Triggerwarnung: Dieser Beitrag thematisiert Essstörung und übergriffiges Verhalten gegenüber Kindern
Essstörungen wie Anorexie, Bulimie oder Binge-Eating gehören zu den häufigsten chronischen und psychischen Störungen bei Erwachsenen. Viele dieser Erkrankungen beginnen bereits im Jugend- oder Kindesalter. Laut eines RKI-Berichts von 2019 finden sich bei fast einem Fünftel der Kinder und Jugendlichen (19,8 Prozent) zwischen 11 und 17 Jahren Hinweise auf ein gestörtes Essverhalten. Mädchen sind dabei fast doppelt so häufig betroffen wie Jungen.
Wieso entwickeln so viele Kinder ein gestörtes Essverhalten? Liegt es an sozialen und analogen Medien und der dort vermittelten gefilterten Illusion von Perfektion? Gibt es genetische Ursachen? Hat die Ernährungsindustrie einen Einfluss? Ist es die Erziehung, Vernachlässigung oder allgemein unser gesellschaftlicher Anspruch an Kinder, die sie in eine Essstörung treibt? Wir können diese Fragen hier nicht beantworten, aber wir können Betroffenen zuhören, wie sie die Situation subjektiv einschätzen. So wie Twitteruserin @who_is_Annett.
Meine Mutter erzählt noch heute stolz, wie sie darauf geachtet hat, dass ich in meinem 1.(!) Lebensjahr nicht zu dick werde.
Und wie seid ihr so zu eurer Essstörung gekommen?
— Who is Annett? (@who_is_Annett) February 13, 2022
So reagierten User*innen:
Ein Baby, das nicht zu dick werden soll? Der Ursprungstweet von @who_is_Annett hat viele User*innen an eigene leidvolle Erfahrungen erinnert. Nicht immer waren es Eltern, die ein ungesundes Essverhalten vermittelt haben. In vielen Fällen sind es auch nicht Handlungsweisen, sondern verletzende Bemerkungen, die sie ein Leben lang begleiten. Wir haben die wichtigsten Kommentare gesammelt.
Warum sagt und tut man so etwas?
‚Ach, für Eva kaufen wir am besten Leggins und weites Tshirt. Das kaschiert.‘
— EvaCuate (@Sukkulendboss) February 13, 2022
Meine Mutter hatte ne Zeit lang eine ziemlich ähnliche Figur wie ich und hat dauernd davon geredet wie fett sie ist und dass sie aussieht wie ne Tonne etc 🤷♀️
— Nöner positiviert sich (hoffentlich) (@Noeneer) February 13, 2022
Der Teller muss leer sein
Warum isst du nicht noch ein bisschen? Schmeckt es dir nicht? Ich gebe mir solche Mühe, und du isst nicht. Wenn du nicht noch ein wenig isst, musst ich ganz viel weinen. Wenn du mich lieben würdest, würdest du auch noch etwas mehr essen.
Keine Ahnung, warum ich adipös bin…
— Suddha Bugger (@suddha_bugger) February 13, 2022
Für meinen Vater war es ein Verbrechen nicht sein Teller leerzuessen. Jahrgang 1933. Nachkriegsgeneration. Hungerjahre. Habe meine ganze Kindheit über gegen mein Sättigungsgefühl essen müssen.
— Desasterzentrale (@Desasterzentra1) February 13, 2022
Das kann nicht richtig sein
3 Stunden in der Küche sitzen müssen, bis man endlich aufgegessen hat…
— 🕸️🕷️Tonks🕷️🕸️💉💉💉 (@OneandonlyTonks) February 13, 2022
Musste Frühstücken obwohl ich keinen Hunger hatte. Teller leer essen obwohl kein Hunger. Süßigkeiten als Belohnung oder um emotional was auszugleichen. Vater immer dünn. Mutter immer auf Diät. Miese Kommentare meines Vaters gegenüber meiner Mutter, wenn sie das mal nicht war.
