Thread: Abnehmende Toleranz in unseren Zeiten
Die Städter unter euch kennen das Problem vermutlich schon. Menschen ziehen in die City und kaufen sich sündhaft teure Eigentumswohnungen im Szenekiez, nur um dann festzustellen, dass sie lieber einen Kiez ohne Szene hätten. Konzerte und Partys vor meiner Haustür? Nein, danke! Die Kneipe in meinem Wohnblock spielt nach 22 Uhr noch Musik? Anzeige ist raus! Überhaupt scheinen viele nicht nachzudenken, bevor sie sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen.
Wer jetzt denkt, auf dem Dorf ist die Sache etwas entspannter, der irrt sich gewaltig. Der User @zweiundvierzich hat kürzlich einen Thread veröffentlicht, bei dem unser Alman-Detektor zu glühen anfängt. Toleranz verkommt mehr und mehr zur Mangelware. Aber lest selbst.
Heute mal – quasi als Wort zum Sonntag – ein Thread zum Thema »abnehmende Toleranz in unseren Zeiten«
Hier im Dorf gibt es eine Familie, die auf ihrem – ausreichend großen – Grundstück Esel halten. Es fing mit einem Pärchen an, und von 2012 bis 2014 kam jeweils ein Mini-Esel
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
dazu. Esel machen übrigens nicht I-A, zumindest nicht außerhalb von Märchen und Fabeln. Sie schreien, und das teilweise recht laut. Den WM Fans hilft vielleicht dieser Vergleich: Ein Esel ist im Grunde eine Vuvuzela auf vier Beinen.
Es hat sich aber keiner dran gestört, denn die
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
Esel gehören zum Dorfbild, sie sind im Grunde Bestandteil des Lokalkolorits.
Dann wurden in der Nachbarschaft der Esel ein paar Häuser frei, die verkauft wurden, und es sind neue Leute eingezogen. Bis hierhin alles super.
Die neuen Leute haben sich recht schnell zusammen getan
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
und eine Beschwerde bei der Gemeinde wegen der Esel eingereicht. Große Wellen, mit viel lokaler Presse und sogar einer Unterschriftenaktion für den Verbleib der Esel.
Kommunalrechtlich gibt es da Themen, die ich nicht durchdringe. Ich glaube die Besitzer der Esel hatten wegen
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
des Bebauungsplans keine allzu guten Karten. Andererseits waren die ersten Esel schon lange da, es wurde von Gewohnheitsrecht gemunkelt.
Am Ende gab es einen Kompromiss: Die älteste Tochter der Esel (von 2012), welche zugleich auch die lauteste war, musste weg. Der Rest durfte
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
dafür bleiben. Daran muss ich jedes Mal denken, wenn ich vorbei laufe und nur vier Esel sehe.
Warum habe ich abnehmende Toleranz darüber geschrieben? Dazu möchte ich zunächst anmerken, dass ich verstehen kann, wenn jemand sich von den Eseln gestört fühlt. Allerdings empfinde ich
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
es hier als ganz entscheidend, dass die Esel vor den Leuten da waren. Wenn du ein Haus baust und jemand baut danach eine Müllverbrennungsanlage daneben, darfst du sauer sein. Wenn du aber neben einer bereits bestehenden Müllverbrennungsanlage baust, hast du das Recht dazu in
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
meinen Augen verwirkt, denn du wusstest vorher, dass das Ding da ist. Und wenn du ein Haus kaufst, welches in unmittelbarer Nähe von Eseln steht, muss dir das Thema auch klar sein.
Natürlich ist das schwierig, und vermutlich regen sich gleich einige auf, aber ich fand die
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
Beschwerde eine Frechheit. Aus genau diesem Grund.
Positiv hervorheben möchte ich, dass man sich am Ende auf einen Kompromiss geeinigt hat. Wobei ich mich nicht glaube, dass der ohne die Unterschriftenaktion zu stande gekommen wäre.
Noch ein Beispiel: In einem anderen Ort gibt
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
es eine Kirche, die für ihre lauten Glocken bekannt ist (die von mir sehr geschätzte @13sisu kann da sicher was zu sagen). Auch dort haben irgendwann Leute, die Häuser in der Nachbarschaft der Kirche gekauft haben, Beschwerde eingereicht.
Und diese Kirche ist halt schon recht
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020
lange dort, samt Glocken. Das weiß man auch BEVOR man dort das Haus kauft.
Ich finde: entweder man zeigt Toleranz gegenüber den lokalen Begebenheiten, in die man freiwillig hinein zieht, oder man sucht sich was anderes.
So, shitstorm frei!
— Bogi 🧐 (@zweiundvierzich) January 19, 2020