Was es manchmal heisst ein Lehrer zu sein. (Story)
Lest hier ganz unvoreingenommen den Erlebnisbericht einer Lehrerin. Uns hat er bewegt und berührt und deswegen wollen wir ihn auch euch nicht vorenthalten.
Die Geschichte beginnt hier:
Alle, die gossensprachige „Fachausdrücke“ nicht aushalten können, sollten diesen Thread NICHT lesen. Alle, die einen Teil unserer Gesellschaft nicht wahrhaben wollen, ebenso.
Alle, die über „die Jugend“ herziehen wollen, bitte ich nicht weiterzulesen.
— Penny Herzmolekuel • NRW (@Herzmolekuel) September 10, 2018
Ich spiegle hier lediglich einen Ausschnitt unserer Gesellschaft. Niemals allgemeingültig. Aber es ist eben doch ein Teil, der sich immer mehr – leider negativ – auf die Arbeit als Lehrer*in(nen) auswirkt. Der sich speziell auf mich und meine Arbeit auswirkt.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Alle, die hier auf Nennung bestimmter Nationalitäten hoffen, um damit groben, braunen Unfug zu verbreiten: IHR SEID HIER FALSCH! VERSCHWINDET!
Ich werde euch diesen Gefallen nicht tun. Es wäre zudem eine Lüge. Es ist ein Generationenproblem. Keins der Herkunft.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Politikstunde. Ich frage meiner Schüler*innen nach aktuellen politischen Themen, von denen sie etwas mitbekommen haben.
25 (Halb)Erwachsene schweigen.
Begriffe wie Chemnitz, Maaßen und Demonstranten sind ihnen völlig fremd.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Da ich mich (nach 1,5 Wochen Schule) auf die Lerngruppe bereits etwas vorbereiten konnte, möchte ich mit ihnen den Demokratiebegriff definieren. Brainstorming an der Tafel. Es kommt nichts. Halt, das ist falsch. Immer wieder ruft ein Schüler: „Sie sind ne MILF!“
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Nachdem ich in dieser Lerngruppe bereits am Freitag in der letzten Unterrichtsstunde des Tages mit gemalten Riesenpeni**en und behaarten Monsterhoden an der Tafel begrüßt wurde, äußere ich mich sehr deutlich, dass ich diese Art der sexuellen Belästigung nicht tolerieren werde.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Es wurde gelacht. Einige waren sichtlich beschämt, andere schauten mich provozierend an.
Sie merkten durch meinen selbstsicheren Blickkontakt, dass ICH mich definitiv nicht kommentarlos diesen Situationen ausliefern werde.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Zurück zu heute. Nachdem ich die MILF-Akte geschlossen hatte, besprachen wir ausgeteiltes Arbeitsmaterial zum Bearbeiten einiger Artikel des Geundgesetzes. Leider kamen wir genai bis zum 1. Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Sofort fielen Äußerungen wie „Nein, nicht jeder Mensch hat Würde. Schwule und Lesben zum Beispiel, die gehören NORMALISIERT!“ (Bitte lest nicht weiter, wenn euch das triggert!) Ich versuchte im ruhigen Ton gegenzusteuern. 22 Schüler*innen applaudierten dem Mitschüler indes zu.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich wusste, dass ein Schüler aus der Klasse mit seinem Freund zusammenlebt, da er auch letztes Schuljahr mein Schüler war. Ich wurde deutlich, dass solche Äußerungen NICHTS in meinem Unterricht zu suchen haben. Dass sie menschenverachtend sind. Böse. Gemein.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Es wurde gelacht. Es wurde auf die Tafel gezeigt, auf die ich zuvor Begriffe wie Religions- und Meinungsfreiheit geschrieben hatte. Es wurde gesagt: „MEINUNGSFREIHEIT! Und meine Meine Meinung ist Schwule und Lesben haben keine Berechtigung zu leben. Sie taugen nichts.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Sie können sich nicht fortpflanzen. Sie müssen bereinigt werden. Gesund gemacht werden!“ Ich, mittlerweile eine Mischung aus Wut, Ohnmacht und Verzweiflung versuchte nochmals dagegen anzukämpfen. Verbat mir solche Sprüche. Und erteilte letztlich einigen Rudelsführern tatsächlich
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
bezüglich des Themas Redeverbot. Der homosexuelle Schüler (der da eigentlich bisher sehr offen mit umging, in der Klasse wissen sie es noch! nicht) saß kleingesackt und kreidebleich auf seinem Stuhl. Die Stunde endete unruhig. Der Schüler wartete bis alle anderen weg waren.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Er bedankte sich für meinen „stillen“ Einsatz, dafür dass ich ihn NICHT mit „reingezogen“ hatte und sagte mit tränenerstickter Stimme, dass er sich so unwohl noch nie gefühlt habe. Dass er Angst davor habe, was passiert, wenn sie „es herausfinden“. Wir waren beide entsetzt.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich versprach ihm etwas zu unternehmen und dass das NICHT so stehengelassen werden darf und wird. Die Pause verbrachte ich dann bei dem Abteilungsleiter. Konsequenzen werden erfolgen. Aber gesagte Worte sind nicht ausradierbar.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Nächste Doppelstunde: ähnliche Lerngruppe.
Ich werde mit den Worten: „Ich schwör, ich fi*k meinen Schwa*z jetzt erstmal so hart!“ begrüßt. Der dynamische Selbstschw*nzfic*er ist 16 Jahre alt. Ich schaue ihn an. Er beruhigt mich damit, dass er ja nicht mich meine.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich sage auch hier deutlich, dass ich so etwas NIEMALS in meinem Unterricht hören möchte. Er nickt. Zudem weise ich ihn darauf hin, dass er in seiner Freizeit selbstverständlich mit seinem Sch*anz anstellen könne, was er mag. Auch hier gehe ich in die Offensive. Bin laut.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Lasse mich von solchen Sätzen nicht (mehr) einschüchtern. Was aber noch auch nach Jahren bleibt, ist die letztlich daraus resultierende Erschöpfung. Die Wut darauf in einer Bildungsanstalt als Frau solchen sexuellen Übergriffen ungeschützt ausgeliefert zu sein.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Herrje, ich habe so Bock denen was richtig Tolles für ihr Leben mit auf den Weg zu geben. Ich habe doch Ideale. Bin so gerne in diesem Beruf. Und doch steigt auch beim Schreiben dieser Worte eine Tränenflut in mir auf. Weil es mich sauer macht, dass ich nicht einfach unter
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
anständigen Bedingungen unterrichten kann. Ich brauche keine Heititei-Schüler*innen, aber so ein bisschen Respekt, hey, das wäre so eine feine Sache. Und natürlich sind längst nicht alle so, aber zwei oder drei Arschlöcher pro Lerngruppen reichen, um Andere anzustiften.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Oder um die, die das Benehmen ihrer Mitschüler eigentlich auch beschissen finden, zum Schweigen zu bringen.
Während der Stunde fallen immer wieder Frauen völlig abwertende Äußerungen.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Als wir ein Fallbeispiel besprechen (Es geht um den Begriff Ehre und um jemanden, der splitternackt im Schwimmbad ist, weil ich alle Sachen gestohlen wurden), fällt wie selbstverständlich von einem Schüler: „Erstmal gehe ich zu allen Weibern und lass mir den Schw*nz lutschen!“
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich blickte ihn an. Er entschuldigte sich. Es sei ihm so rausgerutscht. Und ich fürchte, er meinte das tatsächlich so. Aber letztlich: Welche Rolle spielt das? Ist es eine Entschuldigung, dass einem Menschen solche Sachen „rausrutschen“? Ist es nicht im Grunde eine sehr traurige
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Tatsache, dass solche Gedanken in den Köpfen einiger junger Männer wohnen und ihnen ständig entgleisen? Oder sind das nicht alles manipulativ gewählte „Pseudo-Ausreden“, um ja nicht für Gesagtes zur Rechenschaft gezogen zu werden? Ich konfrontiere sie damit. Mit ihren Worten.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich bin unbequem. Ich ignoriere das nicht. Mich beschämt das nicht. Ich bin kein Opfer. Ich stelle ihnen meist folgende Frage: „Ich bin gespannt wie deine Mutter oder dein Vater nachher reagieren, wenn ich ihnen deine Worte wiedergebe!“ Oft sind sie dann ruhig. Gucken so, als
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
fällt ihnen plötzlich wie Schuppen von den Augen, dass das hier nicht im Klassenraum bleiben könnte. Dass ihr Handeln Konsequenzen haben könnte. Aber am Ende bleiben dann die Fragen, die ich mir stelle: Wie sind die Väter dieser Söhne eingestellt? Was leben sie ihnen vor?
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Welche Wertstellung hat die Mutter, haben die Schwestern, haben Frauen generell in deren Weltbild? Leider erahne ich die Antworten. Andere Puzzleteile fügen sich mit der Zeit. Meistens verraten sie das recht schnell selber.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Das mal so im Groben formuliert sind Dinge, mit denen wir uns an meiner Schule Tag für Tag, mal mehr, mal weniger intensiv mit auseinandersetzen müssen. Und ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich ganz klar sage: Ich bin nicht bereit meine Ressourcen und meinen geliebten
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Beruf für solche Despektierlichkeiten zerstören zu lassen. Es muss sich etwas ändern. Ich bin es nicht. Ich werde mein Frausein, meine Großfressigkeit und meine Selbsicherheit nicht aufgeben. Mich gruselt allerdings der Gedanke, dass diese Jungs in der freien Wildbahn auf
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
weibliche Personen treffen und derart respektlos mit ihnen umgehen. Dass jungen Mädchen bereits ganz früh so vermittelt wird sie seien wertlos und klein und lediglich Objekte, denen Mann sich bedienen kann, wann und wie er will. Und dass sie das glauben.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Ich danke hiermit allen Männern, die ihre Söhne zum anständigen Menschensein begleiten. Sie dahingehend unterstützen, dass sie alle Menschen wertschätzend betrachten und behandeln. Es gibt so viel mehr davon als von diesen Arschlöchern, ABER! dennoch gibt es sie.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Frauen sind keine „Weiber“, Mädchen sind keine „Schlampen“. Mütter sind keine „MILF“ und generell: Sagt was, wenn ihr solche Begriffe mitbekommt. Wenn die Eltern da eventuell versagt haben, dann lasst es uns als Gesellschaft als untragbar darstellen. An der Bushaltestelle.
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018
Im Einkaufszentrum. Bei Mc Donalds. Es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber allein das WAHRNEHMEN und nicht WEGHÖREN, macht euch zu netten Menschen. Danke.
Und Ende. Is‘ klar, ne?
— Penny Herzmolekül (@Herzmolekuel) 10. September 2018