— Fadensommer (@fadensommer) February 13, 2022
Schießt oft ins Gegenteil
Meine Mutter hat Süßigkeiten verteufelt,aus Angst, dass ich zu dick werde. Konsequenz war: Heimlich überall alles gegessen, das ich finden konnte und das Papier versteckt. Im Müll, Sofaritzen, Regal im Kinderzimmer…wenn ich erwischt wurde, gab es Ärger und „Enttäuschung „.
— MrsJekyll and MotherHyde (@MrsJekyllMoHyde) February 13, 2022
Wahrscheinlich gut gemeint und doch ziemlich schädlich
Meine Mutter hatte eine Broschüre, auf der stand, wieviel, wie oft und wovon ein Baby bis Kleinkind im welchen Alter essen sollte. Sie hat sich aufs Gramm und die Sekunde genau dran gehalten um ja nichts falsch zu machen.
Bin aber „nur“ mäklig ohne Ende.— Lyxiria Wolf (@WoelfchenLy) February 13, 2022
Der Lieblings Satz meiner Oma :” ach komm, noch ein bisschen- sonst blutet der Oma das Herz”
Kein Kind will das Omas Herz blutet… so wurde ich erzogen alles aufzuessen 🙄
— justmeDoro (@justmeDoro) February 13, 2022
Nicht nur die Eltern hinterlassen Spuren
Meiner Tochter wurde vom Gesundheitsamt gesagt, sie müsse MINDESTENS 5kg abnehmen. Das war vor Monaten. Rate mal, welches 6jährige Mädchen jetzt ständig fragt, ob man davon dick wird!
Und glaub mir, wir reden sowas von dagegen an!— Huchmampf (@Huchmampf1) February 13, 2022
Mir wurde vor 40 Jahren in der 3. oder 4. Klasse vom Amtsarzt, der regelmäßig in die Schule kam, eine Kur dringend empfohlen.
Seit diesem Tag höre ich von meinem Vater nichts mehr anderes.
Außerdem begann meine erste (Brigitte)Diät.
Also aß ich heimlich…
Wenn ich heute Bilder— MissMarbel… (@Wilma27021) February 13, 2022
von damals sehe, dann könnte ich heulen.
Ich war völlig normal.
Heute habe ich 70 kg Übergewicht…
Ich bin 50, mein Papa 90 und zur Begrüßung heißt es heute noch:
Du musst abnehmen.— MissMarbel… (@Wilma27021) February 13, 2022
Für alle, die der Userin mit ihrem Tweet Shaming vorwerfen:
Nein, Mann! Es geht hier nicht um Mutter-Shaming!
Nur, wenn ich weiß, was in der letzten Generation falsch gelaufen ist, kann ich als Mutter es besser machen.
Ich hab hier mindestens 2 Frauen ungeahnt geholfen. Da ist’s mir Schnuppe, ob 1 sich auf den Schlips getreten fühlt.
— Who is Annett? (@who_is_Annett) February 13, 2022
Klingt gut
Ich adoptiere hier Mal alle die wollen stellvertretend für meine Mutter, die immer gesagt du bist so am schönsten wie du dich wohl fühlst
— Freddy (@FreddySweetmare) February 13, 2022
Dieser Beitrag ist kein Rezept und kein medizinischer Ratgeber. Wir verstehen uns nicht als Ernährungsexpert*innen oder Erziehungsfachkräfte. Was uns aber allen klar sein sollte: Unser Verhalten und unsere Kommunikation hinterlassen Spuren bei anderen Menschen, insbesondere in Kindern. Das sollte niemand von uns vergessen!
Falls ihr Rat rund um das Thema Essstörung braucht, eine erste Anlaufstelle ist das Info-Telefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: 0221/892 031
Für alle, die an dem Themenkomplex „emotionale Gesundheit“ interessiert sind, haben wir hier noch einen wichtigen Beitrag verlinkt: