Thread: Halbe Klassen brauchen doppelt so viele Lehrkräfte, oder?
Spätestens in der vergangenen Woche wurde deutlich, dass die deutsche Politik eigentlich so gut wie gar kein Konzept für ihre andauernde Forderung „Die Schulen müssen offenbleiben!“ in der Schublade liegen hat. Außer natürlich, dass die Lehrerinnen und Lehrer doch auch bitte im kalten Dezember weiter ausreichend Lüften sollen. Ganz nebenbei gab es dazu kluge Ratschläge wie „Halbe Klassen brauchen doppelt so viele Lehrkräfte!“. Doch stimmt das so wirklich? Twitteruserin @DieRina4, selbsternannte „Lehrertrulla aus NRW„, klärt in ihrem Thread auf – und legt ganz nebenbei recht anschaulich dar, wie Unterricht heutzutage so abläuft oder ablaufen könnte.
So, liebe #Stamp s, #Gebauer s, #Laschet s und Co. Jetzt möchte ich Ihnen aus geheimer Insider-Perspektive eine praktikable Lösung für das „Halbe Klassen brauchen doppelt so viele Lehrpersonen“ – Problem, mit dem Sie derzeit alle Hybridkonzepte abschmettern, vorstellen. 1/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Ich gebe zu, es hat etwas mit – tadaa! – Magie zu tun, wir Lehrer:innen können nämlich zaubern. Aber etwas Magie in dieser dunklen Zeit ist doch was Schönes. 2/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
So wie wir täglich Viren aus den Klassenräumen zaubern, volle Lehrplaninhalte in durch „Lüfte- oder Powerpausen“ stark verknappten Unterrichtsstunden in froststarre Kinderhirne zaubern, so gibt es auch noch einen magischen Verdoppelungszauber, der übrigens bereits 3/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
von vielen Kolleg:innen angewandt wird, WEIL in kaum eine Lerngruppe wegen Quarantänen noch vollständig in der Präsenz anwesend ist. 4/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Zunächst einmal: Unterricht bedeutet NICHT: Lehrende:r redet 45 min., Schüler:innen hören zu und schreiben ab. Unterricht besteht aus Phasen. 5/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Solche Phasen sind z. B. Einstiege, das können Bilder sein, Hörbeispiele, kurze Videos, Zitate usw. Diese kann man zu Bginn einer Stunde magisch digital auf die Geräte der Schüler:innen zu Hause zaubern. 6/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Das Unterrichtsgespräch zu diesen Einstiegen kann man per Videokonferenz genau so gut nach Hause zaubern. Derzeit meist zu – sagen wir 5 von 30 Schüler:innen, die in Quarantäne sind, aber – das wird Sie erstaunen – die digitale Magie macht keinen Unterschied, 7/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
ob es 5 oder 15 Kinder/Jugendliche/junge Erwachsene zu Hause empfangen. 8/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Ein Wunder? Mitnichten. Übrigens haben wir an unserer Schule Richtmikrofone angeschafft, die man in Klassenzimmer legen kann, so dass auch das Gespräch aus dem Klassenzimmer zu Hause gut verfolgbar ist. 9/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Nun sagen wir mal, nach 10 Minuten Höndewaschen gebe ich so einen Einstiegsimpuls rein und rede mit der anwesenden Klasse darüber. Die Schüler:innen zu Hause machen sich Notizen oder – whoooooah – melden sich digital und beteiligen sich sogar am Unterrichtsgespräch! 10/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Dann geht unser Timer. Lüften. 5 Minuten, in der die Präsenzschüler:innen Pause haben, 5 Minuten, um die Distanzlernenden anzusprechen, über Chat oder Videoschalte und Verständnisprobleme zu klären. 11/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Wir Lehrenden sollen ja laut Handelsblatt mehr Einsatz zeigen – dem ist hiermit entsprochen, Zeit sinnvoll genutzt. 12/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Lüften vorbei, nächste Phase. Erarbeitung. Die im Einstieg angeleitete Problematisierung wird vertieft erarbeitet, z. B. durch eine Textarbeit, eine schriftliche Übung oder ähnliches. 13/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Schon wieder Magie – das dazu notwendige Buch haben auch zu Hause Lernende, Arbeitsblätter kann man wieder digital zu ihnen zaubern. Hui, ist ja wie bei Harry Potter! 14/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Erarbeitungsphasen können still bei jedem Lernenden alleine stattfinden, in Partnerarbeit oder in Kleingruppen. Während dieser „stillen“ aka selbstständigen Phasen wirkt schon wieder der unglaubliche Verdoppelungszauber. 15/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Der/die Lehrer:in kann vor Ort UND digital gleichermaßen alle Schüler:innen dabei unterstützen. Mehr Einsatz und so… 16/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Ja, da schmiert schon mal bei der Einen oder Anderen das Netz ab, aber auch in der Präsenz klettert manchmal draußen vor dem Fenster ein Eichhörnchen in einem Baum herum, oder es sitzt eine Spinne im Klassenraum – dann wirkt der beste Lehrerzauber auch vor Ort nicht mehr. 17/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Nun ist diese Erarbeitung rum und es geht an sowas wie „Sicherung“, idealerweise sogar noch an eine „Transferphase“. Das heißt, wir sammeln und bündeln Ergebnisse. An einer Tafel, in einer Power Point-Präsentation, in einer Word-Datei. 18/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Das Stundenende nähert sich, die Zeit wird knapp, die nächste Lüftpause naht…Zack! Wieder gezaubert! Ein Tafelbild wird abfotografiert, die Datei per Zauberbesen aus Hogwarts fix an die heimischen Rechner der Distanzlernenden 19/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
(aka derzeit in Quarantäne befindlichen Schüler:innen) gesendet und schon hat jede/r Lernende alles Materialien vollständig vorliegen. 20/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Ins Klingeln der Schulglocke noch schnell eine Hausaufgabe reingebrüllt, Besen nochmal losgeschickt…Sie wissen schon. Alles da. Lehrkraft verdoppelt. 21/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Die zu Hause Lerndenden könnten trotzdem nicht alles mitbekommen? Ich verrate Ihnen ein schulintern penibel gehütetes Geheimnis: Auch im Präsenzunterricht bekommen in den seltensten Fällen ALLE Schüler:innen IMMER ALLES mit. 22/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Das sind nämlich Menschen, keine Roboter. Die bekommen nur NOCH VIEL WENIGER mit, wenn sie in dicken Jacken bei 13 Grad Raumtemperatur lernen sollen. 23/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Und die bekommen NOCH VIEL WENIGER mit, wenn sie unkontrolliert alle 3 Wochen in neue Quarantänen geschickt werden und kein Mensch so richtig weiß, wie sie sich jetzt was an Unterrichtsstoff organisieren sollen und können. 24/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Die würden aber SEHR VIEL MEHR mitbekommen und LERNEN, wenn es ein klares Teilungskonzept gäbe, und sie genau wüssten, dass sie sich zu Hause zu den regulären Unterrichtszeiten vor ihren Geräten einfinden können und dort UNTERRICHT erleben. 25/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
ECHTEN Unterricht. Keine Notbeschulung, um sie irgendwie mitzuschleifen während der Quarantäne. 26/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
Die Mär von der „Bildungsgerechtigkeit“ während der aktuellen realen Zustände an Schulen ist eine zutiefst verlogene, zynische Worthülse, die kaschieren soll, WER in den vergangenen Monaten keine echten, innovativen Konzepte entwickelt hat. 27/
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020
„Die Lehrer:innen“, oder „die Schulen“ waren es jedenfalls nicht. 28/28
— Die Bina NRW (@DieRina4) November 17, 2020