Thread: Meine Oma hat eine Busreise nach Kroatien gebucht
Heute wollen wir euch den wohl längsten, aber auch schönsten Thread des Monats präsentieren, wenn nicht sogar DEN Thread des Jahres. Die Twitteruserin @firlefanzski begleitet ihre Oma hat auf einer Busreise nach Kroatien und dokumentiert alles, was die beiden dabei erleben. Spannend, witzig und herzerwärmend. Gute Unterhaltung!
Meine Oma hat eine Busreise nach Kroatien gebucht. Ich habe beschlossen sie zu begleiten. Ein Hotel, 300 Pensionisten & ich.
Ein Thread.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Erstmal: schaut wie glücklich die Oma ist!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Es gibt zweimal am Tag ein Buffet. Die Pensionisten, die tagsüber nicht mal ein Glas Wasser tragen können, schaufeln sich 4 Kilo Essen problemlos auf den Teller.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
„Ich muss ja alles kosten!“, sagt die eine Frau im Rollstuhl, die eine Salatschüssel voller Essen am Schoß hat.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ich will Bratkartoffeln. Der Mann, der grad dabei ist, sich welche auf den Teller zu schaufeln, bemerkt mich, stellt seinen Teller ab und nimmt die komplette Schale Bratkartoffeln und läuft davon. Kellnerin und ich sind beide zu verwirrt um zu reagieren.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
„Es ist schon eine Frechheit, dass nicht jeder Tisch einen Kellner hat, der uns das, was wir wollen, vom Buffet bringt. Wir müssen selber gehen, wie so Sklaven.“
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Aber ganz viel Liebe für den einen Mann, der immer eine extra Portion in die Tupperdose packt, weil die Frau nachts immer bisschen Hunger hat.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Der Barkeeper war etwas verwirrt ob meines Alters. Er macht mir jetzt immer „adult drinks“, weil sie bei alten Menschen immer nur ganz schwache mischen. „Old drunk people complain more than old sober people!“
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Der Barkeeper ist übrigens sehr niedlich.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Seit unserer Ankunft am Samstag regnet es leider fast dauernd. Die eine Gruppe, die im Bus vor uns war, überlegt wie sie am besten das Reisebüro deswegen verklagen können. Das war nämlich Absicht, damit die Hotelbar mehr Geld macht!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ein alter Mann hat vorgestern jedoch meine Rechnung an der Bar übernommen – fünf Cosmopolitans – weil „es ist so schön Sie anzusehen. So jung. So straff.“ ich war zu betrunken für Sexismus-Diskussionen. Zum Glück war ich betrunken noch immer schneller!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Beschwerden, die ich sonst noch so gehört habe:
+ das Meer ist zu kalt (Frechheit!)
+ es sind Gräten im Fisch
+ niemand erschießt die Tauben
+ der Balkon ist zu groß
+ man kann sich keine Rollstühle ausborgen, nur doofe Fahrräder— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Meine Oma ist aber eine von den guten! Freut sich trotz schlechten Wetters über alles! Und isst ein Stückchen Kuchen abends mehr, weil sie hat ja Urlaub! Und ein zweites Achterl geht immer!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Wenn ich arbeiten muss, stellt sie sich auf den Balkon und erzählt mir, welches Schiff grad einfährt oder was die Leute unten am Hafen so machen. Damit ich ja keine Action verpasse!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Uh! Wer mag eine Postkarte? Ich hab noch fünf übrig!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Habe beim Abendbuffet eine Dame vorgelassen. Ich hab ja Zeit. Sie wird heute Abend für mich beten, dass ich bald einen Ring an meiner hübschen Hand habe. Hab ihr gesagt, den kann ich mir eh selber kaufen. Jetzt betet sie für den Erfolg meiner Karriere!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Waltraud und ich haben uns dann in unserem Ekel für Muscheln angefreundet. Wir sind jetzt die Anti-Muscheln-Sisters! Waltraud und ich verstehen uns auf einer ganz tiefgründigen Ebene!