Thread: Ich wollte Euch mal einladen
Okay, okay. Deutschland ist nicht Portugal, aber können wir trotzdem noch mal darüber reden, wie dieses Land es geschafft hat, mit ganz einfachen Mitteln vom Pandemiehotspot zum musterhaften Öffnungsbeispiel zu werden? Dort gibt es inzwischen keine Todesfälle mehr und die Inzidenz sank von 900 auf unter 30. Es wird also Zeit, dass wir noch mal Tacheles reden und die Pandemie aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Denn vielfach wird das Narrativ verbreitet, das Virus wäre unser taktischer Gegenspieler, auf den wir reagieren müssten, besonders von Politikern. Aber stimmt das überhaupt? Florian Kuhnke hat sich diese Frage ebenfalls gestellt und auf Twitter in einen sehr klugen und messerscharfen Thread verwandelt, der die aktuelle Pandemiepolitik der Bundesregierung in einem eher zweifelhaften Licht erscheinen lässt. Warum? Das lest ihr am besten selbst.
Ich wollte Euch mal einladen, die Pandemie unter einem anderen Blickwinkel zu sehen. Nicht so sehr als wir gegen das Virus. Folgt mal den Gedanken, wenn Ihr Lust habt.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Ein Virus hat keinen eigenen Stoffwechsel, es kann nicht denken. Biologisch gilt es nicht wirklich als lebendig. Es verhält sich nach klaren Regeln (auch wenn wir die Regeln anfänglich erstmal erkennen mussten), es verhält sich vorhersehbar, wie unzählige Vorhersagen zeigen.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Ein Kampf, wir gegen das Virus, ist völlig unfair. Das ist kein strategischer Gegener. Kein taktischer Gegner. Überhaupt kein ernst zu nehmender Gegner.
Wenn wir wollen ist das Ding platt. Die Regeln sind klar, wie es geht ist klar, wehren kann es sich nicht.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Und dennoch tun wir uns schwer. Sind „überrascht“, „plötzlich“, „richtig expontentiell“. Die Sprache zeigt, dass manche von uns sich überrumpeln lassen von diesem Gegner.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Unsere Politik ist überrascht von einem Gegner, der so berechenbar ist wie die Wurm in ihrem Flussbett. Immer in die gleiche Richtung. Immer an der gleichen Stelle. Gestern, heute, ja auch morgen ist die noch da.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Wenn wir sagen „hört auf die Wissenschaft“, dann meinen wir genau das: Lasst Euch sagen, was das Virus wann machen wird und dann entscheidet mit dem Wissen im Hinterkopf.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Der wahre Gegner sitzt woanders. Andere Menschen.
Durchseucher gegen Eindämmer. Wirtschaft gegen Gesundheit. Lockern gegen Lockdown.
Nicht alles echte Gegensätze, aber alles verhärtete Positionen.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Und das möchte ich Euch als Perspektivenwechsel mitgeben:
Die Politik versagt nicht gegen das Virus. Sie versagt auf ureigenstem Gebiet. Sie schafft es nicht, die unterschiedlichen Meinungen und Ziele in ein Vorgehen zu bringen. Wir scheitern an der Demokratie.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Wir scheitern uns ein Ziel zu geben und das anzusteuern. Wir labern davon, dass Kinder Priorität haben und werden sie jetzt mit Schwung durchseuchen.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Wir reden davon, dass die Wirtschaft geschützt werden muss und schicken ganze Branchen in den Bankrott.
Wir reden davon, dass das Personal im Gesundheitswesen Helden sind und behandeln sie wie Dreck.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Die Politik versagt nicht gegen das Virus. Die Politik versagt auf eigenem Gebiet, sie schaffen es nicht, ein Ziel, eine Richtung zu formulieren.
Noch nicht mal ein Ziel. Von den Maßnahmen und Umsetzung rede ich noch gar nicht.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Das Virus tut nichts überraschendes. Es gibt viele tolle Leute, die uns sagen können, was es als nächstes tut und das auch jeden Tag und jede Woche tun.
