Thread: „Ich bin eine Rassistin“
In Deutschland sind am Wochenende hunderttausend Menschen gegen Rassismus auf die Straße gegangen. Das ist ein wichtiges Signal, aber reicht das schon aus, um etwas zu ändern? Nein, denn viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass sie Alltagsrassimus bedienen oder von ihm profitieren. Hier ist jede Menge Aufklärungsarbeit und Selbstreflexion gefragt. Mit dem folgenden Thread von @BeiAnja wollen wir einen kleinen Teil dazu beitragen.
Wissta, ich reiße nicht groß die Fresse auf und zeige überheblich, dass ich keine Rassistin sei.
Das wäre nämlich gelogen. Ich bin eine Rassistin. Oder sagen wir mal: ich habe in mir rassistische Einstellungen und Gedanken. Und das ist mir – scheiße nochmal – echt peinlich!— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Wie jetzt?
Ich oute mich als Rassistin und es ist mir peinlich? Dann kann ich doch einfach damit aufhören, oder?
KANN ICH NICHT!
Es steckt nämlich tief in mir. Wurde anerzogen. Steckt in 1001 Alltagsgedanken. Und die muss ich Schritt für Schritt herausfiltern.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Fangen wir mal am Anfang an:
Ich komme vom Dorf. Ein kleines idyllisches Dorf in Westfalen. 80er Jahre. Wir hatten eine türkische Familie im Dorf. Ansonsten nur Deutsche.
Da war jede Menge Platz für Vorurteile und „Meinungen“.
Ich konnte mich dem gar nicht entziehen.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Ich nenne dieses Gedankengut „Alltagsrassismus“. Es sind die Einstellungen gegenüber Menschen aus anderen Ländern. Die Franzosen sind alle so… die Italiener alle so… und die Polen alle so …
Ich wiederhole die Vorurteile nicht. Ihr kennt sie. Ich kenne sie.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Sie kommen mir zwangsläufig in den Sinn, wenn ich einen Menschen aus einem bestimmten Land treffe.
Das ist gemein.Dicht verwoben sind kulturelle Merkmale und rassistische Einstellungen. Das ist echt fies. Man muss so genau gucken, wo die Grenze ist. Oft ist das nicht eindeutig.
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Ich habe die Vorurteile gegenüber Ausländern und ethnischen Rassen bereits als Kind eingeimpft bekommen. Das war normal. Keiner machte sich darüber Gedanken. Ich also auch nicht.
Nun stehe ich da und muss sie immer wieder bekämpfen. WILL sie bekämpfen, weil sie …
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
… dumm und falsch sind. Weil ich auch möchte, dass mir die Leute vorurteilsfrei begegnen. Weil ich nur erwarten kann, was ich auch selbst imstande bin zu geben.
Meine Eltern hielten sich übrigens für extrem liberal und offen. Sie hätten NIE gesagt, dass sie rassistisch sind.
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Und im Rahmen des Gedankenguts der 80er Jahre waren sie auch offen. Und vorurteilsfrei.
Aber eben nur in diesem Rahmen.Mein Vater hat beispielsweise mal eine Kneipenschlägerei angezettelt, weil jmd. seinen Freund aus Israel beleidigt hat.
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Meine Mutter war stets bemüht, einen guten Kontakt zu der erwähnten türkischen Familie aufzubauen, sie zu integrieren.
Sie wären nie auf die Idee gekommen, dass sie andererseits rassistische Dinge taten oder rassistisches Gedankengut in sich trügen.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Ich hatte mir dieses Verhalten abgeguckt und daher war ich auch lange lange Zeit der ab-so-lu-ten Überzeugung, KEINE Rassistin zu sein.
Tja… aber dann fingen Menschen an, über Rassismus aufzuklären und ich fühlte mich ziemlich häufig ertappt.
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Diese Erkenntnis tat – nein TUT – weh. Ich will so nicht sein!
Ich habe den Kampf gegen meinen inneren Rassismus aufgenommen. Ich entlarve Entschuldigungen und Einstellungen. Ich entlarve mich selbst.
Und deshalb finde ich es wichtig, dass Betrofffene über Rassismus aufklären.
— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Und deshalb kann ich nur um Vergebung bitten, wenn ich mich wie ein rassistischer Idiot angestellt habe und anstelle.
Es tut mir leid.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 5, 2020
Danke für das viele viele Feedback!
Ihr seid der Hammer!Mal kurz zum Schubladendenken:
Klar ist das normal. Jeder Mensch denkt in Schubladen und hat Vorurteile.
Das Problem ist, wenn diese Vorurteile das eigene Handeln bestimmen lassen und man sie nicht entlarvt.— ⭐️Sternchen⭐️ (@BeiAnja) June 6, 2020