Unsere Gesellschaft wird immer älter, der Begriff „demographischer Wandel“ fehlt schon länger in keiner Talkrunde mehr. Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 Jahre, jede fünfte Person älter als 66 Jahre. Und trotzdem: Wer für sich selbst oder für Angehörige einen passenden Pflegeplatz sucht, wird wahrscheinlich schnell auf dem harten Boden der Tatsachen landen. Gerade in der sehr speziellen und anspruchsvollen Pflege von Demenzkranken sind entsprechende Wartelisten häufig extrem lang. Zu lang.
Twitteruserin @_never_gr0w_up berichtet in ihrem Thread nun von einem absoluten Musterbeispiel. Von einer Demenz-WG, in der die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner so weit wie eben möglich selbstbestimmt ihren gemeinsamen Alltag bewältigen sollen und dürfen. Ganz tolle Arbeit, ganz tolles Paradebeispiel, wie es auch gehen kann! Zu einem Thema, das uns alle in Zukunft irgendwann auch einmal betreffen kann.
Um euch mal ein wenig Einblick in unsere Demenz-WG zu geben:
Wir haben regulär 11 Bewohner, die bei uns leben. Jeder hat sein eigenes Zimmer, mit Bad und einem Balkon. Es gibt einen großen Gemeinschaftsraum mit Sofaecke, einem großen Tisch, an dem alle zusammen die Mahlzeiten
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
zu sich nehmen, eine offene Küche und einem großen Balkon.
In jeder Tagesschicht sind immer mindestens 2 Personen. Manchmal auch 3 oder 4. Jeden Dienstag kommt eine Köchin, die kocht, einkauft und backt. An den anderen Tagen übernehmen wir das. Es gibt nichts aus der Tüte und
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
den Wochenplan erstellen wir jeden Sonntag zusammen mit den Bewohnern. Sie können Wünsche äußern und diese werden auch berücksichtigt. Jeden Morgen holen wir vom Bäcker nebenan frische Brötchen und die Wurst und das Fleisch kaufen wir meistens beim Fleischer. Die Bewohner
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
helfen beim Zubereiten der Mahlzeiten immer mit. Sie spülen auch ab, etc. – eben wie Zuhause.
Unser Verhältnis ist sehr familiär. Sowohl zu den Bewohnern, als auch im Team.
Im Sommer gehen wir jeden Tag mit den Bewohnern, die das möchten, raus in den Park, Eis essen etc.— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Außerdem machen wir Ausflüge. Wir mieten einmal im Jahr ein Schiffchen, auf dem wird Kaffee getrunken, gelacht und getanzt. Gefällt allen immer sehr gut. Zur Alpakafarm fahren wir auch jährlich. Wir gehen aber auch vor Ort auf Feste, wenn gewünscht.
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Ist ein Bewohner unruhig, wird er nicht mit Medikamenten ruhig gestellt, sondern „ausgepowert“. Wir gehen dann spazieren, machen Sport etc. Auch wenn wir natürlich für jeden Bedarf zur Verfügung haben, nutzen wir den so gut wie nie. Wenn jemand zum Arzt oder einer
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Untersuchung muss, begleiten wir ihn. So fühlt er sich sicherer und wir wissen auch direkt was gemacht wurde.
Bei uns lebt von Mo-Fr tagsüber ein kleiner Hund, über den sich alle immer freuen. Auch eine Kindergartengruppe besucht uns regelmäßig.— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Wenn Angehörige bei uns schlafen wollen, haben wir dazu Möglichkeiten, die immer gerne in Anspruch genommen werden, wenn jemand zB. im Sterben liegt. In den Fällen arbeiten wir zusätzlich mit ambulanten Palliativ- und Hospizdiensten zusammen. Manchmal haben die einfach gute
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Tipps und durch die etwas rationalere Bindung auch mal mehr Zugang zu den Sterbenden.
Unsere Bewohner werden nur unterstützt. So dauert eine Hilfestellung und Anleitung beim Waschen und anziehen auch schon mal 20-30 Minuten. Aber das ist ok. So ist es gewollt. Selbstständigkeit— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
erhalten, so lange es möglich ist.
Zu den Angehörigen pflegen wir ein eher freundschaftliches Verhältnis. Alle 3 Monate findet ein Kaffeetrinken mit Bewohnern und Angehörigen statt.…so habt ihr mal einen groben Eindruck von dem, was ich so in der WG tue 😉
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 29, 2019
Ganz wunderbar! <3
Das klingt alles super schön. Schade das es sowas bei uns nicht gibt. Wäre damals für meine Oma perfekt gewesen. Wir konnten sie nicht selbst betreuen und im Heim durfte sie fast nix mehr selbst machen. Dadurch hat sie noch schneller abgebaut.
— Eula (@Raeucherstaebin) December 30, 2019
Das ist ja traumhaft! Und ein ganz dickes Dankeschön an dich und deine KollegInnen! ♥️
— Katharina die Große (@kathidiegrosse) December 30, 2019
Nicht nur das, unsere Bewohner sind auch alle viel seltener krank, sie sind ausgeglichener und fröhlicher. Und dieses unter sich sein bringt außerdem auch nur Vorteile. Da ist keiner der sie komisch anguckt, wenn sie morgens Marmelade auf ihren Socken schmieren. 🙂
— ᴹᴱᴿᴵᴰᴬ (@_never_gr0w_up) December 30, 2019