Die Politik versagt bei ihrer ureigensten Aufgabe: In einer Demokratie aus vielen Stimmen eine Richtung zu ermitteln.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Denkt da mal dran, wenn jemand wieder vom Virus überrascht wurde. Das war nicht das Virus.
Dieser Mensch ist in seinem gewählten Beruf überfordert.
— Florian Kuhnke (@JFKuhnke) April 25, 2021
Das sagen andere User:
Eigentlich ist alles gesagt. Es könnte alles ganz anders sein. Und wenn man das erstmal sacken gelassen hat, fällt es schwer, nicht zu resignieren. Was auf alle Fälle dringend zu diskutieren wäre, ist das aktuelle Bild des Berufspolitikers. Es ist eben nicht nur ein Job, der ausgeübt wird und in dem man beliebig experimentieren kann. Sondern es geht (wie in bestimmten anderen Berufen auch) um Verantwortung für Menschenleben. Das sahen auch viele andere Nutzer so. Sie verwiesen auf weiterführende Artikel, andere Threads und kommentierten, wie sie sich aufgrund der aktuellen politischen Entscheidungen fühlen. Wir haben ein paar der Reaktionen für euch zusammengetragen.
Es gibt zum gleichen Thema einige wundervolle Threads von @Nithilher unter dem Oberbegriff „Mathe für Politiker*innen“, die ich der besseren Lesbarkeit halber auch bei mir im Blog veröffentlicht habe. Unbedingt mal reinlesen ⏬⏬⏬https://t.co/mWjnoZFi6w
— Claus Nehring | Content Creator (@NehringClaus) April 26, 2021
Mittlerweile unterstelle ich den Regierenden kein Versagen, sondern den fehlenden Willen, die Opferzahlen so gering wie möglich zu halten. Die Gründe? Bereits gepackte Koffer für September? Bequemlichkeit? Belohnung?
Die Situationen ähneln sich übrigens in ganz Europa.
— 🔴🔺️Mr. Mads 🟥🔴Enough already!🔺️🔴 (@MrMads3) April 25, 2021
Ja.. es ist das passiert, was @c_drosten vorhergesagt hat, es ist ein Tsunami im Zeitlupentempo. Diese Naturkatastrophe lässt quasi zuviel Zeit für Diskussionen. Wäre es Ebola, wären viele Entscheidungen früher und klarer gefallen.. 🙄
(Gott sei Dank isses das nicht)— Haussi_bleibt_zuhausi.. 😷 (@haussmann_bernd) April 25, 2021
In dieser Aussage steckt eine wichtige Wahrheit über die Gründe des aktuellen Totalversagens (nicht nur in Deutschland): Das Toolset eines Politikers in einer Demokratie ist das Verhandeln und das Herstellen von Konsens. 1/3
— 🔴 agicolor 🔴 (@agicolor) March 19, 2021
Dazu kommt die Fehleinschätzung, man könne eine Pandemie (im Sinne des Verhalts des Virus) analog zur Tagespolitik mit purer Willenskraft „gestalten“. Das ist sozusagen die dunkle Seite von Pippi Langstrumpf. Die Pseudoexperten stärken dieses Verhaltensmuster, weil die 2/3
— 🔴 agicolor 🔴 (@agicolor) March 19, 2021
erlernte und erprobte Problemlösungsstrategie automatisch anspringt, wenn es zwei Pole gibt.
Dieses Toolset taugt aber nicht für wissenschaftliche Fragestellungen, denn hier haben wir ein herantasten an die Wirklichkeit mittels trial and error.— 🔴 agicolor 🔴 (@agicolor) March 19, 2021
Hier ist Schluss, aber wenn ihr noch einen Thread lesen wollt, der die letzten Entscheidungen der Bundesregierung kritisch hinterfragt, probiert es doch mal mit diesem hier: