Thread: Ich schrecke noch immer zusammen, wenn ich eine Türklingel höre
Vergangenen Donnerstag in Wien: Am frühen Morgen versammeln sich rund 150 Menschen vor dem Abschiebezentrum in Simmering, darunter zahlreiche Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer. Sie wollen ein Zeichen setzen und gegen die von der teils martialisch auftretenden Polizei durchzusetzenden Abschiebungen von drei Schülerinnen und deren Familienangehörigen nach Armenien und Georgien protestieren. Schülerinnen, die in Österreich hervorragend integriert waren. Kinder, die nun zahlreiche Freundschaften hinter sich lassen müssen und in einem für sie fremden Land neu anfangen müssen. Zwei der Mädchen, die am Donnerstag abgeschoben wurden, sind in Österreich geboren und aufgewachsen. Die Kinder sind weg, die Debatte geht weiter, zuletzt zeigte sich auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen entsetzt: „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist, gerade wenn Kinder die Hauptleidtragenden sind.“
Was eine Abschiebung und sei es auch nur die immer präsente Angst davor mit Kindern macht, zeigt der Thread von @selmuggle deutlich – und auch, was in diesem willkürlichen „Abschiebe“-System grundverkehrt läuft. Erschreckend!
Zum Thema „Abschiebung von Kindern“. Ich sollte als Kind mehrfach abgeschoben werden. Jedes Mal, wenn ein Schreiben kam, brach meine Welt zusammen. Ich hatte Angst, schließlich bin ich hier geboren und aufgewachsen und war vielleicht ein- oder zweimal in der Heimat meiner Eltern.
— selma (@selmuggle) January 30, 2021
Irgendwann wurde entschieden, dass ich bleiben durfte und ich bekam eine Aufenthaltsgenehmigung.
Die Person, die das damals entschieden hat, begründete ihre Entscheidung damit, dass ich ähnliche Hobbys wie ihr Kind hatte und dass sie es deswegen nicht über Herz bringen konnte.— selma (@selmuggle) January 30, 2021
Was ich damit sagen will: Dieses System ist so abgefuckt und kaputt. Entscheidungen werden komplett willkürlich getroffen. Es ist eine Schande.
— selma (@selmuggle) January 30, 2021
Ich glaube, ich muss gar nicht erwähnen, wie traumatisierend das Ganze für mich war und auch heute noch ist. Ich schrecke noch immer zusammen, wenn ich eine Türklingel höre, weil ich damals bei jedem Klingeln davon ausgegangen bin, dass ich gleich mitgenommen werden könnte.
— selma (@selmuggle) January 30, 2021
Was „lustig“ ist: Wenn ich heute mit Freund*innen darüber spreche, dann sind sie verwundert darüber, dass sie damals nichts davon mitbekommen haben. Wir mussten alles für uns behalten, ich konnte nur mit meinen Eltern oder wenigen anderen Familienmitgliedern darüber sprechen.
— selma (@selmuggle) January 30, 2021
Das berichten andere User:
Ich habe es als Außenstehende in der 5. klasse mitbekommen. Eine Mitschülerin ist mit ihrer Familie nach Australien ausgewandert, weil sie sonst zurück ins ehem. Jugoslawien abgeschoben worden wären. Wir fanden das alle so unfair. Sie gehörte doch hierher. Denke manchmal an sie.
— Isabell (@Groovinchen) January 30, 2021
Oh, Mensch – toll, dass die das geschafft haben!
Nachbarn von mir haben alles versucht, um nicht abgeschoben zu werden. Aber das Auswandern nach Australien hat bei Ihnen nicht geklappt.
Zum Schluss wurden sie dann doch abgeschoben. 😢
Die Kinder waren hier aufgewachsen!— 🦉 BaumbergTawnyOwl 💙🕯️😷 (@AaseeOwl) January 30, 2021
War für mich erschreckend da ich hier geboren bin & wir nach Brčko hätten zurückmüssen, was ich nur aus Erzählungen meiner Eltern kannte. Meine Mama hat sehr viel geweint zu der Zeit aber ich bin ihr so dankbar für den gesamten Kampf den sie auf sich nahm um uns hier zu halten
— Dušan (@mogelhieb) January 30, 2021
Ich habe bei einem Jungen erlebt, wie er kurz nachdem er seinen Aufenthaltstitel erhielt in Zeitraffer seine Pubertät nachholte und einen enormen Wachstumsschub erlebte. Das hat keiner von uns für Zufall gehalten. Es ist ein irrer Druck, der da auf den Kindern/Teenies lastet.
— Rettungstasse (@rettungstasse) January 30, 2021
Hier auch. Bin nicht mal hier geboren, mit vier kam ich her und bekam die Aufenthaltserlaubnis mit 16(!). Davor immer bangen.
— Soaring cheekbones (@S_Nikolina) January 30, 2021
Nicht-Betroffene haben keine Vorstellung davon, was es heißt, dauernd in Angst leben zu müssen.
Schön, dass es sich doch zum Guten gewendet hat. 🤗😀👍— Wolfgang R. Zissler (@wrzissler) January 30, 2021