Thread: Über den NSU und gegen das Vergessen
Der Prozess gegen Beate Zschäpe, die einzige Überlebende aus dem NSU-Trio Mundlos, Böhnhardt und eben Zschäpe, mag vorbei sein. Für die Angehörigen der Opfer des Neonazi-Trios bleiben jedoch weiterhin (zu) viele Fragen offen: Wer war noch daran beteiligt, dass das Trio nahezu unbehelligt sieben Jahre lang aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven in ganz Deutschland Morde begehen konnte? Wer unterstützte die Neonazis? Wer wusste davon? Welche Rolle spielten vom Verfassungsschutz eingesetzte V-Männer?
Damit diese schreckliche und sinnlose Mordserie – mitten in Deutschland – niemals in Vergessenheit gerät, hat DIE ZEIT am gestrigen 25. Februar, genau 15 Jahre nach dem kaltblütigen Mord am Hamburger Mehmet Turgut, mit einem Thread erinnert:
25. Februar 2004, Rostock-Toitenwinkel, kurz nach 10 Uhr. An dieser Stelle wird der 25jährige Hamburger Mehmet Turgut mit „fast aufgesetzten Schüssen“ in Kopf, Hals und Nacken, wie sich ein Polizist später erinnert, ermordet. (Thread)
— DIE ZEIT (@DIEZEIT) February 25, 2019
Mehmet Turgut ist zu Besuch bei seinem Kumpel Haydar. Spontan entschließt er sich, für ihn an diesem Vormittag dessen Imbissstand am Neudierkower Weg aufzuschließen.
Bereits in den Jahren zuvor hatte es mehrere Anschläge auf den kleinen Imbissstand in Ost-Rostock gegeben.
— Dr. DIE ZEIT, MdB (@DIEZEIT) 25. Februar 2019
Mal wird Imbissbesitzer Haydar verprügelt, ein anderes Mal zünden Unbekannte in der Nacht den kleinen Kebabladen an. Die Polizei ermittelt – ohne Erfolg. Jetzt ist Memo, so nennen ihn seine Freunde, tot.
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Er wollte selbständig arbeiten in Deutschland, erzählt Mehmets Bruder Mustafa. Als sein großer Bruder Memo ermordet wird, ist er zwölf Jahre alt. Wer hat Mehmet getötet? Und warum?
— Dr. DIE ZEIT, MdB (@DIEZEIT) 25. Februar 2019
Deutsche Polizeibeamte reisen in die Türkei. Sprechen nicht mit Mehmets Familie in seinem Heimatdorf, mit Bekannten im Nachbardorf reden reicht. Hatte Mehmet Turgut Feinde? Die Polizei vermutet „Blutrache“, „Ehrenmord“. Sowas halt.
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Anderthalb Jahre später, im Juni 2005, wird in Nürnberg der Unternehmer İsmail Yaşar mit fünf Schüssen aus kurzer Distanz hingerichtet.
Sechs Tage später erschießen unbekannte Täter den griechischen Einzelhändler Theodoros Boulgarides in seinem Münchener Ladengeschäft.— Dr. DIE ZEIT, MdB (@DIEZEIT) 25. Februar 2019
Nach dem Mord an dem Kioskbesitzer Mehmet Kubaşıkim in Dortmund im April 2006 nimmt die 50köpfige SOKO „Bosporus“ die Ermittlungen auf. Gibt es Zusammenhänge zwischen den Taten?
Die BILD sucht den „Döner-Mörder“.
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Das BKA geht verstärkt Hinweisen „zu türkischen Drogenhändlern in den Niederlanden“ nach. Sechs Jahre hielten die Ermittler Mehmet Turgut fälschlicherweise für dessen Bruder Yunus. Im November 2011 klingelt das Telefon von Memos kleinem Bruder.
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Sein Cousin aus Deutschland ruft an. „Wir wissen, wer Mehmet umgebracht hat. Es waren Neonazis.“
Mehmet Turgut ist eines von zehn Opfern der terroristischen Untergrundorganisation NSU.
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Sechs Jahre lang morden sich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe unentdeckt, unbehelligt und mit Hilfe zahlreicher Unterstützer durch die Bundesrepublik.
Ihre Opfer: sechs türkische Staatsangehörige, drei Deutsche und ein Grieche.
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Weil der NSU die meisten ihrer unentdeckten Morde in Bayern beging, findet der Prozess gegen Beate Zschäpe in der bayrischen Hauptstadt München statt.
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Die Heilbronner Polizistin Michele Kiesewetter ist das einzige Mordopfer des NSU, das nicht im Wikipedia-Artikel „Ceska-Morde / NSU-Mordserie“ aufgeführt wird. Sie ist das einzige Opfer ohne Migrationshintergrund. Die einzige „richtige Deutsche“.
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„Die Deutschen sind die Mörder,“ dachte Mehmets Bruder Mustafa 2004 sofort, als er vom Tod seines Bruders erfuhr. Doch die deutschen Urlauber, die er als Kellner in Antalya kennenlernte waren keine Ungeheuer.
— Dr. DIE ZEIT, MdB (@DIEZEIT) 25. Februar 2019
„Wenn ich bei anderen Gästen das Essen abräumte,“ erinnert sich Mustafa, „war der Tisch meist übersät mit Essensresten und Abfällen. Die deutschen Gäste hingegen putzten sogar die Krümel weg. Sie waren freundlich, respektvoll – und sie konnten sogar lachen!“
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An dem Ort, an dem Neonazis den 25jährigen Hamburger Mehmet Turgut erschossen haben, dort wo der kleine Imbissstand stand, den er am Vormittag für seinen Freund aufschließen wollte, befindet sich heute ein kleines Mahnmal.
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Das Mahnmal für Mehmet Turgut in Rostock-Toitenwinkel, ermordet heute vor 15 Jahren am 25. Februar 2004, wird regelmäßig beschädigt oder mit Farbe beschmiert.
Die Polizei ermittelt.
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(Thread vorbei)
— Dr. DIE ZEIT, MdB (@DIEZEIT) 25. Februar 2019