Thread: Ich bin müde
Deutschland befindet sich seit einer Woche im Wellenbrecher-Shutdown und die täglichen Infektionszahlen sind weit davon entfernt, dass wir bald mit Lockerungsmaßnahmen rechnen können. Die Zahl der intensivmedizinischen Behandlungen steigt weiter rapide an. Wenn sich die Lage nicht bald entspannt, so schätzen Experten, könnten die Kliniken in drei bis vier Wochen bereits hoffnungslos überlastet sein. Bereits jetzt müssen vereinzelt Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden. Um so unverständlicher sind solche Bilder, wie wir sie gestern aus Leipzig gesehen haben, wo Querdenker, Corona-Schwurbler, Esoteriker und Neonazis Seite an Seite gegen die Corona-Politik der Bundesregierung protestiert haben. Ohne Masken, ohne Abstand und vor allem ohne Respekt und Anstand für all jene, die tagtäglich gegen das Virus und für das Überleben der Infizierten kämpfen. @hospital_porter hat seinem Ärger Luft gemacht.
Ich bin müde.
Wir gehen allen unseren Berufen nach.
Wir auf der Intensivstation. Auf den Normalstationen, dem OP, der Anästhesie, der Psychiatrie, in den Kinderkliniken, dem Labor und den vielen anderen Bereichen eines Klinikums.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Wir sind, wenn man es mit etwas Pathos sagen möchte, die letzte Instanz vor der Ewigkeit.
Und das stimmt wirklich.Covid-Patienten sind einsam.
Sie sehen wochenlang kein bekanntes Gesicht.
Sie sehen eigentlich gar kein Gesicht.
Sie sehen nur vermummte Menschen.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Sie sehen nur Augen.
Augen die durch Schutzbrillen gucken.Covid-Patienten sind einsam.
Und sie sterben einsam.
Das Letzte was sie in ihrem Leben sehen sind vermummte Menschen.
Und Augen die durch Schutzbrillen gucken.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Keine vertraute Stimme ist bei ihnen, kein vertrautes Gesicht, keine vertrauten Augen und Hände.
Kein Lächeln. Nur vermummte Gesichter. Fremde Augen.Covid-Patienten leiden.
Wir leiden mit ihnen.
Sie kämpfen.
Wir kämpfen mit ihnen.
Wir kämpfen um sie.
Um jedes einzelne Leben.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Wir kämpfen einen Kampf, der keinen Sieger kennt.
Wir alle verlieren.
Unseren Verstand, unseren Beruf, unsere Gesundheit, vielleicht unser Leben.Ich bin müde.
Müde vom Anblick der Coronaleugner.
Müde vom Anhören irgendwelcher kruden Ideologien.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Müde vom ganzen Hass und der Häme.
Müde von einer Gesellschaft, in der einige wenige so laut sind, dass sie die große Masse der Vernünftigen, der Leisen, völlig übertönt.Ich bin müde.
Von Fake-News, verdrehten Fakten, Populismus und Verschwörungsphantasien.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Menschen wie bei den Querdenker-Demos in Berlin, in Leipzig und anderswo machen mich müde. So müde.
Wir kämpfen hier um jedes Leben. Nicht nur um das von Covid-19-Erkrankten.
Doch diese werden in den nächsten Wochen die Krankenhäuser dominieren.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Wir kämpfen, andere leugnen, relativieren, lügen.
Es ist ihre Welt. Ich lebe in meiner.
Und in meiner Welt möchte ich bald nicht mehr kämpfen.
Nicht für diese Menschen.
Nicht für diesen Teil der Gesellschaft.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Ich merke, wie ich mich so langsam innerlich von meinem Beruf verabschiede.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass sich Dinge ändern.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass mein Beruf noch etwas wert ist.
Er ist ramponiert. Absichtlich. Für Jahrzehnte. Vielleicht für immer.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Ich bin müde.
Wir sind müde.
Müde von den Demütigungen der Menschen. Ihren Vorurteilen. Ihrer Gehässigkeit.
Müde von der Politik.
Einer Politik der Phrasen, der Phantasien, der Schuldzuweisungen, der Verantwortungslosigkeiten.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Mein Beruf, die Pflege, stirbt.
Sie stirbt vor unseren Augen.
Wir schauen zu und machen nichts.
Die Politik schaut zu und macht #Ehrenpflegas.Ich bin einfach nur so müde.
Ich werde mich bald umdrehen.
Und ich werde gehen.
Gehen aus meinem Beruf.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Und es wird sich niemand dafür interessieren.
So wie es niemanden interessierte, dass viele tausend Menschen in den letzten Jahren diesen Beruf verlassen haben. Aus Frust. Aus Müdigkeit.
Man hat es nickend hingenommen.
Schweigend mit den Schultern gezuckt.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Ich bin seit 18 Jahren Intensivpflegefachkraft.
18 Jahre und 1 Monat.
6612 Tage. Unzählige Minuten.Noch nie war ich so müde wie heute.#pflegenotstand#Pflege #coronavirus #pflexit
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020