Thread: Ich darf meine Schüler*innen wiedersehen
So langsam aber sicher öffnen die Schulen wieder, in vielen Fällen nur eingeschränkt. In Sachsen sind Schulen und Kitas seit Montag sogar wieder komplett offen. Nicht überall ist man glücklich darüber. Es bleibt ein Pokerspiel im Kampf gegen das Coronavirus. Was eine Schulöffnung für Probleme und Herausforderungen mit sich bringt, darüber klärt euch Jakob Arnim-Ellissen in dem nun folgenden Thread auf.
Am Montag darf ich meine Schüler*innen in der Schule wiedersehen. Darauf freue ich mich sehr. Gleichzeitig habe ich Bauchweh, was wir mit diesen Kindern machen (müssen). Achtung, langer Thread! (1/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Die Schüler*innen haben einen fixen Sitzplatz, den sie möglichst nicht verlassen sollen. Die kleinen Pausen werden in der Klasse verbracht, unter Aufsicht einer Lehrkraft. (2/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Es wird Gelegenheiten geben, in den Schulhof zu gehen. Der beschränkte Platz und die Zeit müssen aber auf mehr als 20 Klassen von zwei Schulen aufgeteilt werden. Möglich ist eine Hofpause pro Tag. (3/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Bewegung in der Klasse ist wegen der Abstandsregeln nicht möglich. Jede Art der sportlichen Betätigung ist ohnehin untersagt – drinnen oder draußen. (4/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Davon abgesehen, sollen Schüler*innen also 6 Stunden pro Unterrichtstag im selben Raum und an ihrem Platz verbringen. Bewegung ist kaum möglich. Wenn doch jemand aufsteht, muss ich mir das merken – für den Fall einer Infektion. (5/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Als Lehrer muss ich die Einhaltung der Regeln auch in meiner Planung mitbedenken. Eingeübte Unterrichtsmethoden sind nicht mehr anwendbar. Meine Schüler*innen werden zum 2. Mal in diesem Semester mit völlig neuen Arbeitsweisen konfrontieren. (6/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Dabei haben meine Schüler*innen in den verbleibenden eineinhalb Monaten nur 14 Unterrichtstage. Mittendrin hat eine Gruppe eine unterrichtsfreie Zeit von 11 Tagen. (7/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Der Plan dieser Gruppe: 3xUnterricht, 7xFrei, 2xU, 4xF, 1xU, 11xF, 3xU, 7xF, 2xU, 2xF, 3xU. „Distance Learning“ gar nicht mehr anzubieten, wie es der Minister gesagt hat, ist da wirklich nicht drinnen. Und das ist der offiziell empfohlene Rhythmus. (8/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Wenn ich mich jetzt draußen umschaue, und täglich von der Öffnung neuer Lebensbereiche lese, frage ich mich schon, welchen Stellenwert die Schulen für diese Regierung haben? (9/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Meine Schüler*innen werden an den unterrichtsfreien Tagen in Lokale und Einkaufszentren gehen, sie werden sich im Park und auf Spielplätzen treffen – klassen- und schulübergreifend und weitgehend ohne Aufsicht. (10/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Sie werden draußen, im Fernsehen und Internet erwachsene Menschen sehen, die keinen Abstand halten und keine Masken tragen. Nicht nur im Kleinwalsertal. (11/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Aber in die Schule dürfen sie nur alle paar Tage. Und sollen dort strengere Regeln einhalten, als irgendwo sonst. Wie viel Zeit werde ich als Lehrer wohl mit diesen Regeln verbringen (müssen)? (12/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Kommen wir zu einem Spezialthema: Eine meiner Gruppen ist eine Deutschförderklasse. Deren Deutschlehrerinnen sollen einen großen Teil der verbleibenden Zeit damit verbringen, die Kinder zu testen. (13/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Dabei wissen sie längst, welche Kinder den MIKA-D-Test schaffen werden und welche nicht. Warum nutzt man dieses Wissen nicht? Dann könnten sie in Ruhe mit den Kindern Deutsch lernen. (14/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Was völlig fehlt, sind kreative Lösungen der politisch Verantwortlichen. Sperrt die Straßen vor den Schulen und gebt uns den Platz für Unterricht und Bewegung im Freien. Bringt uns in Museen und Ausstellungen. (15/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Mietet ohnehin leerstehende Seminar- oder Veranstaltungsräume an, damit mehr Unterrichtstage möglich sind. Das scheitert in erster Linie am Platz und nicht am Personal. (16/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Wo Personal fehlt, holt Künstler*innen und Sportler*innen an die Schulen. Wir können sowieso nicht sechs Stunden durchgehend „Stoff machen“. Warum nicht die Chance nützen, neue Blickwinkel reinzubringen? (17/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Öffnet große Sportplätze und Parks für Schulklassen. Wenn Athleten mit Abstand trainieren dürfen, warum dürfen sich die Kinder nicht bewegen? (18/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Das alles kostet Geld? Stimmt wahrscheinlich. Aber sollte es uns das nicht eigentlich wert sein? Der Staat gibt im Moment zu Recht sehr viel mehr Geld aus als sonst. Warum nicht auch für Bildung? (19/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020
Für einiges davon ist es wahrscheinlich längst zu spät. Aber auch kleinere Verbesserungen würden helfen. Außerdem sollte sich schon jetzt jemand Gedanken darüber machen, wir wir mit der nächsten Epidemie umgehen wollen. (20/20)
— Jakob Arnim-Ellissen (@jaae) May 16, 2020