Das Konzept der Verkehrswende ist im Autoland Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten, ein heißes Eisen. Im Gegensatz zu Großstädten wie Berlin oder Hamburg, wo Autofahren immer teurer, nervenaufreibender und unattraktiver wird, überwiegen für die meisten Menschen auf dem Land die Vorteile des Individualverkehrs. Und dennoch ist der ÖPNV abseits der großen Städte lange nicht so schlecht ausgebaut, wie oftmals von Autoliebhabern dargestellt. Er kann nur eben (noch) nicht in puncto Flexibilität mithalten. Aber vor allem ist es eine Grundsatzfrage, ob man ihn nutzen will oder eben nicht. Der nun folgende Thread von @lokfuehrer_tim beweist, was vielen schon längst klar sein dürfte: Verkehrswende beginnt nicht auf der Straße, sondern zuallererst in den Köpfen der Menschen, die sich dort täglich bewegen. Aber lest am besten selbst.
Ein kleiner Rant am Montagmorgen:
ÖPNV auf dem Land.
Aber nicht so, wie ihr denkt.
Wir haben bei uns nämlich ein anderes Problem: Wir haben viel ÖPNV, aber er wird kaum angenommen.— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Vor geraumer Zeit hat man hier den ÖPNV, gemeint ist damit vor allem der Bus, massiv aufgestockt.
Teils von 5 bis 23 Uhr kommt man stündlich, im Berufsverkehr sogar halbstündlich, in die nächste Stadt
Sogar mit direktem Übergang zur Bahn.— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Eingesetzt werden moderne Busse.
Auf der „Regiolinie“, welche die Kreisstadt Altenkirchen mit Neuwied verbindet, fahren sogar Doppeldeckerbusse. Auf dem Land!Bequeme Sitze, USB-Steckdosen an jedem Sitzplatz, mit Platz für Rollstuhl und Fahrrad. pic.twitter.com/eH78cbEqpk
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Insgesamt ein Zustand von dem viele ländliche Gebiete nur träumen können und was beim Thema #Verkehrswende immer wieder diskutiert wird.
So weit so gut, könnte man meinen.
Leider hat das Konzept ein Problem wie ich inzwischen feststelle: Die Bequemlichkeit.— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
„Die Busse fahren hier ja ständig nur mit ein paar Leuten durch die Gegend“
„Ich verstehe gar nicht, warum hier so viele Busse am Tag fahren. Fährt doch kaum einer mit“.Diese beiden Sätze höre ich hier im Dorf und im Bekanntenkreis ständig.
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Das Problem ist nicht das Angebot, sondern die eingefahrenen bequemen Strukturen.
Lieber setzt man sich hier ins Auto, um die paar Kilometer in die Stadt zu fahren, dort ewig im Stau zu stehen und einen Parkplatz zu suchen.
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Die Bequemlichkeit geht sogar so weit, dass hier einige mit dem Auto zur Arbeit fahren, obwohl diese nicht mal 1 km entfernt ist!
Das Auto steht ja schließlich vor der Türe…
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Es ist für viele einfacher sich Argumente einfallen zu lassen, warum man auf gar keinen Fall mit dem Bus fahren kann.
Fünfmal am Tag einem Großeinkauf für die zehnköpfige Familie, zehnmal am Tag muss die Schwiegermutter zum Arzt, und das Wetter und sowieso…
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Ich bin inzwischen der Überzeugung, dass der Wechsel auf den ÖPNV für die Leute erst attraktiv wird, wenn sie sich das Auto WIRKLICH nicht mehr leisten können.
An dem Punkt scheinen wir aber lange noch nicht zu sein…
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Natürlich bedeutet es nicht, dass derzeit der ÖPNV hier für jeden eine wirkliche Alternative darstellt.
Es gibt hier einige, die tatsächlich auf das Auto angewiesen sind. Ok.Aber bei denen, die es eigentlich problemlos nutzen könnten (kein/kaum Zeitverlust)… Naja.
— Tim Knopf (@lokfuehrer_tim) February 14, 2022
Das sagen andere User:
Ja, das Thema ist ein Wespennest. Wer sich von diesem Thread allerdings angegriffen fühlt, sollte sich mal die Frage stellen, warum das so ist und welchen Beitrag man selbst leistet. Sich zurücklehnen und auf den dürftigen Ausbau des Nahverkehrs zu schimpfen, mag ja bequem sein, aber sicher nicht zielführend. Dass Individualverkehr in seiner heutigen Form noch lange Bestand haben wird, erscheint mehr als nur fragwürdig. Früher oder später werden wir alle auf öffentliche Alternativen angewiesen sein, wenn wir das Thema Klimaschutz wirklich ernst nehmen wollen. Ein paar der treffendsten Reaktionen und Kommentare haben wir hier für euch gesammelt.
