Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung leben die meisten Alleinerziehenden und ihre Kinder in finanziell schwierigen Verhältnissen. Jede zweite Familie mit nur einem Elternteil ist in Deutschland einkommensarm, jede dritte mit nur einem Erziehungsberechtigten bezieht Hartz IV. Konkret bezogen im Jahr 2020 etwa 34 Prozent der 1-Elternteil-Familien Grundsicherung nach SGB II. Fast 90 Prozent der Alleinerziehenden sind dabei Frauen. Dass das Armutsrisiko für diese Familien so hoch ist, liegt jedoch weder an Corona noch an der Inflation. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Schuld ist hier schlicht und ergreifend das menschenunwürdige Hartz-IV-System mit seinen realitätsfernen Kostensätzen, den bürokratischen Hürden und den immensen Druck, den es auf seine Leistungsempfänger ausübt. Wer einmal Leistungen nach SGB II bezogen hat, vergisst dies nicht so schnell. Man kann nur hoffen, dass die geplante Reform der Ampel-Koalition hier nicht nur den Namen ändert und solche Erlebnisse, wie die im nun folgenden Thread von @mitPunkimHerzen, bald seltener werden.

Vor etwa einem Jahr war ich mit meinem Sohn bei Aldi.
Er sah dort eine Metalldose, die gefüllt war, mit verschiedenen Oreo-Keksen.
Ich legte sie zu den anderen Sachen in den Einkaufswagen.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Als ich an der Kasse mit meiner EC Karte zahlen wollte, sagte die Kassiererin, dass der Vorgang nicht möglich ist. Bargeld hatte ich nicht. Ich hatte NICHTS.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Ich schämte mich. Vor meinem Sohn. Er war verwirrt, als wir aus dem Laden flüchteten. Ohne die Metalldose. Er verstand aber was passiert ist, als ich’s ihm im Auto erklärte.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Ich war arbeitslos, alleinerziehend und offiziell pleite. Mitten in einer Pandemie.
Mein Ex und ein guter Freund liehen mir Geld, damit ich den Monat über die Runden kam.
Die Nächte lag ich schlaflos im Bett. Die ganze Situation machte mich krank.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Ich drehte jeden Cent um und lernte, mit wenig auszukommen. Dieser Vorfall hatte mich sehr geprägt. Aber irgendwie schaffte ich es.

Ein halbes Jahr später bekam ich den besten Job der Welt.

Finanziell geht’s mir heute gut. Die Altlasten sind in ein paar Monaten abbezahlt.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Heute war ich bei Aldi.
Ich hab eine Metalldose, gefüllt mit Oreo Keksen gekauft.
Diese Metalldose steht symbolisch für eine Scheiss Zeit, die wir hoffentlich hinter uns gelassen haben.

— Ruhrpottlady (@mitPunkimHerzen) October 29, 2021

Das sagen andere User:

Dieses Gefühl an der Kasse, wenn man Sorge hat ob die Karte durchgeht…😔

— Little Queen of Chaos (@crevette20011) October 29, 2021

Das Gefühl kenne ich. Gottseidank waren diese Momente selten in meinem Leben. Umso dankbarer bin ich jeden Tag für das, was ich jetzt alles habe – nichts davon ist selbstverständlich!

— ᴅᴏɴ ʙɪʀʀᴀɪᴏ 🍻 (@DonBirraio) October 29, 2021

Wir sind seit über 12 Jahren sogenannte Aufstocker. Was wir gelernt haben? Miete und Strom sind am wichtigsten. Fertiggerichte sind Luxus. Kochen kann auch Spaß machen. Viel kann man reparieren (Kleidung, Elektrik, etc.).Dass es euch wieder gut geht… Glückwunsch❣

— Bodo Stiastny (@StiastnyBodo) October 30, 2021

Ja, altbekannte Ängste. Ständig kontrolliere ich den Kontostand und wenn ich mal ohne kleinem Reserveschein aus dem Haus muss, habe ich Angstschweiss.

Hartz4 Krankheit. Sie ist unheilbar.

— Astrid / Infinyti / Gewitterhexe (@Infinytii) October 30, 2021

Als meine Kinder etwa 4 und 6 waren, war ich zwar nicht arbeitslos aber Alleinerziehende. Damals war noch Barzahlung üblich. Hab jeden Artikel, den wir in den Wagen legten, immer still im Kopf addiert um an der Kasse keinen peinlichen Augenblick zu erleben. Vergesse das auch nie!

— Kaffeeundgut (@J_nn_M) October 30, 2021

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wo wir gerade über den Druck auf Alleinerziehende sprechen:

Thread: Ich habe einen Burnout