Thread: Ich lief mit meiner Freundin eine Spielstraße entlang
Keine Frage, die Stressbelastung für Autofahrer*innen ist hoch. Besonders in Großstädten braucht man oft Nerven wie Stahlseile, um sich mit dem Rest der Blechlawine durch die Stadt zu schleppen. Komplexe Verkehrsführungen, viele Ampeln und Kreuzungen, schmale Straßen, Staus, Stop-and-gos sowie geparkte Autos, Baustellen, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen, auf die man achten muss. Hinzu kommt, dass die meisten Fahrzeuge immer größer werden und deshalb schwieriger zu manövrieren sind. Addiert man noch weitere Reize dazu wie laute Musik, ein nerviges Navi, ein Gespräch mit der Beifahrer*in oder ein Telefonat, leuchtet es ein, warum so viele KFZ-Halter*innen in Schimpftiraden hinter dem Lenkrad verfallen oder gar in dasselbe hineinbeißen. Da ist es deutlich entspannter, mit den öffentlich Verkehrsmitteln zu fahren oder sogar mit dem Fahrrad. Alle zuvor genannten Gründe sind allerdings keine Entschuldigung dafür, sich im Straßenverkehr wie die Axt im Walde aufzuführen. Überhaupt scheinen ein paar besondere Autofahrer*innen der Meinung zu sein, dass im Straßenverkehr das Recht des Stärkeren gilt. Anders lässt sich das rücksichtlose Fahrverhalten einiger auch nicht mehr erklären. Das Schlimme daran ist, dass die meisten dieser Fahrer*innen auch noch mit dieser Attitüde davonkommen, selbst wenn sie dabei juristische Grenzen überschreiten oder gar Menschen gefährden. Die nachfolgende Geschichte von @dbermbach darf gerne als abschreckendes Beispiel gesehen werden. Aber lest am besten selbst.
Nachdem das Verfahren nun wohl abgeschlossen ist, kann ich jetzt auch von einem Vorfall im April 2021 erzählen: Ich lief mit meiner Freundin im verkehrsberuhigten Bereich („Spielstraße“) zügig am rechten Straßenrand, als ein SUV direkt hinter uns mehrfach hupte. Als wir 1/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
stehen blieben und uns rumdrehten, wurden uns diverse Beleidigungen zugebrüllt und dass wir auf der Straße nichts zu suchen hätten. Sowohl der SUV als auch wir waren inzwischen stehen geblieben und ich versuchte, dem Fahrer zu vermitteln, dass wir selbstverständlich dort auf 2/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
der „Straße“ gehen dürfen, dass sein Hupen hingegen eine Nötigung darstellt. Daraufhin fuhr der Fahrer gegen mich, ich sprang rückwärts und er fuhr nochmal gegen mich und blieb dann wieder stehen. Der Stadtpanzer war übrigens so groß, dass er mich dabei jedes Mal am Oberarm 3/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
touchierte (und ich bin 1,81m) und er hätte uns auch einfach überholen können. Ich rief dem Fahrer zu, dass er mich doch nicht absichtlich anfahren könne und dass ich jetzt die Polizei rufen würde. Dabei ging ich einen Schritt rückwärts und fotografierte Fahrzeug, Fahrer und 4/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
Kennzeichen. Daraufhin zog der Fahrer zur Seite und raste (übrigens deutlich zu schnell) davon. Beim Wegfahren konnte ich noch ein Profilbild der Beifahrerin, die mich beleidigt hatte, machen. Die Polizei kam und nahm Zeugenaussagen auf, dann passierte lange nichts mehr. Vor 5/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
etwa einem Monat kam dann ein Brief von der Amtsanwaltschaft, dass das Verfahren gegen die Beifahrerin (die identifiziert worden war, ihr Name wurde genannt) aus Mangel an öffentlichem Interesse eingestellt wurde. Ich nahm das zum Anlass, per Brief bei der Amtsanwaltschaft 6/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
nach dem Status des anderen Verfahrens zu fragen. Vorgestern kam nun der Brief: Das Verfahren wurde gemäß §153 II StPO eingestellt (d.h. kein öffentliches Interesse) und demnach noch nicht mal eine Geldstrafe. Auch hier war der Name des Fahrers genannt, er war also 7/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
identifiziert worden.
Und das ganze bei Nötigung im Straßenverkehr, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Fahrerflucht. Dass das Verfahren nicht vor Gericht geht, hatte ich erwartet, aber zumindest eine Geldstrafe hätte ich schon erwartet, Führerscheinentzug hätte ich 8/11— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
als angemessen empfunden. Wir haben also jemanden, der andere Menschen vorsätzlich anfährt und dem von Seiten der Justiz signalisiert wird, dass sein Verhalten i.O. ist. Wie wird der Fahrer wohl in Zukunft unterwegs sein? Den nächsten fährt er wahrscheinlich wirklich um. 9/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
Wäre ich weniger fit gewesen, wäre ich vermutlich auch gestürzt.
Aus meiner Sicht ist dieser Fahrer ein Paradebeispiel für „mangelnde charakterliche Eignung zur Führung eines Kfz“. Man stelle sich einfach mal vor, er hätte mich statt mit der Waffe Auto mit einem Messer 10/11— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
bedroht und mich damit ganz leicht zweimal angeritzt (ohne, dass Blut kommt). Wäre das auch eingestellt worden? Hätte ich bspw. beim Angefahrenwerden als Reflex das Auto beschädigt – glaubt irgendwer, dass das Verfahren wegen Sachbeschädigung nicht noch laufen würde? 11/11
— David Bermbach (@dbermbach) March 13, 2022
Das sagen andere User:
Dass das Verfahren eingestellt wurde, macht sprachlos. Die Begründung schlägt dabei noch dem Fass den Boden aus. Was die Leserinnen und Leser zu diesem Thread zu sagen hatten, wollen wir euch nicht vorenthalten. Ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen haben wir hier für euch zusammengetragen.
Klassischer Fall von Täterschutz. „Mangelndes öffentliches Interesse“ spricht natürlich Bände. Aber in gewisser Hinsicht ist es ja auch wahr. Es besteht kein wirkliches Interesse darin, gegen diesen Gigantismus und den damit einhergehenden Fahrertyp im Straßenverkehr vorzugehen.
— Dr.jäh. Budsen (@BodoMdB) March 14, 2022
Also, ich bekunde hiermit mein Interesse und ich gehöre zur Öffentlichkeit. Falls das was hilft. Und damit bin ich sicher nicht allein.
— Waffelsine (@Waffelsine) March 13, 2022
Ich kenne ne ähnliche Geschichte andersrum: Ich fahre in die Gasse neber unserem Haus um zu wenden, stellt sich ein Typ vor mein Auto, blockiert mich und fängt an mich zu bedrohen, ich Feigling soll aussteigen, etc.
— Momo (@moarmopi) March 13, 2022
Irgendwie schaffte ich es den Typen an mein Fenster zu locken und an ihm vorbeizufahren. Er versuchte mir den Außenspiegel abzureißen und schlug wütend an meine Scheibe. Ich habe den kompletten Vorgang auf Video.
Eingestellt. Mangels öffentlichem Interesse.
— Momo (@moarmopi) March 13, 2022
#Autojustiz die so nicht weitergehen kann!
Zum einen besteht sehr wohl öffentliches Interesse. Zum anderen muss der Staatsanwaltschaft die negative Vorbildwirkung klar sein.
Falls nicht, fehlt den Mitarbeitern dort möglicherweise die charakterliche Eignung für den Job.
— BeautifulDowntownMannheim (@MannheimBeauty) March 13, 2022
Mein Mann (Radfahrer) wurde von einem Autofahrer beinahe überfahren, in die Wohnung verfolgt und dann angespuckt. Anzeige. Täter wurde identifiziert. Das Verfahren wurde eingestellt.
— Aura Shirin (@ShirinAura) March 13, 2022
Wahnsinn. Öffentliches Interesse – bedeutet das, dass Straftaten an Personen, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, zwar strafbar sind, aber nicht verfolgt werden? Sorry, ich weiß, falsche Person für die Frage. Aber ich hatte so gehofft, dass es zu einem guten Ende kommt.
— Roman Seidelsohn (@RBloth) March 13, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu haben wir noch das für euch: