Thread: So geht Hochleistungsmedizin
Noch im Mittelalter galt die Reanimation als Hexenwerk, da sie als Aufbäumen gegen den Willen Gottes galt. Bis zur heutigen Notfallmedizin war es ein langer Weg. Vom Erlass von Ludwig XV im Jahre 1740 über „Die Notwendigkeit und die Methoden der Wiederbelebung“. Über die Empfehlung der Royal Humane Society 1774 zu einer Mund-zu-Mund- und einer künstliche Beatmung mittels Blasebalg. Zu der Forderung des englischen Arzt Charles Kite 1788, zusätzlich zur Beatmung eine Elektrostimulation des Herzens durchzuführen. Bis hin zum ersten ADAC Rettungshubschrauber 1970. Lebensrettung ist Hochleistungsmedizin. Aber wie funktioniert das eigentlich? Wie lange dauert es vom Notruf bis zur Intensivstation und wie viel medizinisches Personal ist dabei involviert? Wer das schon immer mal wissen wollte, ist hier jetzt genau richtig. Denn der Twitteruser @Kaltmamsell1 hat genau darüber diesen informativen und wichtigen Thread geschrieben.
So geht #Hochleistungsmedizin:
Ein Thread.
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M55 bricht daheim beobachtet leblos zusammen. Laienreanimation über sechs Minuten, dann ist der RTW da und übernimmt.
Laut EKG Asystolie, also weiter Herzdruckmassage. Zwei Minuten später ist der Notarzt da.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Mit vereinten Kräften und Medikamenten bringt man das Herz wieder zum Schlagen. Schwach, erkennbar geschädigt durch einen massiven Hinterwandinfarkt, aber es schlägt.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Der Patient wird in den herbeigeeilten Helikopter geladen und mit Höchstgeschwindigkeit an vier Kliniken vorbei zu uns in den Maximalversorger geflogen.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Bei der Landung ist der Patient so instabil, dass die Besatzung ihn nicht in den Herzkatheter bringt, sondern direkt und ohne Vorwarnung in den Schockraum der Notaufnahme.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Innerhalb von zwei Minuten ist das komplette Schockraumteam da und übernimmt die Erstversorgung. Nach drei Minuten ist klar, dass der Patient höchstgradig kritisch ist und womöglich nicht einmal die 50 Meter in den Herzkatheter überleben würde.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Hektische Anrufe folgen.
Weitere zwei Minuten später ist das klinikeigene Notfallteam (Dienst-Oberarzt der Anästhesie und zwei Anästhesie-Pflegekräfte) da, dicht gefolgt vom mobilen ECMO-Team – die allerletzte Instanz in der Rettungsmedizin.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Mit vereinten Kräften werden vier Optionen gleichzeitig vorbereitet, während weiter am Patienten gearbeitet wird:— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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1) Transport in den Herzkatheter:
Nur wenn Patient stabil genug, ansonsten weiter mit2) Herzkatheter-OP direkt im Schockraum:
Riskant weil kein steriler Raum, fraglicher Erfolg weil „nur“ mobile Geräte mit weniger Leistung.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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3) ECMO-Anlage, dann in den Herzkatheter:
Rückfalloption, letzter Ausweg.4) Einstellung der Maßnahmen
— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Der OA des Notfallteams – er ist automatisch Leiter des Schockräumen geworden – entscheidet schließlich, ein sich abzeichnendes, winziges Zeitfenster zu nutzen in dem sich der Patient noch einmal stabilisiert.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Beinahe im Laufschritt geht es ins Herzkatheterlabor, dicht gefolgt von der ECMO – bricht der Patient unterwegs zusammen, wird sie zur Not im Flur angelegt werden.
Der Patient schafft es lebendig in den Herzkatheter.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Mit Hilfe eines hochmodernen Roboters wird das verstopfte Gefäß wieder befreit. Es werden insgesamt vier Stents gesetzt und der Patient – immer noch von der ECMO verfolgt – auf die Intensivstation gebracht.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Vom Umkippen bis zum Eintreffen auf Intensiv sind gerade einmal drei Stunden vergangen. 25 Personen haben bis hier alles gegeben, damit der Patient es lebendig auf die Intensivstation schafft.— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
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Zwei Wochen später kann der Patient auf Normalstation verlegt werden, weitere drei Wochen später wird er in die Reha entlassen.Und jetzt stellt euch vor, das rettende Intensivbett wäre mit einem an Covid-19 erkrankten, impfverweigernden Reiserückkehrer belegt.#ImpftEuch
— Kaltmamsell 🍹 (@Kaltmamsell1) August 23, 2021
Das sagen andere User:
Fandet ihr diesen Text auch so informativ wie wir? Ein paar Kommentare haben wir noch für euch gesammelt.
Was man aber auch nicht vergessen darf: hätte nicht alles mit der Laienreanimation begonnen, hätte es der Patient nicht bis in die Klinik geschafft.
Eindringlicher Appell an alle: macht einen erste Hilfe Kurs! Kostet nicht viel, kann aber viel bewirken.
— Sifu Thomas (@gottschi681) August 24, 2021
In jeder einzelnen aufgezählten Etappe während der 2. Welle rund um Weihnachten wäre dieser mitteljunge Mann tot gewesen. Jeder in der med-Bubble weiß das und kaum jemand da draußen. Danke für dies sehr plastische Beispiel, was „überlastetes Gesundheitssystem“ im RL heißt ❤️
— La_Levatrice (@La_Levatrice) August 23, 2021
Sowas ist wunderbar, erinnere mich noch gut an eine Patientin Mitte 30. Im peripheren Haus 1 Stunde reanimiert, kurz vor Aufgabe der Entschluss sie mit dem Mobilen ECMO Team zu holen. Langer ITS Aufenthalt dann neurologisch wieder 100% fit, hat uns später mit ihrem Mann besucht.
— Flow (@Caethan13) August 24, 2021
Danke für die verständliche Schilderung, was in der Medizin alles passiert. Und natürlich ist es essentiell, dass sich jeder impfen lässt, der geimpft werden kann!
— von & zu + auf & davon (@gluecksbegabt) August 23, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Zum Thema Arbeit in der Klink haben wir noch das hier für euch verlinkt: