Eigentlich waren es nur drei Worte. Ein Satz, der in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Ende August 2015, als die Flüchtlingszahlen anstiegen, weil immer mehr Menschen über die Balkanroute nach Mitteleuropa drängten, musste Angela Merkel eine ihrer umstrittensten Entscheidung treffen: Die Grenze für Flüchtlinge aus Ungarn offen zu halten. Der Satz „Wir schaffen das“ war dabei weniger als Begründung, sondern als Motivation gedacht. Trotz seiner humanitären Bedeutung hat dieser Satz auch sehr stark polarisiert. Wer ist „wir“? Und vor allem: Was ist „das“? Fragen, die auch noch heute beschäftigen.
Um den Wirkungsgrad und das komplexe Thema Integrationspolitik soll es aber in diesem Beitrag nicht gehen. Der Twitteruser @Holefleisch blickt vielmehr zurück auf eine Bekanntschaft, die zwei Familien für immer verändert hat, und hat seine persönlichen Eindrücke in dem nun folgenden Thread verewigt.
5 Jahre „Wir schaffen das“. Eine kleine Geschichte dazu: Wir lernten damals bei einem „Welcome Dinner“ eine Familie aus Aleppo kennen. Wahida, Mohamad und ihre beiden kleinen Söhne- der kleine feierte bei uns seinen 5. Geburtstag. Sie hatten nix und standen vor dem nix. In Aleppo
— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
war und wurde alles zerbombt. Sie waren in einer Container- mMassenunterkunft in Potsfam untergekommen. Wahida, eine starke und stolze Frau- Grundschullehrerin- wusste von Anfang an, dass der Schlüssel zu einem neuen Leben die deutsche Sprache war- ihr Mann hat da noch gezögert.
— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
Wir halfen wo wir konnten, verbrachten für und mit ihnen Tage und Tage vor und in den Amtsstuben von Ausländerbehörde bis Arbeitsagentur. Monate suchten wir eine Wohnung- letztlich mit Erfolg. Gemeinsam fanden wir Kindergartenplätze und eine Grundschule. Aber ganz alleine
— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
kümmerte sich Wahida mit aller Hartnäckigkeit darum an einem speziellen Programm der Uni teilnehmen zu dürfen, in dem Lehrerinnen und Lehrer aus Syrien für den Unterricht an deutschen Schulen vorbereitet wurden. Ihr Mann gab dann auch Gas, die Kinder lernten eh fix wie nix in
— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
Kita und Schule die deutsche Sprache.
Heute ist die Mutter Lehrerin an einer Schule in Potsdam und der Vater hat eine Ausbildung zum Busfahrer gemacht. Vor einigen Wochen hupte mich auf einmal ein Potsdamer Stadtbus an. Da saß er, mit einem breiten Grinsen,— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
am Steuer dieses Busses und trug die Verantwortung voller Stolz.
Mich hat der Moment umgehauen. Mir kamen die Tränen- vor Freude, Stolz und Bewunderung.
Apropos #WirSchaffenDas: wir haben geholfen, ja, aber letztlich haben unsere Freunde das selber geschafft. Für ihre Kinder.— Holefleisch (@Holefleisch) August 31, 2020
Das sagen andere User:
Ein 18 J alter Syrer hat 2 J bei uns gewohnt. Hat B1 Deutsch gelernt, macht Ausbildung als Klempner, hat Führerschein und Auto, hat als Gemeindearbeiter gearbeitet. Wir halfen ihm und er uns. Ist eine echte Freundschaft draus geworden.
— Carlos Kreidel (@CarlosKreidel) September 1, 2020
Wir haben unsere syrischen Freunde auch beim @WelcomeDinner kennengelernt, tolle Initiative! Und der Familie geht es jetzt ähnlich: die Eltern plus die drei Kinder haben ihren Weg gemacht, Deutschland hat eine Radiologin, einen Chirurgen und 3 großartige Kids mehr ❤️
— Astrid Kramer 💚 (@NerdInSkirt) September 1, 2020
Ich arbeite in der Grundschule. Vor einigen Jahren kamen zwei syrische Brüder an unsere Schule. Innerhalb kurzer Zeit gehörten die jeweils zu den Besten ihrer Klassen.
— JMK (@aka_jmk) September 1, 2020
Ein 22 jähriger aus Afghanistan war in meinem Deutsch Förderkurs. In kürzester Zeit hatte er den B2 Abschluß.
Hat jetzt seine Ausbildung zum Bäcker abgeschlossen und eine unbefristete Arbeitsstelle bekommen. Hat seinen Führerschein und hat sich total integriert— Hullapalu77🏡 (@hullapalu77) September 1, 2020