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Mal was anderes: Meine Oma hat mir gestern bei einem Glas Wein am Meer erzählt, wie damals 1945 eine Bombe in ihrem Haus einschlug und sie gerade mal so überlebt hat. Ihre 80-jährige Nachbarin saß noch in den Ruinen in ihrem Schaukelstuhl. Tot.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Sie hat noch versucht ihr aufzuhelfen und sie aus den Ruinen zu zerren, bis ihre Mutter sie an der Hand nahm und meinte, manchmal muss man Menschen ruhen lassen.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Sie haben ihr Haus an dem Tag trotz Alarm nicht verlassen, da sie zu große Angst hatten in den Bunkern zu Tode gequetscht zu werden. Lieber zuhause und gemeinsam sterben, als im Bunker getrennt.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Nachdem die Russen in Graz ankamen, hat sie in einer Militärküche ausgeholfen. Ein russischer Offizier hatte Mitleid mit den jungen Mädchen & hat ihnen Eintopf gegeben. Der war der Oma aber zu fettig. Weswegen sie ihn am Heimweg mit Bauarbeitern gegen Holz und Brot getauscht hat.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Oma hat übrigens während der letzten Kriegsjahre oft Schule geschwänzt. Nicht, weil sie nicht lernen wollte, sondern weil sie sich in der Schule nicht sicher fühlte. Zu dünne Wände. Zu viele Rohre. Zu viele Möglichkeiten zu sterben.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ihr Bruder (damals junger Teenager) musste nach dem ersten Bombenangriff helfen die Trümmer wegzuräumen & hat seine erste Leiche gesehen, komplett zerfetzt. Er hat das bis zu seinem Tod nicht verarbeiten können, weil Therapie verpönt war.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Zu den Bunkern: nach jedem Angriff wurden beim Ausgang all die Menschen gesammelt, die im Bunker zertrampelt wurden. Den Kindern gab man einen Rucksack, in dem ihre Papiere waren, damit man sie leichter erkennen konnte… im Falle des Falles.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Viele der russischen Soldaten haben sich damals an den jungen Frauen vergriffen. Es gab aber einen Offizier, dem das zuwider war & die Soldaten „ausgiebig bestraft hat“, was genau das bedeutet, hat sie mir nicht gesagt.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ich hab mich am Freitag bevor wir gefahren sind noch so über den Preis der Reise aufgeregt. Pensionisten-Reisebüro, fast das doppelte von Normalpreis. Aber jeden Cent wert für die Zeit und die Geschichten und die Oma!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Und nachdem wir (Mama & ich) sie zu dem Urlaub eingeladen haben, schreiben wir hier alles, was wir extra konsumieren aufs zimmer und das will sie am Ende der Woche zahlen. Ich gehe abends immer zur Rezeption und begleiche die Rechnung. KNIHIHIHIHIHIHI!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
OMG! Ein Typ läuft hier rum vom Tourismusverband und will Leute befragen zu ihrem Urlaubserlebnis. Er braucht aber Leute unter 60. Wir spielen jetzt abfangen. Ich hab mich auf der Terrasse versteckt, aber es gibt nur einen Ausgang. SENDET HILFE!!!!!!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ich lese Oma grad den Thread vor. Und sie ist ganz verwundert, dass das Leute lesen! Und ich les ihr grad eure Kommentare vor. „Und von wo sind die? Wer ist das alles?“ wenn ihr ihr was sagen wollt, schießt los!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Von Oma an euch: „ich bin überrascht, dass man so ein großes Echo im Internet haben kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geschichten einer alten Dame so viel Resonanz finden.“
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
„Bei unseren Kaffeekränzchen reden wir immer nur über Krankheiten. Anteilnahme ist da selten vorhanden. Alle waren ganz erstaunt, dass wir zusammen auf Urlaub fahren.“
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ich: „Oma magst du dem Internet einen Ratschlag geben?“
Oma: „einen Rat, ja! Einen Schlag nicht. Jeder muss seine Erfahrungen selber machen. Jeder empfindet anders. Jugend hat das Vorrecht Fehler zu machen.“— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Oma meint, wir jung und alt sollten aufeinander zugehen. An Silvester ist sie zur WG im Haus mit einer Flasche Prosecco und hat ihnen einen guten Rutsch gewünscht und gesagt, sie dürfen ruhig laut feiern. Später am Abend sind die Mädels der WG zur Oma & haben mit ihr angestoßen!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Oma sagt, die Zeit im Krieg war schlecht. Sie erzählt von Lebensmittelmarken. Aber manchmal hat man dann welche von sich gegeben, an Leute, die mehr gebraucht haben.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ihr Stiefvater war Fleischhauer und hatte dadurch immer viele Marken und mehr Lebensmittel wie Obst. Sie hat die extra Marken im Haus verteilt und das frische Obst an den Nachbarsjungen gegeben.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Für Muttertag haben die Kinder ihre Pfennige zusammengesucht, aber die Blumenhändlerin hat sie verscheucht. In der Nacht haben die Jungs vom Haus Tulpen dort geklaut, damit alle was für ihre Mütter haben!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Ihr kleiner Bruder war Bildhauer. An Weihnachten hat er aus Holz Pferde und Hasen gemacht. Sie haben sich einen Bauchladen gebastelt und das Holzspielzeug verkauft & sobald die Polizei kam sind sie schnell gerannt. Aber alle waren froh, dass sie was zum verschwenken hatten!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Eines Tages nach dem Krieg kam ein junger Soldat zur Wohnung meiner Oma und hat um Kleidung gebeten, damit er von den Russen unbemerkt flüchten konnte. Er hat ihr als Tausch gegen Kleidung einen Teller mit seinem Familienwappen dagelassen, den er den ganzen Krieg über bei sich..
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
…hatte. Er versprach, dass er zurückkommen wird, wenn er überlebt, um sich zu revanchieren und den Teller zu holen. Leider wissen wir nicht, ob er überlebt hat. Oma fragt, ob das Internet ihr vielleicht helfen kann. Sie würd gern wissen, was mit ihm passiert ist!….
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
… (mache Foto, sobald wir wieder zuhaue sind.)
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Oma: „das Internet ist so süß! Wär ich nicht schon lange zuckerkrank, wär ich‘s jetzt.“
— Ashley Winkler (@melaphelia) 21. Mai 2019
Im Hotel wird spekuliert, wie viel mir die Oma gezahlt hat, dass ich mit ihr in den Urlaub fahre. Weil freiwillig macht das doch kein Enkelkind. Tja, wenn meine Oma sich den ganzen Tag über alles aufregt, wär ich auch nicht hier.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Oma ist übrigens das beste Anti-Depressiva!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Immer schön, wenn die alten Leutchen nicht mehr so gut hören können.
Ich so: wir waren im Insektenmuseum!
Alter Mann so: Im Sex-Pool-Museum?— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Ein paar Impressionen aus dem Urlaub mit Oma:
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Und noch ein paar:
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Leute, es gab Wiener Schnitzel am Buffet. Ich habe überlebt! Weiß aber nicht, wie hoch die Opferzahlen sonst so sind. Die Gabeln sehen hier auch sehr spitz aus!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Buffet-Logik: umso mehr ich mir auf den Teller schaufle, desto mehr kann ich übrig lassen.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Sorry Karen, wir wissen beide ganz genau, dass du keine 12 Schnitzel essen kannst, aber Hauptsache die anderen haben immer weniger als Du. hashtag blessed!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 22. Mai 2019
Ich weiß jetzt, warum die Pensionisten so eine Aversion gegen Tauben haben. Sind genauso wie frech und futtergierig wie sie!
— Ashley Winkler (@melaphelia) 23. Mai 2019
Dem nächsten alte Mann, der dem Putzpersonal in die Wange kneift und sagt „aber so brav samma!“, werd ich wohl die Hand abhacken müssen.
— Ashley Winkler (@melaphelia) 23. Mai 2019
Toll, oder? Noch mehr von Oma und Opa findet ihr hier: