Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es sein kann, dass in den medizinischen Berufen Menschen unterwegs sind, die Verschwörungsmythen glauben und verbreiten? Medizin ist schließlich eine Wissenschaft, nämlich die Handlungswissenschaft der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen bei Menschen. Als solche folgt sie grundlegenden Werten, die für alle Bereiche gleichermaßen gelten: Eindeutigkeit, Transparenz, Objektivität, Verlässlichkeit, Offenheit, Redlichkeit, Aktualität und was am allerwichtigsten ist, Überprüfbarkeit. Medizin basiert auf empirischer Forschung, welche ärztliche Erfahrungen, Patientenpräferenz und den aktuellen Stand der klinischen Forschung vereint. Theoretisch ist bei gut ausgebildeten Pflegekräften und Mediziner*innen also gar kein Nährboden für Schwurbeleien vorhanden. Dennoch gibt es sie. Der Twitteruser @hospital_reporter schildert in dem nun folgenden Thread seine Beobachtungen und kommt zu einer sehr einleuchtenden Schlussfolgerung. Aber lest am besten selbst.
Ich bin ja bekannt dafür, ab und an mal das Rasiermesser anzusetzen.
Da ich grad Laune habe, wetze ich jetzt mal die Klinge.Wisst ihr, was mir in den letzten 2 Jahren bei meinen KollegInnen auffiel? Der Hang zu Verschwörungsmythen steht oft im Kontext mit der fachl. Eignung.
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Versteht mich nicht falsch, aber jene KollegInnen, denen ich nicht weiter traute als ich sie werfen konnte, fingen an und begannen teils übelsten Scheiß zu erzählen. Über Impfungen.
Über Covid.
Über Masken.
Über Covid-Therapie.
Ivermectin, ihr erinnert euch?— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Mich machte das ja schier wahnsinnig, weil somit nicht nur die Wissenschaft an sich, sondern auch evidenzbasiertes Handeln in Frage gestellt wurde.
Wir arbeiten aber an einem fucking Universitätsklinikum. Wo sonst, wenn nicht hier, setzt man auf glasklare Evidenz?
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Evidenz in der med. Versorgung.
Evidenz bei der pfleg. Versorgung.Ha, erwischt. Letzteres eben nicht durchgängig und oft auch gar nicht.
Und warum?„Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“, sagte einmal Thomas de Maizière.
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
So, mein Messer ist nun scharf. Ich setze mal an:
Weil man in den letzten Jahrzehnten begonnen hat die Zugangsvoraussetzungen für die Profession Pflege peu a peu auf Deppenniveau zu senken.
Quantität statt Qualität.
Marge statt bedarfsgerecht.
Gewinn statt Würde.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Weil man heute auch dem letzten Idiot den Zugang zum Pflegeberuf ermöglicht, nur damit jemand da ist, der irgendwie aufpasst und Ärsche wischt, Essen in die Leute stopft, Tabletten (bestenfalls korrekt) verteilt und irgendwas auf „was suppendes“ klebt.
Was soll die Scheiße?
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Ich kann mit Renate*, 53, Querdenkerin, auf einer Intensivstation nichts anfangen. Weil sie schert sich einen Dreck um Evidenz und kommt mit so geilen Moves wie „Früher haben wir das auch so gemacht. Jahre lang. Und jetzt soll es falsch sein?“.
* hier beliebigen Name einsetzen
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Ja, Renate. Früher hat man auch die Scheiße im Eimer aus dem Fenster gekippt. Jahre lang. Yersinia pestis gefiel das.
Und so arbeitet Renate dann auch. Wie im Mittelalter. Mich wundert es geradezu, dass noch kein Aderlass erfolgte. Keinerlei Verständnis für Zusammenhänge.
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
In Übergaben kann man teilweise nicht mal Fachterminologie nutzen, weil man jedes Wort erklären muss. Epis…was?
Epistaxis.
Haha, noch nie gehört.
Is klar. 😒Mich macht das so irre.
Und mich wundert dann gar nicht, dass Renate lieber auf Telegram Fortbildungspunkte sammelt.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Wer seinen eigenen Beruf schon innerlich boykottiert und sich weigert auch nur im Ansatz Fortbildungen und Qualifikationen wahrzunehmen, der taugt halt nicht für evidenzbasierte und bedarfsgerechte Pflege. Der pflegt wie ein Amateur und denkt, dass sei voll gut.
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Und der meint auch, dass akademisierte Nurses völliger Unsinn sind. Sind diese auf Station, muss Renate erstmal nen fetten Haufen in den Stützpunkt kacken, damit die „Neuen“ gleich wissen wie es hier riecht und was der Maßstab ist.
Nur keine Kritik.
Nur nix Neues.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Es gibt GANZ EINDEUTIGE Studien, die nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen Qualifikation der Nurses bzw. der Pflegeassistenz und der Mortalität bzw. Komplikationen bei PatientInnen besteht.
Kann man ignorieren.
Wird dann halt scheiße.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Also wundern wir uns mal nicht weiter darüber, wenn in den nächsten Jahren die Pflegequalität in diesem Land weiter sinkt und Menschen deshalb weiter sterben oder schwer Schaden nehmen.
Denn ich bin sicher:
Jeder kennt diese Renates.#DeutschlandWerPflegtDich— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Das sagen andere User:
Klingt eigentlich einleuchtend, aber was tun wir jetzt dagegen? Wo kann man ansetzen, um diese Entwicklung rückgängig zu machen? Fragen, die sich der Gesundheitsminister stellen muss, wenn er damit aufräumen möchte. Was die Leserinnen und Leser des Threads zu sagen hatten, haben wir hier für euch zusammengetragen.
Ich gebe dir Recht, gleiche Beobachtung aus Sicht einer Patientin und Angehörigen.
Der Schwurbelfaktor ist aber auch in meinem Job größtenteils über dieses Kriterium verteilt (mit einer Ausnahme).
— Alice out of Place 🏳️🌈💚🇺🇦🕊 (@AliceOutOfPlace) March 29, 2022
Ob ich weiter mache, weiß ich noch nicht. Momentan bin ich erstmal ausgestiegen.
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) March 29, 2022
Deswegen habe ich die Pflege verlassen. Podologie. Eigene Praxis. Keine Dienste am Wochenende. Mehr Wertschätzung.
— Ataxerxes (@PodoPriegel) March 30, 2022
Absolut korrekt zusammengefasst. Gilt 1:1 auch so für andere medizinische Berufe.
— Ark’Shell (@ArkShell) March 29, 2022
Wie in vielen Berufen: hohe Qualifikation, Engagement, gute körperliche Fitness, viele (Bereitschafts-)Stunden, reichlich Verantwortung vs. mäßiges Gehalt (Gewinnmaximierung) und kaum Möglichkeiten zum Stundenabbau. Das machen gute Leute nicht ewig mit. Folge: hoher Deppenanteil.
— Chris Laut (@Chris_Laut) March 30, 2022
Ich sehe als Kernproblem, dass es völlig egal ist. Man weiß wer im Team gut ist und freut sich wenn die Person im Dienst ist. Aber außerhalb der Station interessiert sich niemand für die Qualität. Die AG nehmen QM immer noch als Formalie zum Dokumentieren wahr.
— Thore (@Abkueko) March 29, 2022
Same here. Man verheimlicht hier teilweise lieber, geimpft zu sein, denn sonst wird man an den Pranger gestellt…
— Schwesterherz (@marie_kaatz) March 29, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu haben wir noch das: