Thread: Undercover bei rechten und rechtsextremen Burschenschaften
Noch immer hält sich in einigen Teilen unserer Gesellschaft hartnäckig das Gerücht, rechte und rechtsextreme Vereinigungen wären harmlose Randerscheinungen. Tatsächlich sind auf Bundesebene 22 rechtsextreme Organisationen verboten, auf Landesebene noch 76 weitere. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz umfasste das bislang bekannte rechtsextremistische Personenpotenzial Ende 2019 insgesamt 32.080 Personen (Zahlen gerundet, Mehrfachmitgliedschaften herausgerechnet). 2018 waren es noch 25.000 gewesen, die Zahlen für 2020 stehen noch aus. Eine akkurate Gesamtzahl lässt sich nicht nennen, da es sehr viele Strömungen gibt, die sich relativ unpolitisch geben oder aufgrund ihrer geringen Größe unbekannt sind. Die subkulturell geprägte Rechtsextremisten-Szene stellt zudem ein nicht homogenes Spektrum dar, das sich zwar über rechte Musik verbinden lässt, aber keiner Vereinigung angehört. Auch sogenannte Burschenschaften, also Studentenverbindungen, fliegen wegen ihrer geringen Relevanz und Größe oftmals unter dem Radar des Verfassungsschutzes. Leon Enrique hat sich bei mehreren solchen Studentenverbindungen beworben und berichtet in dem nun folgenden Thread, was er dabei erlebt hat.
Ich hab mich „undercover“ bei rechten und rechtsextremen Burschenschaften beworben. Die Burschen wussten nicht, dass ich schwarz bin. Ein Thread.#Germania
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Hintergrund: Einige Verbindungen fordern einen #Ariernachweis. Die Staatsbürgerschaft ist unerheblich. Entscheidend ist die “Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum”. Migranten und Schwarze können demnach nicht beitreten. Von offizieller Seite wird dieser Ariernachweis bestritten.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
1. Bund: Ich bin zum Grillabend geladen. Bis auf ein paar rechte Sticker bleibt der Abend unpolitisch. Ich bekomme eine Hausführung. Mir wird unter anderem das an Kolonialromantik unübertroffene „Afrika-Zimmer“ gezeigt, in dem koloniale Karten hängen
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Klar, die Karte vom Deutschen Reich und die Gedenktafel für im Krieg gestorbene Bundesbrüder irritiert („Sie starben für Deutschland“), aber der Abend ist okay. Ein paar Tage später trotzdem die Absage. Bei einem anderen Dachverband hätte ich bessere Chancen
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
2. Bund: Noch bevor ich richtig angekommen bin, wird mir direkt gesagt, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe und Herkunft nicht Mitglied werden kann. Das sei nichts persönliches. “Wir würden jetzt zum Beispiel auch keine Asiaten aufnehmen.”
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Das sei zwar keine direkte Vorgabe vom Dachverband, aber sie würden das nun mal strenger ausleben. Einige der Burschen und ich sind irritiert. Mir wird angeboten, eine andere Verbindung für mich zu suchen, aber ich passe. Nach zwanzig Minuten bin ich weg.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
3. Bund: Der rechtsextreme Ruf eilt dieser Verbindung schon landesweit voraus. Ein wenig Angst habe ich schon, als ich beim Stammtisch ankomme. Das Dekor ist dem Ruf entsprechend – eine Reichskriegsflagge, völkische Sprüche und Gedichte an der Wand. Oha.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Sofort wird mir gesagt „Du kannst selbstverständlich nicht Mitglied werden und das ist auch gut so.“ Begründet wird das wieder mit dem Deutschen Volkstum. Trotzdem beschließe ich zu bleiben, immerhin bin ich extra angereist. Wir trinken und unterhalten uns über Politik.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Woher mein „farbiger“ Einschlag komme, werde ich gefragt. Die Dom Rep sei ja „immerhin besser als Afrika“. „Die JA und die AfD sind die einzig wählbare Partei“, mit dem III. Weg wird auch geliebäugelt. Hier in der Stadt sei das mit dem „Kulturellem Marxismus“ nicht so schlimm.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Ein Bursch erzählt vom Bundeslager der Identitären Bewegung, an dem er teilgenommen. Auch Martin Sellner sei dort gewesen. Später hebt der Bursch, der sich für die AfD ausgesprochen hat, die rechte Hand zum Hitlergruß – nur scherzhaft, natürlich. Die Männer lachen.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
4. Bund: Die erste Verbindung, die eine klare Kante gegen rechts zeigt. “Innerhalb der DB sind die liberal-konservativen Bünde in der Unterzahl, oder gar nicht vorhanden. Die gemäßigten Burschenschaften sind vor einigen Jahren ausgetreten.”, erzählt mir ein Alter Herr
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Auch schwarze Männer dürfen diesem Bund beitreten, immerhin. Zu den anderen Bünden habe man u.a. deshalb keine allzu guten Beziehungen.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Von den Bünden wird das alles natürlich bestritten. Auch durch katholische Burschen, Turner und Corpsstudenten habe ich Rassismus erlebt, wenn auch weit aus weniger. Auf eine Stellungnahme der Dachverbände warte ich noch.
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021
Der Thread ist Teil meiner Reportage „Reise nach #Germania„, mehr Infos findet ihr auf Instagram. In der nächsten Woche wird es um die korporierte Trinkkultur gehen.https://t.co/s1ZInj9T3E
— Leon Enrique (@le0nenrique) February 13, 2021