Thread: Tut mir leid, aber ihr Medikament ist aktuell nicht lieferbar
Nicht immer bekommt man in der Apotheke das gewünschte Medikament. Lieferengpässe oder Lieferschwierigkeiten machen Kunden, Patienten und der Apothekerin oder dem Apotheker einen Strich durchs Rezept. In ihrem Thread erklärt @Frolleinvommeer, warum das so ist.
„Tut mir leid, Ihr Blutdruckmedikament ist zur Zeit nicht lieferbar. Ich kann Ihnen auch leider kein anderes Generikum anbieten. Einzige Alternative ist das Original, bei dem Sie knapp 50€ Mehrkosten zahlen müssten.“
„Unverschämtheit!“
*wütend ab*– ein „kleiner“ THREAD –
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Zur Zeit sind viele Medikamente nicht lieferbar.
Das liegt nicht an den Apotheken und deren Lagerhaltung, sondern an den Herstellern, die nicht (ausreichend) Ware liefern.Was heißt „viele“?
Bei uns (relativ kleine Apotheke) sind 135 verschiedene Lagerartikel nicht lieferbar.— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Medikamente, die also häufig bei uns benötigt werden und sonst immer vorrätig sind. Die tatsächliche Zahl liegt entsprechend noch viel höher.
Oft sind es vereinzelte Hersteller, die nicht liefern können. Zum Teil sind aber sämtliche Anbieter eines Wirkstoffs betroffen.— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Warum gibt es die Lieferengpässe?
Das kann verschiedene Gründe haben. Grundsätzlich werden nur selten die tatsächlichen Gründe bekannt. Folgende Möglichkeiten sind momentan am häufigsten:1. Produktionsausfälle wegen SecurPharm.
Alle Packungen, die seit Februar produziert— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
werden, müssen einen 2D-Code und eine Versiegelung als Sicherheitsmerkmale aufweisen. Für die neuen Packungen müssen die Maschinen in der Produktion entsprechend angepasst werden. Stehen die Maschinen still, entsteht ein „Lieferloch“.
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
2. Produktionsausfälle durch „Rohstoffmangel“.
Oftmals wird ein Wirkstoff nur noch von wenigen Produzenten weltweit hergestellt. Beispiel: für Ibuprofen gibt es 6 Fabriken ( je 2 in Indien, China und USA). Fällt einer aus, können die anderen das kaum kompensieren.— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
3. Rabattverträge der Krankenkassen.
Kontrovers diskutiert. Fakt ist: haben ein oder zwei Firmen Verträge mit den großen Kassen und können diese plötzlich nicht liefern, können das die anderen Anbieter dies oft nicht so schnell auffangen, da sie ihre Produktion entsprechend— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
angepasst haben und nicht so schnell den massiv steigenden Bedarf decken können. Kann ein großer Anbieter nicht liefern, folgen also kurz darauf oft auch die kleineren.
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
4. Resultierend aus den vorherigen:
Ist für einen Wirkstoff bzw. ein Medikament die Nachfrage größer als das verfügbare Angebot, überlegen sich die Anbieter logischerweise, welchen Markt sie bedienen. Da die Krankenkassen in Deutschland die Preise immer mehr drücken— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
(Festbeträge), wird verfügbare Ware (vermutlich) lieber lukrativeren Märkten zur Verfügung gestellt.
Hersteller, Krankenkassen, Großhändler, Politik etc. schieben sich da gern gegenseitig die Schuld zu…
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Besonders dramatisch ist es derzeit bei den Wirkstoffen Candesartan (Blutdruck) und Venlafaxin (Antidepressivum).
Kein Generikum ist lieferbar. Auch keine kleinen Packungsgrößen. Nichts.
Nur die Originalhersteller haben noch Ware. Warum? Weil die Nachfrage in Deutschland— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
sehr gering ist – aufgrund von sehr hohen Mehrkosten für gesetzlich Versicherte. Die Kassen zahlen maximal einen vereinbarten Festbetrag für ein Medikament. Das Original ist meist sehr viel teurer. Auch wenn nichts anderes lieferbar ist, übernimmt die Kasse nicht unbedingt diese
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Kosten. Einige Kassen zeigen sich kulant. Die Mehrkosten werden unter Umständen zurückerstattet. Aber erstmal muss der Kunde die Mehrkosten zahlen und kann diese dann bei der Kasse einreichen. Meist aber nur einmalig. Blöd, wenn der Engpass länger dauert…
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Bei Candesartan in der gängigen Dosierung mit 16mg werden dann für 100 Tabletten knapp 50€ fällig (Original Atacand, Reimporte etwas günstiger, falls verfügbar). Bei Venlafaxin in der höheren Dosierung mit 150mg sind es bei 100 Stück sogar über 200€ Mehrkosten.
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Und jetzt?
Tja, die Lieferengpässe werden sich wohl kaum in absehbarer Zeit bessern. Liefertermine gibt es selten. Und selbst wenn, werden diese häufig immer wieder verschoben.
Offiziell gibt es übrigens gar nicht so viele Engpässe. So lange ein Hersteller in unregelmäßigen— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Abständen eine Hand voll Packungen an vereinzelte Großhändler irgendwo in Deutschland ausliefert, gilt das Medikament als lieferbar. Irgendwo schwirrt ja noch ne Packung rum. Manchmal hält so ein Engpass tatsächlich nur kurz an (kurzfristiger Produktionsausfall).
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Aber das ist oft nicht vorhersehbar.
Also: Medikamente, die regelmäßig benötigt werden, sollten rechtzeitig beschafft werden. Ein kleiner Vorrat schadet grad nicht. Die letzte Tablette am Freitagnachmittag ist zur Zeit der Alptraum in jeder Apotheke. Oft sind Rücksprachen mit
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
dem Arzt nötig. Kann die Dosierung angepasst werden? Oder muss eventuell sogar auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden? Sogenannte Aut-idem-Kreuze auf dem Rezept schaffen in solchen Fällen eher noch mehr Probleme.
— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019
Wir versuchen gerne, dass Unmögliche möglich zu machen
Leider brauchen wir dafür eventuell ein bisschen Zeit.
Wunder brauchen eben machmal ein bisschen länger.
Nur zaubern können wir leider nicht.
Bitte haben Sie dafür Verständnis.
Vielen Dank!— Frollein vom Meer (@Frolleinvommeer) October 29, 2019