Thread: Kinderarmut muss sichtbar werden

Max Kilian 11.07.2023, 10:13 Uhr

Seit vergangener Woche wird kontrovers und emotional diskutiert, ob Paare in Deutschland ab einem gewissen Einkommen kein Elterngeld mehr bekommen sollten. Hintergrund: Für die Haushaltsplanung des kommenden Jahres hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dem Familienministerium Sparmaßnahmen bzw. Kürzungen von 290 Millionen Euro auferlegt. Um dieses Geld einzusparen, plant Lisa Paus (Die Grünen) als zuständige Ministerin Einschnitte beim Elterngeld. Bislang ist es so, dass die auf 1.800 Euro gedeckelte Lohnersatzleistung an Paare bis zu einer gemeinsamen Einkommensgrenze von 300.000 Euro ausgezahlt wird. Damit soll den Eltern, die sich in den ersten Monaten nach der Geburt zu Hause um den Nachwuchs kümmern, statt weiter arbeiten zu gehen, während dieser Zeit das Einkommen gesichert werden.

Nach den Plänen der Familienministerin sollen künftig nur noch Eltern, deren gemeinsam zu versteuerndes Einkommen unter 150.000 Euro liegt, Anspruch auf jenes Elterngeld haben. Ganz grundsätzlich gilt: Bei Familien und Kindern sollte in unserem reichen Land erst ganz am Ende gespart werden. Wenn überhaupt. Denn nahezu jeder und jedem hier dürften auf Anhieb zig Felder einfallen, in denen Einsparungen oder Maßnahmen sinnvoller wären. Wir denken da beispielsweise an milliardenschwere fossile Subventionen oder aber an die entgangenen Mehreinnahmen durch eine mangelhafte Ausgestaltung der Erbschaftsteuer. Und ja, Einsparungen sollten auch gewiss nicht auf Kosten der Gleichberechtigung von Frauen gehen. Aber erscheint es für den Fall, dass dank des „Keine neuen Schulden!“-Mantras des FDP-Finanzministers im Familienministerium gespart werden MUSS, nicht sinnvoller, ausnahmsweise gezielt bei den sehr hohen Einkommen anzufangen – statt wie sonst üblich bei den unteren Einkommensgruppen und den sogenannten „sozial Schwachen“? Viel zu häufig wird hier nach dem Gießkannenprinzip gehandelt, mit dem Ergebnis, dass diejenigen, die eh schon viel haben, nun auch noch mehr bekommen.

Klar ist, dass man hier durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann und es sowohl für als auch gegen die Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld stichhaltige Argumente gibt. Seitens der Liberalen und Christsozialen wurde jedoch rasch der Untergang des Sozialstaates proklamiert, die Leistungsträger in diesem Land würden umgehend aufhören, Kinder in die Welt zu setzen. Nochmal: Es geht dabei laut Familienministerin Paus bei rund 11,9 Millionen Familien im Land um ca. 60.000 Paare. Paare, deren zu versteuerndes Einkommen über 150.000 Euro liegt, was brutto in etwa 180.000 Euro entspricht. Ganz egal, wie man nun zu diesem Thema steht: Was auffällt, ist der Aufschrei derer, bei denen ansonsten hinsichtlich Sozialkürzungen Schweigen im Walde herrscht – offenkundig nur, weil es sie bislang so gut wie nie selbst betroffen hat. Natürlich muss der Staat sparen, aber doch bitte nicht bei uns! Jahrelang galten in diesem Land beispielsweise unwürdige Hartz IV-Sätze, ganz besonders für die Kleinsten, welche Kinderarmut zementierten, statt sie zu bekämpfen. Seit Wochen streitet die Ampelkoalition über die Kindergrundsicherung, hier bliebt der breite Aufschrei komischerweise bis heute aus. Der nun folgende Thread von @calistra dreht sich zwar nicht direkt um das vielfach diskutierte Elterngeld, zeigt aber umso eindringlicher, warum wir stattdessen unbedingt über Kinderarmut sprechen und debattieren müssen.

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