Und doch sitze ich gerade weinend auf dem Bett
Es gibt Geschichten und Erzählungen, die uns unter die Haut gehen. Die nachhallen und uns, ob wir nun wollen oder nicht, noch einige Tage lang beschäftigen. Die uns vielleicht sogar mit einem veränderten Blick auf unser eigenes Leben schauen lassen und unsere künftigen Handlungen und Entscheidungen beeinflussen. Denn es sind oftmals Augenblicke oder kurze Momente, die die größten Veränderungen mit sich bringen. Manches Mal mit Absicht, häufig jedoch schlicht und ergreifend als Unfall. Zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Der sehr persönliche Bericht von Twitteruserin @Threzelda ist ein genau solcher Moment, der nur wenige Sekunden gedauert und ihr Leben dennoch für immer verändert hat.
14.03.14, 14:11. Hamburg, Notaufnahme.
Ich entschuldige mich beim Anästhesisten der grad mein erbrochenes aufwischt. Ich weine. „Keine Sorge. Alles ist gut, das sind nur die Schmerzmittel und er Stress“ Stress…was ist eigentlich passiert? (1/?)— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Nun um 7:10 hab ich mich mit meinem (Ex) Freund auf den Weg zur Schule gemacht. Um 7:14 ruft eine Fremde den Notarzt. Um 7:20 ruft eine Mitschülerin meine Eltern an.
Ich bin selbstständig aus dem Auto gestiegen was ich gegen den Baum gefahren hab. Ich bin 3 Wochen 18.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Wir warten lange auf zwei Krankenwagen. Es ist mehr passiert den Morgen. Ich liege auf dem Boden und bete zu Gott dass mit meinem Freund alles in Ordnung ist, dass meine Eltern nicht sauer sind. Ich verschwende keinen Gedanken an mich.
— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Im Krankenwagen diskutiere ich um meine Hose, die ich mir am Ende bis zum Knie hoch Krempel damit sie nicht zerschnitten wird. Skinny Jeans. Bis heute weiß ich nicht wie ich das geschafft hab. Die Nachricht das mir mehrere Wochen Krankenhaus blühen bringt mich zum weinen.
— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Krankenhäuser erinnern mich an Opa. Opa ist zu dem Zeitpunkt 5 Jahre tot.
In der Notaufnahme vor Ort sind sofort zwei intensivpfleger da die ich kenne. Der eine nimmt mir die Ohrringe raus die sich dank meiner Halskrause in meine Haut bohren.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Den anderen schicke ich zu meinen Eltern.
Traumaspirale
Doppeltes CT. Auf dem ersten war ein Riss im Kopf zu sehen. Nicht bestätigt.
Ich soll noch Hamburg, doch was ist mit ihm? Neben einem gebrochenen Wirbel und Schlüsselbein Verdacht auf Milzruptur.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Inzwischen weine ich seit 2 Stunden. Mein Puls ist konstant über 100.
In der Hoffnung dass ich mich beruhige schiebt man uns in ein intensiv-Zimmer bis entschieden ist ob wir beide weg kommen oder einer eine Not Op braucht.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
13 Uhr. Wir kommen beide nach Hamburg. Sofort. Für eine Strecke von 1 1/2 Stunden brauchen wir 40 Minuten. Es ist zu Nebelig zum fliegen.
Ich hab bis da hin 4 mal hohes Schmerzmittel bekommen. Die Mädels aus dem RTW sind Gold. Genau wie die erste Schwester in der Notaufnahme❤️— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Notaufnahme Hamburg.
Zweite Traumaspirale, da Bilder nicht ausgelesen werden können. Die Zimmer der Notaufnahme werden durch eine Schiebetür getrennt, diese ist konstant offen damit er versuchen kann mich zu beruhigen. In meinem Kopf schwirrt aber immer nur ein Gedanke.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
„Du hast euch fast umgebracht“.
Um 16 Uhr komme ich auf ein Zimmer. Ich zittere nur noch, Adrenalin schwindet und die Schmerzen sind wieder da. Anstatt eines weiteren Schmerzmittels bekomme ich ein Schlafmittel.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Um 23:12 werde ich für die Notop geholt. Um 0:05 spreche ich mit der Anästhesistin, die mir sagt dass mein Freund die Op gut überstanden hat und gleich in den Aufwachraum kommt. Sie lächelt, denn mein Puls fällt schlagartig unter 100, das erste mal seit 7:14.
— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Um ca 2:00 sehe ich das erste mal die Uhr im Aufwachraum. Er liegt neben mir, man hat unsere Betten zusammen geschoben, er hält meine Hand und HAT HUNGER. (😂)
Irgendwann schlafe ich komplett tot ein.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
15.03.14 ich kämpfe damit meine Decke anzuheben und mein Bein zusehen. Ich habe einen Außenfixateur. Vor mir werden 3 Wochen Krankenhaus und eine weitere große Op liegen bis ich das erste mal nach Hause komme.
— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
3 Wochen in denen meine Eltern fast täglich vorbei kommen, Freunde nach der Schule zu mir kommen, ich wundervolle Menschen kennenlerne und Freunde finde. 3 Wochen in denen ich weine, lache und lerne, erfahren werde das mein Leid so gering ist im Vergleich zu anderen.
— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Ich werde vieles verpassen.
Mitte April werde ich den Fixateur los. Im Juli wird meine Cousine geboren, als sie 9 Tage alt ist werde ich das erste mal ohne Krücken laufen dürfen und sie das erste mal halten.
Flo und ich sind noch 2 Jahre zusammen.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Ich mache trotz allem mein Abitur im ersten Anlauf.
Ich werde noch 2 mal operiert und verpasse meine Kurs sowie die Abschlussfahrt.
Was mir bis heute bleibt sind Schuldgefühle.
Angstzustände.
Und der 14.03. der mich jedes Jahr psychisch fordert.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Ich fahre Auto als wäre nie etwas gewesen (ja auch nach dem zweiten Unfall bei dem Gott sei dank nichts schlimmes passiert ist)
Und doch sitze ich gerade weinend auf dem Bett.
Wenn mich etwas geprägt hat. Dann dieser Tag und die 3 Monate danach.— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Seit dankbar für das was ihr habt Leute.
Das kann so schnell zu Ende sein.
Konzentriert euch beim Auto fahren, lasst euch nicht ablenken, nicht mal kurz. (Bei mir waren es 8 Sekunden ca.)
Tut das für euch und die anderen. ❤️— Marie-Therese (@Threzelda) March 14, 2020
Kommentare und Reaktionen:
Mit der Lektüre dieser Erlebnisse wird uns wohl allen eindringlich bewusst, wie schnell das, was wir haben, zu Ende sein kann. Musstet ihr in eurem Leben bereits ähnliche Erfahrungen machen? Dann hinterlasst uns doch einen Kommentar mit eurer Geschichte! Bis dahin haben wir für euch die treffendsten Reaktionen anderer Leserinnen und Leser gesammelt:
Grossartig geschrieben. Fühl dich mental gedrückt 🙏
— Johnny Doe (@go_fck_myself) March 18, 2020
Wow. Heftige Geschichte. Aber schön, dass du sie noch erzählen kannst. Alles Gute für dich.
— Frankentim (@THerzlieb) March 14, 2020
Ich hab Tränen in den Augen. Fühl dich gedrückt.
— Fräulein Rotfuchs (original) (@dierotefuechsin) March 15, 2020
Ich kann das sehr gut nachfühlen. Ich hoffe, es wird mit jedem 14.03. ein bisschen leichter für dich 🍀
— 🎈BiBaBumble 🎈 (@bibabumble) March 14, 2020
Wünsche dir alles gute und das du den Tag irgendwann richtig gut verarbeiten kannst.
Da ich in der Feuerwehr bin, die hauptsächlich Unfälle auf der Autobahn fährt, frag ich mich oft, wie es mit Beteiligten weitergeht, nachdem sie vom RD mizgenommen werden. Danke für den Einblick.— pttt (@pttt_2005) March 15, 2020
Danke 🥺. Ich hab Tränen in den Augen aber ich bin froh, daß es dich und auch deinen ex noch gibt.
Ich wünsche dir, dass du all diese Selbstvorwürfe irgendwann hinter dich lassen kannst. Fühle dich umarmt ❤️— Tomasso Esse (🏠) (@Thomas62592633) March 14, 2020
Wer hat denn da gerade Zwiebeln geschnitten…..🥺? Du hast so recht, wir müssen geniessen und feiern was wir haben und uns zufrieden macht!
— Hömma ey (@FrauRuhrpott) March 14, 2020
Seid ihr bereit für eine andere Erzählung mit Gänsehaut-Garantie?