Thread: Warum Frauen die Täter nicht angezeigt haben

Triggerwarnung: Dieser Beitrag thematisiert sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung.

Das Thema „Rammstein“ mag langsam wieder aus der medialen Berichterstattung verschwinden. Doch es bleibt – wie so oft bei diesen Fällen – ein negativer Nachgeschmack, was den öffentlichen Fokus angeht. Denn statt darüber zu diskutieren, wie es sein kann, dass Männer sich (so die Vorwürfe gegen Till Lindemann) über Jahre hinweg systematisch und ungestraft an Frauen vergehen, steht oft das Verhalten der Opfer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Täter-Opfer-Umkehr ist das Stichwort, um das es hier geht. Und auch wenn einige nun mit den Augen rollen werden, sollten wir uns bewusst machen, dass bei diesem Thema immer ein Stück weit gelebter Frauenhass zelebriert wird. In keinem anderen Kriminalitätsbereich werden routiniert derartig übergriffige Fragen gestellt, die sich Opfer sexueller Übergriffe grundsätzlich gefallen lassen müssen.

Wirft man den Opfern von Taschenbetrug vor, sie hätten mit ihrem Geldbeutel in der Hand die Diebe willentlich angelockt? Oder fragt man Großgrundbesitzende, ob so eine Protzvilla nicht eine implizite Einladung ausspreche? Komischerweise nicht. Bei sexuellen Übergriffen hingegen schwingt grundsätzlich ein Vorwurf an das Opfer mit. Kein Wunder, dass Belästigungen und Vergewaltigungen zu den Straftaten mit der größten Dunkelziffer gehören. Wie es laufen kann, wenn man zur Polizei geht, das zeigt auch der Thread von Twitteruserin @Eisflittchen_x.

Männer die 2023 immer noch nicht verstanden haben, warum Frauen die Täter nicht angezeigt haben.

Wollt ihr mal wissen, wie man behandelt wird, wenn man als Frau zur Polizei geht und einen Übergriff anzeigt?

Dazu kann ich euch was erzählen:

— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

(Auch hier gilt natürlich, dass es nicht IMMER so abläuft, aber von persönlichen Erfahrungen & aus meinem Umfeld, ist ernst genommen werden von der Polizei eine Ausnahme)

Man geht also zur Polizei & spricht mit den Beamten über den Vorfall.
Sobald die Worte Übergriff

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

Vergewaltigung o.ä. fallen, wandern die Augen der Beamten grundsätzlich erstmal begutachtend über dich. Als würde es eine scheiss Rolle spielen wie man aussieht oder gekleidet ist. Man fühlt sich sofort bewertet.

Die erste Frage die folgt ist: „waren sie alkoholisiert?“

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

Auch das tut absolut nichts zur Sache, auch wenn ich bewusstlos an der Straße gelegen hätte, hätte das niemandem das Recht gegeben sich an mir zu vergehen.

Dann folgt die Schilderung des Vorfalls. Da wird’s besonders spannend, denn:

War es denn in den Augen der Polizisten

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

überhaupt „schlimm genug“ ?

Weil so ein Arsch/Busengrabscher hier oder anrüchige Bemerkungen da, die einem ins Ohr geflüstert werden sind ja nicht schlimm. Da ist ja nix passiert. Das könne man doch als Kompliment sehen.

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

Als ich K.o Tropfen verabreicht bekommen hab, war ich erst im Krankenhaus, wo Tests gemacht wurden & ich untersucht wurde.

Danach bin ich zur Polizei. Was dann folgte ist schon ziemlich Lächerlich.

Die Beamten haben sämtliche Übungen mit mir gemacht, die sonst so mit

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

Betrunkenen gemacht werden. Finger mehrmals hintereinander auf die Nase tippen, auf einer geraden Linie laufen, etc.
Schön war auch die Frage was denn passiert sei oder was ich alles getrunken hatte.

Ich hatte K.o Tropfen im Glas, ich kann mich nicht erinnern.

