Thread: Über die Vergesellschaftung von Wohnraum
Am Wochenende waren zehntausende Menschen beim bundesweiten Aktionstag #MietenwahnsinnStoppen auf den Straßen, um ihren Ärger über die Wohnungsmarktsituation und die teils astronomisch hohen Mieten in den Großstädten kundzutun.
In Berlin läuft aktuell eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Diese hat bundesweit hohe Wellen geschlagen.
Schnell positionierten sich viele Politiker von Union, SPD und FDP dagegen, beschworen sogar DDR-ähnliche Zustände herauf. Sozialistischen Ideen hätten schließlich noch nirgendwo funktioniert. Man könne doch nicht so einfach Immobilien großer Investoren verstaatlichen.
Dazu muss man grundsätzlich sagen: Man kann schon. Eine Enteignung oder Vergesellschaftung wäre prinzipiell möglich. In Deutschland wird diese Praxis durchaus auch angewandt. Zum Beispiel im Tagebau, wenn es darum geht, Kohle abzubauen. Die rechtlichen Hürden sind allerdings so hoch, dass es in Berlin eher nicht dazu kommen wird, auch wenn das Volksbegehren Erfolg haben wird. Dem Senat fehlt es schlicht an finanziellen Mitteln, die entsprechenden Immobilien aufzukaufen. Ganz zu schweigen davon, dass man sie jetzt Jahre nach der Privatisierung für ein Vielfaches des ursprünglichen Preises zurückkaufen müsste.
Bliebe noch das Totschlagargument, eine Enteignung würde den Wohnungsmarkt nicht entlasten. Und hier kommt der nun folgende Thread ins Spiel, der sehr gut erklärt, warum dies aber durchaus ein probates Mittel wäre, den Mietwahnsinn zu stoppen, auch wenn das einige nicht wahrhaben wollen.
Da viele in der Republik es offensichtlich nicht verstehen (wollen): die Vergesellschaftung von Wohnungen dient nicht dazu, mehr Wohnungen zu schaffen, sondern soll dem freien rein auf Profit orientierten Markt Wohnungen entziehen, um die darin lebenden Menschen zu schützen und
— Dr. Wu (@Dok_Wu) April 8, 2019
Um die Menschen in den Vierteln dieser Wohnung (auch über den Mietspiegel) vor weiteren krassen Mietsteigerungen zu schützen. Zudem soll sich der Staat so selber vor zukünftig höheren Ausgaben (bspw. Wohngeld) schützen und es soll auch ein politisches Zeichen gesetzt werden: dass
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Es so wie bisher nicht weitergehen kann, Politik und freier Markt versagt haben. Dem Markt kann man dabei keinen Vorwurf machen, der Politik schon. Denn die lässt den Markt seit Jahren machen was er will. Sich jetzt über drastische Forderungen der Menschen aufzuregen ist wohlfeil
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Vor allem ist es absurd im Kontext dieser Debatte den Menschen vorzugaukeln, so würden Investoren verschreckt, die die benötigten Wohnungen bauen würden: kein normaler Investor baut die Wohnungen, die die Menschen jetzt brauchen. Denn sie brauchen bezahlbare Wohnungen
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Und sehr wohl und mit der besten Empfehlung der Verfassung kann sich diese Gesellschaft auch entscheiden, dem freien Markt Grenzen aufzuerlegen und gesellschaftliche Bereiche anders zu organisieren. Sie tut es auch in vielen anderen Bereichen: Landwirtschaft, Arbeitsmarkt z.B.
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Warum gibt es denn massive Subventionen für die Landwirtschaft, massive Querfinanzierung im Niedriglohnbereich, massive Strukturförderung oder “Begrüßungsgelder” für Investoren oder Firmen, nur um Standort A nach Standort B zu holen?
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Zur Wahrheit über die jetzige Wohnungsdebatte gehört eben auch: Diese Debatte wird maßgeblich von jenen Menschen bestimmt, die überhaupt kein Problem damit haben, ne Wohnung zu finden, zu mieten und zu bezahlen. Und die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch selbst Wohneigentum haben
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Man kann es nicht oft genug sagen: Dieser Staat zwangsenteignet zum Wohle der Gemeinschaft tagtäglich Menschen und vergesellschaftet je nach aktueller Problemlage vor allem dann, wenn es darum geht, die Profitinteressen von Konzernen oder ganzen Wirtschaftszweigen zu schützen
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Würden die Spielregeln des freien Marktes wirklich gelten, dann hätte die Politik in der Finanzkrise so manche Bank einfach pleitegehen lassen, und dann würden Konzerne wie RWE, Vattenfall und Co auf immer und ewig für den Atommüll blechen. Is aber alles nicht passiert.
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Klar, man kann die Forderung d. Vergesellschaftung von Wohnungen drastisch finden. Aber drastisch erscheint mir eher, dass in 🇩🇪 zirka ne Million Menschen, darunter viele Kinder, wohnungslos sind, es zehntausende Obdachlose gibt, hunderttausende Wohnungeld beziehen müssen und
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
der Anteil, den Menschen von ihrem Einkommen für die Miete ausgeben, in urbanen Zentren immer weiter steigt, dass Familien mit Nachwuchs nicht umziehen können, das so viele Menschen Angst vor Verdrängung haben, zwangsgeräumt werden oder wegziehen müssen
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019
Endlich nen Artikel, der die bei einigen Politikerinnen und Politikern völlig aus dem Ruder laufende Debatte um Enteignungen á la "Gibs nicht, gabs nie, wirds nicht geben" mal wieder etwas gerade rückt: "Enteignet wird längst" https://t.co/oF5f3g4qW5
— Dr. Wu (@Dok_Wu) April 8, 2019
Bergbau: mehr als 120000 größtenteils zwangsumgesiedelt, möglich meist nur durch #Enteignung , gleiches bei Flughäfen, Straßen, Hochwasserschutz, Truppenübungsplätzen etc, und das die Bundesregierung mal die Zwangsverstaatlichung der HRE Bank plante, wird auch gern verschwiegen
— Dr. Wu (@Dok_Wu) 8. April 2019