Das ist mies. Macht das Verkehrsunternehmen denn richtig Werbung, erklärt gut Fahrkarten usw., damit die Leute aufmerksam werden? Das ist wichtig! Was nicht beworben wird,wird nicht gekauft. @kkklawitter
— Bicycle Friend (@jumpzebra89) February 14, 2022
Oder: Das Auto ist noch zu bequem, zu billig, zu politisch bevorzugt?
— Katja Diehl (@kkklawitter) February 14, 2022
ÖPNV kostet Zeit, fährt wie es ihnen beliebt, Ausfälle fort folgend. Also wenn ich die Wahl hätte zwischen Arbeitsweg 20 min mit dem Auto oder umständlich über ne Stunde mit ÖPNV, nehme ich das Auto.
— Luftkavallerist HG d.R. (@Nero1138) February 14, 2022
Sehe ich größtenteils genauso. Hier ist es ähnlich.
Ist aber auch der Preis.
Solange das Auto eh da ist zahle ich ungern 10€ für zusammen Hin- und Rückfahrt in die Stadt.
— MaskedFarmer (@MaskedFarmer) February 14, 2022
Wenn es wirklich so wäre, dass die Leute das Auto nehmen, weil der ÖPNV so schlecht fährt, würde das ja allenfalls Fahrten bis zum nächsten Bahnhof, maximal Stadtrand begründen können.
Sie fahren aber in die Stadt rein.
Es ist also erkennbar eine faule Ausrede.— RA Amin Negm-Awad (@RA_Negm) February 14, 2022
Mit Familie auf dem Land brauche ich „zwingend“ ein Auto für Einkaufen, Arztbesuche, Sportvereine etc.
Da ich das Auto dann eh zahle, ist der ÖPNV unverhältnismäßig teuer für mich (zum 5km entfernten Bahnhof 2,80€ + teures Zugticket). Dazu die Bequemlichkeit— Axel_Link (@alex_pink9) February 14, 2022
Das ist ein großes Problem. Alle haben sich mit ihren Autos eingerichtet und brauchen den ÖPNV deshalb nicht. Kinder und Ältere, die nicht mehr Auto fahren, sind nicht soviel unterwegs außerhalb der Schule. Den ÖPNV muss es aber durchgehend geben, damit mal umgedacht wird.
— Plastik Müll (@MeichsnerR) February 14, 2022
Mit Familie auf dem Land brauche ich „zwingend“ ein Auto für Einkaufen, Arztbesuche, Sportvereine etc.
Da ich das Auto dann eh zahle, ist der ÖPNV unverhältnismäßig teuer für mich (zum 5km entfernten Bahnhof 2,80€ + teures Zugticket). Dazu die Bequemlichkeit— Axel_Link (@alex_pink9) February 14, 2022
Deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Das Argument, der ÖPNV sei zu schlecht wird gerne von Leuten vorgebracht, die selbst unter keinen Umständen einen Bus besteigen würden.
— Frank Herberg (@Toni_Auspuh) February 14, 2022
Das ist ein großes Problem. Alle haben sich mit ihren Autos eingerichtet und brauchen den ÖPNV deshalb nicht. Kinder und Ältere, die nicht mehr Auto fahren, sind nicht soviel unterwegs außerhalb der Schule. Den ÖPNV muss es aber durchgehend geben, damit mal umgedacht wird.
— Plastik Müll (@MeichsnerR) February 14, 2022
Das dauert. Braucht Durchhaltevermögen. Stabile Politik. Die nächste Generation checkt es dann. Vielleicht. Hoffentlich.
— 🚍🚍🚍 Djure Meinen 🚍🚍🚍 (@50hz) February 14, 2022
Zwei Stellschrauben sind m.E. extrem wichtig:
1) EIN Preis für eine möglichst große Fläche. Keine Zersplitterung in mehrere Tickets.
2) Es muss ein Carsharing-Angebot geben. Als „Plan B“, falls wirklich Mal das Auto gebraucht wird.Ansonsten floppt der ÖPNV-Ansatz m.E..
— SkeptischerKritizist (@Schinge3) February 14, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Um das Leben auf dem Land geht es auch in diesem Beitrag: