Thread: Das Black Mirror Experiment
Die britische Science-Fiction-Serie Black Mirror erfreut sich –Netflix sei Dank- auch in Deutschland großer Beliebtheit. Das Geheimnis des Erfolges? Die Serie thematisiert eindrucksvoll die Auswirkungen von Technik und Medien auf die Menschheit. Ein düsterer Blick in den Spiegel also.
Die Lehrerin, namentlich als „Frau Schiller“ auf Twitter unterwegs, hat die Idee der Serie auf ein neues Level gehoben und mit einer elften Klasse das Gesellschaftsmodell aus der Folge „Abgestürzt“ getestet. Mit verblüffendem Ergebnis.
Wer die 1. Folge der 3. Staffel noch nicht kennt, es geht um eine fiktive Weltordnung, in der sich jeder gegenseitig bewerten kann. Je höher der daraus resultierende Score (auf einer Skala von 1 bis 5), desto mehr Vorteile hat die Person und umso beliebter ist sie.
Verlauf und Ergebnis dieses Experiments hat Frau Schiller in diesem Thread zusammengefasst:
Ich habe ein „Experiment“ zur Gesellschafts- und Medienkritik mit meinen Schülern durchgeführt.
Als Grundlage diente die „Black Mirror“-Folge „Abgestürzt“ (Staffel 3, Folge 1).
Es wirkt befremdlich, war aber ein gelungener Einstieg in die Problematik.
[Thread]— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) January 8, 2019
Als die Elftklässler den Raum betraten, wurden sie nach Noten eingeteilt.
Die „Einser“ durften vorne sitzen und bekamen Stifte und Papier geschenkt. Die „Vierer“ rutschten nach hinten.Die Schüler folgten den Anweisungen interessiert.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Ich begann die Stunde mit Sachtexten zu modernen Medien. Je nach Mitarbeit bekamen die Schüler Plus- und Minuspunkte. Nach 30 Minuten durften sich die „aktiven“ Schüler vorsetzen, die „stummen“ rutschen nach hinten.
Die Schüler verstanden das Prinzip schnell.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Im 2. Teil der Stunde schauten die Schüler einen Teil der Folge. Dieser handelt davon, dass Menschen mit vielen Followern eher Haus & Traumjob bekommen. Menschen ohne Follower sind arm & arbeitslos. Jeder kann jeden JEDERZEIT per App bewerten, weswegen sich alle verstellen.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Schüler waren sich schnell einig, dass die Szenerie utopisch sei. In unserer Gesellschaft könnten Medien nicht solch einen Einfluss haben, da es immer einer Person auffallen würde, es Demos gäbe etc…
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Die Schüler erhielten die freiwillige (!) Hausaufgabe, bis zur nächsten Stunde Pluspunkte zu sammeln, damit sie in der 1. Reihe sitzen dürfen.
Die „Hausaufgabe“ wurde belächelt. (Meine Schüler sitzen sonst am liebsten so weit hinten wie möglich.)
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Überraschenderweise sammelten 19 von 20 Schülern durch Hilfe im Haushalt, Gassi gehen, freundliches Grüßen der Lehrer usw. Pluspunkte.
Außer Nico.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Ich ließ Nico nicht in meinen Klassenraum und stellte ihm einen Stuhl vor die Türschwelle. (Natürlich fand er das albern.)
Und dann geschah, was ich nicht erwartet hatte:
Alle Schüler wiesen Nico zurück. Er würde den Unterricht gefährden; solle draußen bleiben. (Nach einem Tag!)— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Ich besprach die Erfahrungen der letzten 24h. Nahezu alle Schüler meldeten sich lächelnd. (Gruselig!)
Nico saß vor der Türschwelle – wurde sogar von den SuS ermahnt, den Fuß zurückzuziehen.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Ich zeigte den Schülern das Ende der Folge: Die Frau wird wahnsinnig, „verkauft ihre Seele“ und kommt ins Gefängnis, wo sie zu spät merkt, welche Gefahr von Medien ausgehen kann.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019
Fazit: Ein Leistungskurs voller cleverer, fast erwachsener Menschen ließ sich (sicherlich auch mir zu Liebe) innerhalb von 24h in ein System drängen, das sie von Beginn an falsch fanden.
Die Sequenz läuft sehr gut an. Die Schüler haben (hoffentlich) ihre Lektion gelernt.
— Frau Schiller (@_FrauLehrerin_) 8. Januar 2019