
Die Heiligen Drei Könige im Jahr 2025
Es geschah im Winter 2025, als der im vergangenen Merz neugekrönte Kaiser Friedrich (getrieben von der AfD) damit begann, eine erste große Volkszählung durchzuführen. So machten sich auch Josef und seine hochschwangere Frau Maria auf den doch recht beschwerlichen Weg nach Berlin. Dank des in der Hauptstadt extrem überhitzten Wohnungsmarktes brachte Maria ihren erstgeborenen Sohn dort in einer Hunderte Meter langen Warteschlange für eine 2-Zimmer-Wohnung in Prenzlauer Berg zur Welt. Spoiler: Die Wohnung bekamen die drei natürlich nicht, da der für seine christliche Nächstenliebe (zumindest gegenüber den Aktionären) bekannte Immobilienkonzern Novomia lieber an einen gutsituierten und alleinstehenden Fondsmanager vermieten wollte. Alle übrigen Herbergen waren hoffnungslos ausgebucht – oder standen als Zweitwohnsitze vermögender Menschen, die gerade im Skiurlaub in St. Moritz oder in einer angesagten Bar auf Sylt verweilten, leer – und so fand die junge Familie glücklicherweise noch einen Stall auf dem Areal des ehemaligen Tempelhofer Flughafens. Das kleine Jesuskind wurde dort mit Heu und Stroh in eine Futterkrippe gebettet und von einer Löwin gewärmt, die sich später jedoch als ganz normales Wildschwein herausstellen sollte.
Die Nachricht der Geburt verbreitete sich dank Millionen von Likes und Shares auf sämtlichen sozialen Plattformen wie ein Lauffeuer und schließlich war es der bayerische Food-Influencer Markus Söder, der das erste Selfie mit dem Jüngling (samt dreier in CSU-Servietten gewickelter fränkischer Bratwürste) schießen und online stellen konnte. Angelockt von zahlreichen Reels und Storys machten sich augenblicklich auch die drei (Wirtschafts-)Weisen aus dem Tomorrowland mit der Deutschen Bahn auf den Weg in Richtung Hauptstadt. An der Grenze wurde die Gruppe jäh gestoppt und ausgiebigst kontrolliert („Aber wo kommt ihr ursprünglich her?“), da man die Drei zunächst für Wirtschaftsflüchtlinge (und kleine Paschas) hielt, die im Ausland ihre hoch bezahlten Stellen aufgaben, um in Deutschland „ins Bürgergeld zu gehen“ oder sich doch zumindest hier in den Zahnarztpraxen ihre Zähne neu machen zu lassen. Aber wie gesagt, alles ein reines Missverständnis, die Brandmauer steht natürlich weiterhin.
Caspar, Melchior und Balthasar hatten zu Beginn ihrer Reise neben Weihrauch, Myrrhe und Gold auch Steuererleichterungen für Superreiche im Gepäck, um das gerade geborene Jesuskind, welches später zahlreiche göttliche Aktienpakete erben würde, überaus gütig zu beschenken. Nachdem jedoch irgendwo zwischen Paderborn und Hagen beim Umsteigen wegen eines überaus hektischen Gleiswechsels die Koffer vertauscht wurden, kamen die dank der Cannabis-Legalisierung mittlerweile highen Drei Könige mit gänzlich anderen Geschenken am Stall an.
Caspar überreichte den einigermaßen verdutzten Eltern eine mit Pistaziencreme und Engelshaar gefüllte Tafel Nazareth-Schokolade und einen Bausparer samt einiger Bitcoin. Melchior hingegen fand in seinem Rollkoffer zum Erstaunen aller ein Manuskript voller maximal angestaubter und völlig aus der Zeit gefallener Pointen und übergriffiger „Gags“ – gespickt mit flachem Body-Shaming und sexistischen Alt-Herren-Witze, die nicht mal mehr Rainer Brüderle (FDP) im Dirndl nachts um 3 Uhr an einer Hotelbar irgendwie lustig fände. Und während das frische Elternpaar noch über den Ursprung des Manuskripts spekulierte – Josef war sich sicher, dass es sich um das neue Gemeinschafts-Programm der eigentlich längst gecancelten Comedians Dieter Nuhr und Mario Barth (oder müssen wir hier jetzt auch gendern und „Barthinnen“ sagen? Hahaha!) handeln muss, Maria tippte weiterhin fest auf den menschgewordenen Maschendrahtzaun Stefan Raab, der im vergangenen Jahr ein eher durchwachsenes Comeback hinlegte – durfte auch Balthasar endlich sein Geschenk übergeben: Ein Check24-Trikot der deutschen Nationalmannschaft mit den Originalunterschriften aller verstorbener Gastarbeiter von den WM-Baustellen in Katar (2022) und Saudi-Arabien (2034).
Josef und Maria warfen sich irritierte Blicke zu, trauten sich aber nicht, die drei Weisen nach den hoffentlich aufgehobenen Kassenzetteln zu fragen. Also taten die beiden das, was jeder nach den Weihnachtsfeiertagen mit unliebsamen Geschenken macht: ab auf Kleinanzeigen damit! Das Fremdscham-Manuskript natürlich „zu verschenken“, doch für die Nazareth-Schokolade und das Trikot dürfte es schon der ein oder andere Euro sein, schließlich konnte das Elternpaar von nun an jeden Cent gut gebrauchen – die Windeln, die Toniebox, das Bestechungsgeld für einen Kitaplatz in Berlin und die fällige Kirchensteuer bezahlen sich schließlich nicht von allein. Und sich nur auf den Taschen des Heiligen Geists und der Leistungsträger der Gesellschaft auszuruhen, war selbstredend keine Option für das streng gläubige Paar.
In diesem Sinne: Falls ihr noch auf der Suche nach dem ein oder anderen Weihnachtsgeschenk seid und seht, dass jemand die oben genannten Dinge anbietet, dann seid in diesem Jahr bitte etwas großzügiger. Denn Weihnachten, das seid ihr!
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