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

„Ja, also ist schon schwierig, da was zu machen, wenn sie gar keine richtige Aussage machen können. Aber in der Disco wo sie waren, da haben die Kollegen heute Nacht schon die Info bekommen, dass da jemand K.o. Tropfen dabei hatte“

Aha. Cool, cool. Man wusste also

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

bereits, dass da wo ich war K.o. Tropfen im Umlauf waren, aber wirklich was tun konnte man trotzdem nicht. Man hätte mir zb den Täter zeigen können, meine Freundinnen hätten ihn ggf. wiedererkannt, wenn ich mich mit ihm unterhalten hätte.

Naja, man nahm also das Geschehene

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

auf. Irgendwann kam Post, dass das Verfahren eingestellt wird, weil man nicht nachweisen könnte, wer es war.

Als ich 17 war hat ein Taxi Fahrer versucht mich zu vergewaltigen.

Er hat mich überall angefasst, hatte seine Finger in mir, seine Zunge in meinem Mund. Man ist so

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

in Schockstarre, dass man mucksmäuschenstill da sitzt & es einfach passieren lässt.
In irgendeinem Moment hat bei mir der Verstand wieder eingesetzt & ich hab es geschafft wegzulaufen.

Zu meinem Glück, waren es nur noch ein paar 100m bis nach Hause & ich hab während ich

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

gerannt bin meinen Vater angerufen, der am Telefon blieb um mir sofort die Tür unten öffnen zu können, sobald ich vorm Haus stand.

Diesen Vorfall habe ich nie angezeigt. Mein Vater hat mich ernst genommen, er hat nichts verharmlost, er hat auch beim Taxi Unternehmen

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

angerufen um das zu melden.
Ich konnte das damals nicht anzeigen, wenn ich anderen (männlichen) Leuten davon erzählt hab, kamen Sprüche wie „kein Wunder, du siehst halt gut aus“ oder „naja, du konntest ja noch weglaufen“, dass er zu dem Zeitpunkt schon alles mögliche an

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

sexuellen Handlungen an mir ausgeübt hatte tat nichts zur Sache.

(Nicht alle haben so reagiert! Es waren einzelne, aber diese Stimmen hatten für mich als 17 Jährige genug Gewicht, um mir Mitschuld daran zu geben.)

Wenn man es schafft, einen Vorfall zur Anzeige zu bringen,

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

muss man dadurch zwangsläufig die Situation & das Trauma nochmal durchleben. Wenn man dann nicht ernst genommen wird, dann macht das unfassbar viel mit einem.
Man wird still. Es wird einem ja eh nicht geglaubt, oder man hat sich zu sehr angestellt.

Und jetzt fragt nochmal

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

warum so viele Übergriffe und Vergewaltigungen nicht zur Anzeige gebracht werden.

Weil diese Welt von Männern beherrscht wird. Weil die Stimme von Frauen immer noch viel zu wenig Gewicht hat. Weil die Opfer zu Mittätern gemacht werden.

DESWEGEN.

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— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

So kommentieren andere Userinnen und User:

So schrecklich dieser Thread zu lesen ist, so unerträglich ist die Einsicht, dass es sich bei diesen Erlebnissen keineswegs um Einzelfälle handelt. Wir berichten immer wieder über diese Thematik, um Menschen für den realen Umgang mit den Opfern von Übergriffen zu sensibilisieren. Genau so wichtig sind aber auch die vielen Erfahrungsberichte, die ein Bild davon vermitteln. Aus diesem Grund haben wir ein paar wichtige Kommentare für euch festgehalten.

Theoretisch ist für Frauen alles eine Gefahrenzone & das ist halt maximal falsch.

— Devi Ambivalenzia (@Eisflittchen_x) June 10, 2023

Und wie mit Opfern umgegangen wird, wirkt sich aus.

— JuliaUndSo (@JuliaUndSo_) June 10, 2023

So viel von Freundinnen mit bekommen es ist einfach unfassbar. Ne Freundin wurde im besoffen den Zustand von einem „Freund“ vergewaltigt. Aussage der Polizei:“ sie waren ja auch besoffen und schauen sie Mal wie sie Rum laufen… Kein Wunder…Anzeige gab es nicht. Ich hasse alles

— Michelle (@chelliheart) June 11, 2023

Mehr zu diesem wichtigen Thema könnt ihr im folgenden Thread lesen.

Thread: Ich habe Nein gesagt