Thread: Karstadt will 60 seiner 172 Filialen schließen
Der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH droht die Pleite. 60 Filialen der insgesamt 170 sollen bundesweit geschlossen werden. Auch die Tochter Karstadt Sports verschwindet aus den Innenstädten, dazu kommen ein noch nicht geöffnetes Kaufhaus in Berlin und zwei Schnäppchencenter. Als Begründung wird zwar die Corona-Krise genannt, aber ist das wirklich so? Julian Hein hat ein paar interessante Fakten zum Konzern und dessen Unternehmsstrategie zusammengetragen.
Karstadt will 60 seiner 172 Filialen bundesweit schließen und bevor ihr jetzt alle auf Amazon oder die gierigen Vermieter schimpft, solltet Ihr folgendes wissen:
Karstadt hatte schon in den 90er Jahren massive finanzielle Probleme, aber (1/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
… anstatt sich grundlegend zu ändern und schwierige Dinge wie langfristige Neu-Konzepte, besseren Service und interessante Kundenbindungsmaßnamen in Angriff zu nehmen, hat man nur Bilanzkosmetik betrieben. (2/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Der Konzern hat alle seine Immobilien verkauft und von den neuen Eigentümern zurück gemietet (Sell-and-lease-back). Dadurch hat man 10 Jahre in den Bilanzen wieder schöne Gewinne ausweisen können, obwohl das eigentliche Warenhausgeschäft weiterhin nur Verluste gemacht hat. (3/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Als netten „Nebeneffekt“ haben dadurch die Investoren weiter ihre Dividenden und die Manager ihre Bonuszahlungen bekommen, obwohl sich substanziell rein gar nichts geändert hat. (4/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Diese künstliche Finanzspritze hat dem Unternehmen erlaubt in den letzten 30 Jahren den Kopf in den Sand zu stecken und sich nicht an die neue Situation in den Innenstädten oder das Thema Online Shopping anpassen zu müssen. (5/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Das ist außerdem der Grund, warum wir alle im Karstadt das angenehme Gefühl hatten, in unsere Kindheit zurückversetzt zu sein. Es hat sich ja nichts geändert. (6/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Da man aber eben nur an den Symptomen herumgedoktert hat, ist das Problem – quelle surprise – aber irgendwann in den letzten 2 Jahrzehnten zurückgekommen und jetzt hat eben die Coronakrise dem Patienten den finalen Todesstoß versetzt. (7/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Ein Komplettverlust der Einnahmen für 3 Monate lässt sich wahrscheinlich einigermaßen aushalten, wenn einem die Immobilien selbst gehören. (8/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Wenn man allerdings einen Vermieter hat, dem man, im Rahmen des Sell-and-lease-back vermutlich auch noch Mindesteinnahmen garantiert hat, dann sagt der zurecht „Bitch better have my money“ und die Sache sieht anders aus. Sehr schade. (9/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
So ähnlich funktioniert das übrigens auch bei vielen anderen börsennotierten Unternehmen: Anstatt in Modernisierungen oder Weiterentwicklungen, steckt man seinen Cashflow in den Rückkauf von Aktien des eigenen Unternehmens. (10/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Durch die künstliche Nachfrage steigt der Aktienkurs und, obwohl die Gewinne des Unternehmens gleich bleiben oder leicht sinken, geht dadurch die wichtige Kennzahl „Earnings-per-Share“ nach oben. (11/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Beides freut die Aktionäre und sichert dem Management die Bonuszahlungen, da die oft an diese Zahlen gekoppelt sind. Aber wie bei Karstadt hat sich fundamental rein gar nichts geändert. (12/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Problematisch wird es aber bei einem Umsatzausfall, wie eben gerade durch die Coronakrise. Hätte man das Geld nicht für diese Bilanztricks ausgegeben, könnte man 3 Monate locker überstehen und wäre nicht auf Geld von Staat & Steuerzahler angewiesen. (13/n)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020
Indirekt haben wir alle damit die Kursgewinne, Dividenden und natürlich die Managergehälter dieser Firmen in den letzten 20 oder 30 Jahren mitbezahlt. Z.B. Airlines haben das gerne gemacht und teilweise bis zu 80% ihres Cashflows dafür aus dem Fenster geworfen (14/14)
— Julian Hein (@jhein) June 20, 2020