t.co/vVfbzF5Dic)
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) 30. Juni 2019