Thread: Leben mit einem “Messie”
Rund 1,8 Millionen Menschen leben in Deutschland mit dem Messie-Syndrom. Das offensichtliche Chaos im Äußeren wird aber meistens durch eines ausgelöst: Chaos im Inneren. Denn die Erkrankten sind nicht einfach nur unordentlich oder faul – sie können gegen ihren Sammelzwang schlichtweg nichts tun. Das ist nicht nur für die Betroffenen selbst eine große Belastung, auch Familienmitglieder oder Partner*innen leiden unter dem Messie-Syndrom ihrer Liebsten. Die Folge: Viele Betroffene ziehen sich in die Isolation zurück. Am Ende steht dann nicht selten die Zwangsräumung von Häusern oder Wohnungen, Erkrankte brauchen langwierige Therapie. Auch Userin @ves_x_1000 kennt die Belastung der psychischen Erkrankung. Ihr Mann ist ein sogenannter “Messie”, dessen Verzweiflung und Ohnmacht die Userin jeden Tag aufs Neue erlebt. Dies ist ihr mutiger Thread!
Leben mit einem „Messie“
Vorab: ich wusste worauf ich mich einlasse, dachte ich zumindest.
Ich habe viele beschriftete Kisten aufgestellt, für Steuer, Versicherungen, etc.
Und der Mann, der beruflich viel erreicht hat, viele Leben gerettet hat, viele beim Sterben begleitet
— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
hat, erfolgreich geforscht hat, Auszeichnungen erhalten hat, dieser Mann steht im einem Papier vor den Kisten und weiß nicht in welche er es legen soll. Ich beobachte das zufällig, die Verzweiflung in seinem Gesicht, das Resignieren
Er dreht sich um und legt das Papier irgendwo— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
Ins Regal und geht.
Und ich glaube erst jetzt wirklich verstanden zu haben was es für ihn selber bedeutet.Ich arbeite von Mo-Fr und bin ca 13 Stunden außer Haus. Ich bin jedes Mal aufs neue geschockt wie er es in diesen 5 Tagen schafft totales Chaos anzurichten.
Er macht das
— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
nicht aus Faulheit oder absichtlich
Wenn er die Spülmaschine aufräumt stellt er Töpfe uns Schüsseln auf den Tisch, er weiß nicht wo die hinkommen
Klar, ist eine Ausrede.
Aber nur deshalb weil er es einfach nicht schafft diese ordentlich in den Schrank zu stellen und ich dann— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
fluche wenn mir alles entgegen kommt wenn ich den Schrank öffne und was suche.
Nichts darf man wegwerfen, es kann repariert werden. Sogar die geöffneten Umschläge vom Briefen müssen bleiben – und ja, er hat schon nach diesen Umschlägen gesucht weil er den Stempel brauchte wg
— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
einer Frist.
Es ist anstrengend und ja, wir streiten auch deswegen.
Aber das ist ok, auch ich habe Tage an denen mir das zu viel wird. Schließlich verbringe ich meine Wochenenden mit aufräumen.
Und wer jetzt meint, das liegt daran dass er nicht gelernt hat im Haushalt zu helfen— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
weit gefehlt. Seine Eltern waren beide berufstätig und er musste alles im Haushalt mit erledigen
Trotzdem möchte ich nicht tauschen
Wir sind ein super Team die schon viel Mist zusammen überstanden haben.Ich habe jetzt durchgesetzt dass defekte Dinge entsorgt werden, auch
— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
Briefumschläge, außer sind sind behördlich.
Mein Büro wird in den Keller verlegt um meine Nerven zu schonen.— Herzschlag (@ves_x_1000) May 21, 2023
Wie entsteht das Messie-Syndrom?
Frühkindliche, traumatische Verluste, Bindungsstörungen oder andere einschneidende Erlebnisse: Die Auslöser für das Messie-Syndrom sind vielfältig. Psychologen sehen im Sammelzwang den Versuch, das emotionale Chaos mit Besitz zu kompensieren. “Die Löcher in der Seele zu stopfen.” Helfen kann in den meisten Fällen nur eines: eine Therapie. Wir wünschen allen Betroffenen und ihren Angehörigen Mut, sich Unterstützung zu holen. Zuspruch gab es auch in den Kommentaren!
Mehrere User hatten Tipps oder Vorschläge parat
Ich weiß es ist nicht weltverändernd, aber hast du mit ihm beispielsweise über die Kisten kategorien gesprochen? Und bei dem papierkram wäre es doch vllt eine Idee eine Kiste „unsicher“ zu erstellen, dann muss es zwar noch sortiert werden aber wird an einem Ort gesammelt.
— black_mask_girl (@_waldnymphe_) May 22, 2023
Danke für den Tipp!
Werde ich ansprechen und ausprobieren— Herzschlag (@ves_x_1000) May 22, 2023
Andere konnten die Belastung nachvollziehen
Ich fühle mit Deinem Mann – er hat ganz sicher ein eigenes System, mit dem er im Prinzip klar käme. Ich breche immer total zusammen, wenn jemand mein oberflächlich chaotisches System aufräumt und ich NICHTS mehr finde zu Gunsten einer Optik 🥺
— Passenger @ web (@Passengerweb1) May 21, 2023
Das traue ich mich gar nicht erst
Zumindest im Büro – deshalb ziehe ich mit meinem Büro in den Keller
Er verteilt seinen Kram nämlich auch großzügig auf meinen Unterlagen— Herzschlag (@ves_x_1000) May 22, 2023
Manche haben ähnliche Probleme
Ich bin kein Messi, aber, wenn der Kopf zu voll ist, in den Gedanken zuviel los ist, kenne ich ähnliche Phasen.
Die Enttäuschung und Frustration ist mir dann anzumerken und das Leben ist dann nicht einfach, aber irgendwann kriege ich GsD die Kurve.— Micky pur (@MickySt) May 22, 2023
Und wieder andere sprachen einfach Mut zu
Ich finde es richtig toll von dir so offen darüber zu sprechen. Ich habe zwar selber kein Problem mit so etwas aber weiß manchmal selber wie schwer es ist sich von etwas zu trennen oder nicht zu wissen wohin mit manchen Dingen.
— the friendly forest witch (@mandarinenfaser) May 22, 2023
Hut ab, dass du das mitmachst. Viel Kraft wünsch ich dir weiterhin!
— 🦋Verysweetcookie🌼 (@Verysweetcooki1) May 21, 2023
Für die meisten von uns ist Aufräumen zwar lästig, aber nicht mit ernsthaften Hürden verbunden. Und dann hält das Aufräumen auch allerlei Lustiges für uns bereit.