Thread: Im Katastrophengebiet Ahrweiler
Auch eine Woche nach der Flutkatastrophe ist die Lage der Menschen in den betroffenen Gebieten schlecht. Die verwüsteten Dörfer in den Landkreisen sehen fast wie Kriegsgebiete aus. Besonders schlimm hat die Hochwasserflut den Landkreis Ahrweiler getroffen. Dort starben mehr als einhundert Menschen, als die Ahr in den Dörfern eine Schneise der Verwüstung hinterließ. Die gute Nachricht ist, Hilfsbereitschaft und Solidarität sind weiterhin groß. Ohne die vielen Freiwilligen wüssten die Menschen vor Ort auch gar nicht, wie sie die Aufräumarbeiten bewältigen sollten. Aber wie sieht es dort aus und wie ergeht es den vielen freiwilligen Helfern? Die Twitteruserin @simoen72 war in dieser Woche vor Ort, um zu helfen und hat darüber diesen Thread geschrieben.
Gestern war ich im Katastrophengebiet in Bad Neuenahr – Ahrweiler.
Ich versuche mal so emotionslos wie es geht die Situation zu beschreiben.Treffpunkt war um 9 Uhr in Ahrweiler, eine Stunde Fahrt, also kurz vor 8 Uhr daheim weg.
Auf dem Weg kommen mir unzählige Feuerwehrautos— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
entgegen. Schichtwechsel.
Auf meiner Spur viel THW, Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr. Alle auf dem Weg, um zu helfen.Kurz vor Bad Neuenahr Stau, ich komme 10 Minuten zu spät zum Treffpunkt.
Die anderen sind schon da.
Wir besprechen kurz unser Vorgehen und beschließen, einfach an— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
den Häusern zu fragen, ob und wie man helfen kann.
Ortseingang sieht relativ normal aus, staubig und dreckig, aber „ordentlich“.
Wir gehen zur ersten Reihe, Häuser direkt an der Ahr gelegen.
Darauf war ich trotz Bilder in TV und Internet nicht vorbereitet.
Es gibt keine Straßen— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
mehr. Alles weg. Nur Schlamm, meterhoch Müll, kaputte Autos, Dreck, Wasser, Gestank.
Direkt am zweiten Haus werden wir angesprochen, ob wir helfen können.
Klar. Rein, Überblick verschafft, los geht’s.Das Haus gehört einer älteren Dame (sie sagt 77, ihr Nachbar sagt 85 😏😄),
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
die vor der Katastrophe in eine Senioreneinrichtung gebracht wurde. Von dort ist sie gestern ausgebüxt und per Anhalter zu ihrem Haus gefahren.
Sie ist ganz alleine und irgendjemand hat bei https://t.co/kPfJb0SgGo Hilfe für die Arbeiten am Haus gesucht.
Anfangs waren wir ca. 15— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
Leute.
Wir haben dann im Keller gestartet, der komplett überflutet war und von Wasser, Unrat, Schlamm befreit werden musste.
Über das, was so alles in dem Schlamm und Wasser schwimmt, macht man sich besser keine Gedanken.Wir haben uns also an die Arbeit gemacht und mit Menschen
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
ketten die Keller entrümpelt.
Fenster zum Lüften? Fehlanzeige. Licht? Kein Strom 🤷♀️ also mit Stirnlampen einen Weg durch das Chaos gesucht.
Mittlerweile sind wir ca 40 Helfer.
Alles Freiwillige, teilweise aus Cuxhaven („wir haben Urlaub genommen und sind seit Montag hier“), teils— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
aus Aachen („hab eh frei und ich wäre auch froh, wenn man mir helfen würde“).
Die Stimmung ist positiv, auch unter den Anwohnern („nützt ja nix“).
Zwischendurch kommt die Besitzerin des Hauses und ist sichtlich überfordert mit der Situation. 😔Kurze Mittagspause, in der wir
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
Hamburger und Pommes vom Foodtruck um die Ecke essen.
Alles kostenfrei und von wem auch immer zur Verfügung gestellt.
Die Hilfsbereitschaft ist riesig!
Essen, Getränke, alles wurde und wird gespendet.Mittlerweile ist der Garten eine einzige Müllhalde und Schlammpfütze, aber
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
irgendwo muss das Zeug aus dem Keller ja hin.
Die Leute arbeiten Hand in Hand und effektiv, da einige schon die letzten Tage dort waren und wissen, worauf es ankommt.
Um 20.30 Uhr ist der Keller „besenrein“, wir völlig fertig,, total dreckig, bis oben hin voll mit Eindrücken,
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
aber froh!
Solltet ihr mit dem Gedanken spielen zu helfen, dann überlegt nicht lange.
Über https://t.co/kPfJb0SgGo wird viel organisiert, von z. B. Koblenz Zentralplatz aus fährt täglich um 9.30 Uhr ein Bus ins Gebiet und holt die Helfer abends wieder ab.Die Menschen dort
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
sind ohne Freiwillige verloren.
Das kann man nicht mit ein paar Leuten stemmen.
Solltet ihr jetzt keine Zeit haben, fahrt halt in ein paar Wochen, auch dann wird noch Hilfe benötigt.Ich muss den Tag erstmal richtig sacken lassen.
Meine Jungs fahren Freitag zum Helfen und wir— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
gemeinsam dann am Wochenende wieder.
Es gibt so unglaublich viel zu tun 😔Entschuldigt bitte die Länge des Thread.#Hochwasserkatastrophe #Fluthilfe #Ahrtal
— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
Noch ein kleiner Nachtrag.
Diesen Thread habe ich weder zur Selbstbeweihräucherung noch zur Aufmerksamkeitshascherei verfasst.
MIR gebührt der Dank und der Respekt nicht, sondern all denen, die dort Tag für Tag anpacken. Wie z. B. der Truppe mit der ich dort unterwegs war ❤️— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
Weil ich gerade korrekterweise drauf hingewiesen wurde:
Wenn ihr helfen möchtet, parkt außerhalb und nutzt die Shuttlebusse. Das Verkehrschaos ist so schon riesig durch die Menge an Feuerwehr, Krankenwagen, THW und Polizei.— Simone 🐿️☀️❤️ (@simoen72) July 22, 2021
Das sagen andere User:
Ohne solche Berichte hätten wir sicher keine Vorstellung davon, wie es wirklich ist, vor Ort zu sein und zu helfen. Allen Freiwilligen gebührt unser Respekt und unser Dank. Ein paar der treffendsten Reaktionen haben wir hier für euch gesammelt.
Eine tolle Geste. Trotzdem beschleicht einen ein ungutes Gefühl wegen Corona. Das wird einfach komplett ausgeblendet . wenn die Menschen vor Ort noch von einer heftigen Infektionswelle getroffen werden, wäre das übel.
— @thinktank (@thinktank197) July 22, 2021
Wenn ich diese Zeilen lese wird mir bewusst, dass es noch Monate dauern wird, bis es wieder einigermaßen wohnbar wird da in den Orten. Vielen Dank an alle freiwilligen Helfer*innen un den Hilfskräften vor Ort!!!
— Schmuddus 🍀🌈🏳️🌈🏳️🌈🌈❤️🧡💛💚💙💜 (@Schmuddus) July 22, 2021
Vielen Dank für Deinen Bericht. Vor allem, und das kann ich gar nicht genug betonen, danke für den respektvollen Umgang mit der Situation (= keine Fotos/Videos). Das berührt mich gerade sehr.
— Pienft (@pienft) July 22, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Wie wichtig es ist, überall und jedem in Not zu helfen, darum geht es auch in diesem Beitrag hier: