Thread: Ich bin 52 Jahre alt
Wie heißt es doch so schön? Die Zeiten ändern sich. Ne, Halt, Moment. Die Zeiten ändern DICH!? Wie auch immer, die Arbeitswelt ist in Bewegung. Kaum ein Job ist heute noch so, wie er es vor zwanzig oder vielleicht dreißig Jahren war. Das liegt zum einen an den Modernisierungseffekten, die Digitalisierung und Globalisierung mit sich gebracht haben, zum anderen ist das eine gesellschaftliche Entwicklung. Work-Life-Balance war in den 80er- oder 90er-Jahren nicht annähernd ein so großes Thema wie heute. Auch die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt ist eine ganz andere. Während man früher oft ein Leben lang in seinem erlernten Beruf blieb, wechseln viele ihr Tätigkeitsfeld heute schon nach wenigen Jahren. Auch haben sich die Rollenbilder – zumindest ein bisschen – weiterentwickelt. Allerdings gibt es nicht nur positive Effekte, bedingt durch den harten Arbeitsmarkt und seine Charakteristika. Das Thema Ellenbogengesellschaft wird dabei immer wieder genannt. Empathie, Hilfsbereitschaft, Fleiß und Aufopferung scheinen in manchen Berufen immer seltener zu werden. Oft liegt das aber nicht daran, dass die jüngeren Arbeitnehmer dies nicht mehr mitbringen, sondern weil die Rahmenbedingungen der Berufe das teilweise gar nicht mehr hergeben. Viele Jobs sind so unglaublich hart durchgetaktet und mit hohem Druck und Anforderungen verbunden, dass es kein Wunder ist, wenn Softskills auf der Strecke bleiben. Und weil der Umgang mit den übertragenen Aufgaben so unterschiedlich ist, werden dabei oftmals „alte“ gegen „jüngere“ Mitarbeiter ausgespielt. Der Twitteruser @R_A_T_G_S hat sich die Zeit genommen, den nun folgenden Thread zu schreiben, der genau diese Punkte aufgreift.
Ich bin 52 Jahre alt.
Seit 1997 im selben Unternehmen
Seit 1986 durchgehend am Arbeiten.
Ich arbeite gerne mit jungen Kollegen zusammen, zeige ihnen alles, was ich weiß und lerne auch von ihnen.
Ich versuche, nicht stehenzubleiben.
Bin offen und lernbereit. 1/x— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Ich habe heute hier viel gelesen über junge Leute und ihre Auffassung von Arbeit, über Work Life Balance, über arbeiten um zu leben statt leben um zu arbeiten…
Über Aufopferung meiner Generation, damit andere sich die Taschen voll machen.2/x
— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Ich kann euch aus meiner Erfahrung sagen:
Ich finde es gut, dass Arbeitnehmer heute anspruchvoller sein dürfen, ich finde es gut, dass Bewerber „Ich melde mich“ sagen können und nicht Arbeitgeber „wir melden uns“.
Ich finde das alles gut.
3/x— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Aber ich muss ehrlich gestehen, so sehr ich viele meiner jungen Kollegen auch schätze, ich beobachte auch, dass es zwischen dem, was gefordert wird und dem, was dafür geleistet wird oft ein riesen Gefälle vorherrscht.
Und die Ellenbogen werden öfter rausgeholt. 4/x— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Jeder will nur noch seinen Bereich sauber haben, es wird nicht über den Tellerrand geschaut, Kollegialität wird egaler, nicht zuletzt sicher aufgrund neuer Arbeitsmodelle wie Homeoffice usw,
Auch das ist eine Entwicklung, mit der wir Alten umzugehen lernen müssen. 5/x— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Ein Stück weit ist das ja auch die Generation, die wir so erzogen und geformt haben.
Also kein Grund, sich zu beschweren.Fazit für mich also,
es ist nicht alles geil, weils neu ist, aber es ist auch nicht alles Scheisse.
6/x— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Wäre schön, wenn die Generationen sich nicht gegenseitig zerfleischen würden, und stattdessen einfach voneinander abschauen, was war früher gut? Was ist heute besser? Und dann zusammen was Gutes daraus machen.
Vorwürfe wurden genug gemacht.
7/7
— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 10, 2022
Ich habe einen Punkt vergessen.
Unternehmenskultur.Viele Arbeitgeber, Abteilungsleiter, Personaler haben noch nicht begriffen, dass die Zeiten sich ändern.
Diese Selbstgefälligkeit wird vielleicht manchen das Genick brechen.— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 11, 2022
Schreiben: „Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut“
Leben: „Reisende soll man nicht aufhalten.“
„Immer höher, schneller, weiter…“Außendarstellung top.
Realität Stand 1970— Rage Against The Gesamtsituation (@R_A_T_G_S) September 11, 2022
Das sagen andere User:
Kommt euch das bekannt vor? Hinterlasst uns doch einen Kommentar und berichtet von euren Erfahrungen. Die treffendsten Antworten und Reaktion der Leserinnen und Leser haben wir hier für euch gesammelt:
Ich glaub ich gehöre zu den Älteren.
Und ich habe von den Jungen gelernt.
Hab bei meiner grade begonnen Beförderung nicht mehr Geld rausgeschlagen sondern weniger Stunden bei gleichem Gehalt.
viel gesprochen mit meinem Chef. Mittlerweile versteht er es und hat dem so zugestimmt.— Lars (@Ulmer_Eisbaer) September 10, 2022
Mit 45 bin ich bestimmt auch schon älter, ich arbeite aber schon seit 1998 „nur“ 30 Wochenstunden, weil ich schon immer mehr Zeit zum leben als zum arbeiten haben wollte.
— eumel_wuppti (@EumelW) September 11, 2022
Das „einfach mal einen Schritt mehr machen als notwendig“ ist oft nicht mehr da. Das liegt aber wohl auch an der von dir angesprochen Firmenkultur/Mentalität.
Die Unglaubwürdigkeit bezüglich Wertschätzungsangebot und tatsächlicher Firmenkultur ist ein riesen Problem.— Angelrat666 (@Angelrat666) September 11, 2022
Fühle ich, bei uns bisher nur 1 Kündigung, aber da niemand neues eingestellt wird und jetzt schon alle überlastet sind sehe ich schon die nächsten Kündigungen kommen. Sehr schade.
— Pharmazeutin in Pink (@pink_pharma) September 11, 2022
Du bist richtig👍 nicht noch mehr Gräben schaffen! Es sollte kein „Die und Wir“ geben, sondern „Uns“
— Andi-👠Bar-jetzt (@BarJetzt) September 10, 2022
Genau so. Keine Gräben auf. Ich arbeite als später Gen-X er und hatte über Jahre ein reines Millenial-Team. Wir haben gegenseitig voneinander gelernt und Großes bewegt (+ Spaß gehabt + uns nicht aufgerieben)
— Der P hat Ideen. 🌻 🐘 (@JPProeger) September 11, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Passend dazu hätten wir noch das: