Als ich etwa 12 Jahre alt und verknallt war

Als ich etwa 12 Jahre alt war, war ich in Jenny verknallt. Die war einen ganzen Kopf größer als ich, das hübscheste Mädchen im Dorf, und wahrscheinlich ging es jedem zweiten Jungen so wie mir. Morgens sind wir mit dem Bus in die Stadt zur Schule gefahren.

Ihr kennt das sicher auch: Manche Erinnerungen brennen sich so tief ein, dass sie uns ein Leben lang prägen. Das betrifft vor allem jene Momente, in denen wir hilflos danebenstehen, wenn etwas Schlimmes passiert. Gerade in der Jugend, wenn man sich selbst noch nicht ganz gefunden hat, ist Zivilcourage oft mehr Gefühl als Handlung. Und Schweigen erscheint manchmal das Einzige, was man dabei fertigbringt.

Was als harmlose Kindheitserinnerung beginnt, entwickelt sich im nun folgenden Thread zu einer eindrucksvollen Reflexion über den Umgang mit Grenzüberschreitungen. Ergo auch um die Macht von Vorbildern und die Frage, wie man später im Leben das aufarbeitet, was man damals nicht konnte. Es geht also in diesem Beitrag um Mut, Verantwortung und darum, heute für andere laut zu sein. Diesen inneren Wandel von stiller Ohnmacht zu aktivem Handeln erleben übrigens viele Männer im Laufe ihres Lebens. Gott sei Dank sprechen so viele jetzt auch offen darüber. Und genau das ist am Ende wichtig! Nicht die Schuld steht im Vordergrund, sondern die eigene charakterliche Entwicklung zählt.

Den bewegenden Text für unseren Denkanstoß hat übrigens @Nobodysidea auf X verzapft. Aber macht euch doch am besten selbst ein Bild davon.

Als ich etwa 12 Jahre alt war, war ich in Jenny verknallt. Die war einen ganzen Kopf größer als ich, das hübscheste Mädchen im Dorf, und wahrscheinlich ging es jedem zweiten Jungen so wie mir. Morgens sind wir mit dem Bus in die Stadt zur Schule gefahren. Ab und zu
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guckte ich in ihre Richtung, und wenn sie zufällig zurückguckte, schaute ich schnell woanders hin. Nie habe ich mich getraut, sie auch nur anzusprechen.
Auf einer Fahrt zurück ins Dorf, der Bus war ziemlich voll, stand ein offensichtlich besoffener Typ im Gang. Jenny saß 
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direkt vor ihm, neben ihr eine Freundin. Ich war vielleicht 2 m weiter hinten im Gang. Der Typ glotzte Jenny die ganze Fahrt über an. Sie versuchte das wohl zu ignorieren. So wirkte es jedenfalls. Kurz bevor der Typ ausstieg, kam er Jenny sehr nahe und rief ziemlich laut:
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„Ich will dich f....n!" und stieg dann völlig entspannt aus. Jenny bekam einen roten Kopf und es war ihr wohl wahnsinnig peinlich. Der Bus war voller Erwachsener. Keiner zeigte auch nur irgendeine Reaktion. Jenny tat mit total leid. Ich wünschte,
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ich hätte ihr irgendwie helfen, irgendetwas sagen können. Vermutlich ist das für einen 12-Jährigen in so einer Situation schwierig. Ich habe nichts gemacht.
Das ist eine von zahlreichen Episoden, die mich stark geprägt haben und durch die ich verstanden
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habe, wie ein großer Teil der Männer in Bezug auf Frauen tickt. Ich wollte nie einer von ihnen sein. Zum Glück hatte ich einen Vater, der mir ein gutes Vorbild war und Freunde, denen dieses Verhalten völlig fremd war. Wenn ich heute ähnliche Situationen erlebe, bin ich nicht
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mehr 12 und einen Kopf kleiner als Jenny. Ich benenne, was mir nicht passt. Und ich bin 1,90m groß und ein ziemlicher Schrank. Und ich bin trotzdem klug genug, um bei Bedarf Hilfe zu finden. Und laut genug, um Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn es keinen kümmert.
Ende

Kommentare und Reaktionen:

Respekt! Wie wichtig und schön es ist, dass es Menschen (egal welchen Alters) mit Herz und Verstand gibt. Das sahen auch die Userinnen und User so. Ein paar der treffendsten Kommentare haben wir hier für euch gesammelt.

High Five!

Brüder im Geiste 🤜🤛bzgl Respekt ggü. Frauen.
Bei mir hieß sie Joya... erst beim Abiball gestanden wir uns gegenseitig, dass wir die letzten drei Jahre aufeinander standen (keiner hat sich getraut). Ich begann Zivildienst in einer anderen Stadt und so wurde nie mehr was draus🥲

Wie gut, dass es solche Menschen gibt

Danke dass Du bist, wie Du bist. ES IST MIR EINE EHRe ein klein wenig Einblick zu bekommen hier auf x

Noch sind wir nicht verloren

Solange es Menschen gibt, die ihr Herz nicht durch einen Stein ersetzen, habe ich Hoffnung!
Danke 🙏🏻 
Und noch was: du stehst nicht allein!

Seid vorbereitet

Danke für das Erzählen🥺

So geschieht es jeden Tag. 

Und meistens wissen wir Betroffenen oder Umstehenden nicht, wie wir reagieren könnten. 

Ich überlege mir aber jetzt (dank Deiner Schilderung) wenigstens ein paar Sätze, die ich in diese Momenten sagen werde.

Hoffen wir es

Gutes Vorbild für alle Männer, iwann werden diese Witzfiguren eine Minderheit sein, danke für's Teilen.

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