Thread: Warum ein deutscher Weltraumbahnhof keine so gute Idee ist
Ein Weltraumbahnhof in Deutschland soll es also sein. Die Wirtschaft, oder genauer der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (kurz BDI), möchte, dass es in Zukunft möglich ist, aus Deutschland Raketen ins All zu schicken. Die Bundesregierung, in Form von Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU), will diesen Vorschlag nun prüfen.
Der folgende Thread von Twitteruser und Wissenschaftsjournalist @emtiu erklärt recht einleuchtend, warum es durchaus bessere Ideen als eine Weltraumbahnhof in Deutschland gibt.
Das ist ein so dämlicher Vorschlag, dass ich erst mal ungläubig gegooglet habe, von wem das kommt, als ich eben danach gefragt wurde. Der BDI und Minister Altmaier – dann ist ja alles klar.
Wollen wir es kurz aufdröseln? Okay, wir dröseln es kurz auf. [1/n] https://t.co/pLflZrEDNX
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Wenn ein Raumschiff oder ein Satelliten die Erde umkreisen soll, muss ≳100 km nach oben – klar. Aber er muss vor allem eine sehr große seitliche Geschwindigkeit erreichen – nämlich fast 8 Kilometer pro Sekunde(!), sonst fällt er gleich wieder runter. (Illustration: xkcd)
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Deshalb werden Raketen bevorzugt von Äquatornähe aus gestartet, oder so nah am Äquator, wie es die entsprechenden Länder eben hinbekommen (Florida, Kasachstan, Guinea). Am Äquator nimmt man nämlich die Erdortation von fast einem halben Kilometer pro Sekunde „kostenlos“ mit.
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Von einem anderen Ort ins All zu starten ist unnötig teuer, weil man dann mehr Treibstoff mitnehmen muss. Das macht die Rakete schwerer, und dafür deshalb braucht man noch mehr Treibstoff. Man nennt dieses Dilemma „die Tyrannei der Raketengleichung“.
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Das heißt: Deutschland ist als Startplatz für die meisten Satelliten-Umlaufbahnen oder Raumflüge zur ISS rein geographisch vollkommen ungeeignet. *Allerdings* gibt es durchaus nördlich gelegene Weltraumbahnhöfe, etwa den schwedischen „Esrange“ oder den russischen Wostotschny.
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Von dort kommt man nämlich besonders gut in „polare Orbits,“ mit denen die Erde nicht „von links nach rechts“, sondern „von oben nach unten“ umkreist wird. Die eignen sich besonders zur Erdbeobachtung, weil sie die Erde „unter ihnen hindurchdreht“. (Bild: NASA)
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Aber auch dafür – Überraschung! – ist Deutschland komplett ungeeignet, denn es liegt – Überraschung! – mitten in Europa, mit seiner hohen Bevölkerungsdichte. Fast alle Raketen müssen aber – Tyrannei der Raketengleichung – ausgebrannte Stufen (leere Tanks+Triebwerk) abwerfen.
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Was passiert, wenn einem das egal ist, sieht man in China. Abgesehen von dem Risiko, dass die Teile getroffen werden, sind sie außerdem mitunter heiß (Feuergefahr) und enthalten noch hochgiftigen Raketentreibstoff. Sowas gehört *auf keinen Fall* mitten nach Europa.
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
Und das, liebe Leserinnen und Leser, ist der Grund, warum dies der vermutlich dümmste Vorschlag ist, den man im Zusammenhang von Deutschland und Raumfahrt machen kann. [Thread-Ende.] https://t.co/fTCbUCxCnF
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
[Zusatz:] Der BDI spricht in seiner „Berliner Weltraumerklärung“ ausdrücklich von einem „Micro Space-Port“, also einem Startplatz für sehr kleine Raketen/Satelliten. Sowas könnte gehen, *ABER*: SpaceX startet inzwischen dutzende Kleinsatelliten auf einmal – viel, viel billiger!
— Michael Büker (@emtiu) October 21, 2019
[Zusatz 2:] Häufiger Kommentar: Mit Mikrosatelliten auf einstufigen Raketen hätte man kein Treibstoffproblem und keinen Schrott-Abwurf. Das stimmt – doch Fehlfunktionen sind immer möglich, weshalb die Flugbahn frei sein muss. So eine freie Flugbahn gibt es aus Dtl. aber nirgends.
— Michael Büker (@emtiu) October 22, 2019
[Zusatz 2a:] Diese Einschätzung teil auch Ex-Astronaut Ulrich Walter, heute Raumfahrt-Prof./TU München: „Für nicht ungefährliche Raketenstarts ist Deutschland einfach zu dicht besiedelt.“ Einzige Option: Weltraumflugzeuge, die fast nur für Tourismus taugen https://t.co/SvKePEd3DM
— Michael Büker (@emtiu) October 22, 2019