Thread: Finden Armutsbetroffene das Entlastungspaket hilfreich?
Wenn ihr unseren Beitrag zum dritten Entlastungspaket, das die Bürgerinnen und Bürger um 65 Milliarden Euro entlasten soll, gelesen habt, wisst ihr bereits, dass wir nicht zu denjenigen gehören, die deswegen Jubelsprünge gemacht haben. Zum einen, weil wir es von Anfang an befremdlich fanden wie sehr sich die Verantwortlichen bereits im Vorfeld auf die Schulter geklopft haben, zum anderen weil viele der Maßnahmen doch recht nebulös, nicht sehr durchdacht oder zielgerichtet wirken. Die Idee und die grundsätzliche Richtung finden wir gut, aber der größte Makel dieses Paketes ist neben seiner unklaren Wirksamkeit die Tatsache, dass Armutsbetroffene sprichwörtlich im Regen stehen gelassen werden. Sicher, sie kommen im Maßnahmenkatalog vor, jedoch müssen sie bis zur Umsetzung mindestens noch vier Monate überbrücken und bekommen dann auch nur eine minimale Entlastung, die sie eigentlich schon seit Anfang des laufenden Jahres gebraucht hätten. Führende Ökonomen und Wirtschaftsexperten sehen das Paket ebenfalls skeptisch, ganz zu schweigen von den vielen Sozialverbänden. Aber viel wichtiger ist eigentlich, wie es die Betroffenen selbst sehen, was die Bundesregierung da für sie bereithält. Und deswegen übergeben wir an dieser Stelle das Wort an die Twitteruserin und Begründerin des Hashtags #IchbinArmutsbetroffen. @Finkulasa hat ihre Gedanken, Sorgen und Ängste in dem nun folgenden Thread erklärt.
#Entlastungspaket #IchBinArmutsbetroffen
Ein Thread🧵
Finden Armutsbetroffene dieses gerühmte Paket hilfreich?
Kurz: nein!
Wieso?
Lang: weil es uns nicht hilft!
Wir stehen an den Kassen und wissen nicht mehr weiter!
Wir schreien nicht aus Geldgeilheit, dass wir Panik vor
/— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
der nächsten Stromrechnung haben. Wir werden nicht laut, weil wir 2 mal im Jahr in den Urlaub wollen.
Wir wollen relativ ANGSTFREI leben! Mehr nicht!
51€ sind für Betroffene ein Schlag ins Gesicht und kein „Anfang“. Es zeigt uns nur einmal mehr, dass wir nicht Ernst genommen /— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
werden!
Das #NeunEuroTicket hat vielen von uns geholfen. Aufstockenden Menschen, erwerbslose Menschen die endlich ohne auf Essen zu verzichten, Arztbesuche und kleinere Unternehmungen machen konnten.
Ein Ticket, welches mehr kostet als im Regelsatz dafür vorgesehen ist( was /— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
jetzt schon bei einiges Sozialtickets der Fall ist, wenn überhaupt eins vorhanden ist) blanker Hohn für #IchBinArmutsbetroffen/e!
Ich spreche nicht ab, dass es für einige hilfreich und attraktiv ist, ich spreche spezifisch von Menschen in meiner Situation.„Ein erster Schritt“/
— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
wäre das Anpassen der Regelsätze auf das von der @Paritaet errechnete Niveau.
„Ein erster Schritt“ wäre es, Betroffenen zuzuhören und Sorgen und Ängste Ernst zu nehmen.
„Ein erster Schritt“ wäre es, betroffene Menschen in Beratungen zu integrieren, statt über sie hinwegzusehen!/— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
Das Entlastungspaket ist für #IchBinArmutsbetroffen/e keine Entlastung.
„Wuchtig“, „Lassen keinen im Stich“…
Stfu!!Ihr lasst Menschen zurück.
Immer und immer wieder.Und dann beginnt das „wie undankbaaar“ Genöle.
Wir sind nicht undankbar, wir sind uns des Wortes /— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
Sozialstaat zb bewusst. Wir kritisieren. Und das zu RECHT, denn was „sozial“ ist, was „gerecht“, das haben dann doch offensichtlich zu viele Politiker völlig vergessen!
Ich blende aus und blocke. Sparts euch die Zeit🤷♀️
— AikO (@Finkulasa) September 4, 2022
Das sagen andere User:
Nichts Halbes und nichts Ganzes, so lässt sich das Paket eigentlich ganz gut beschreiben. Wenn die Ampelkoalition hier nicht entsprechend nachsteuert oder mit einem vierten Paket die Lücken des dritten ergänzt, verspielt sie wertvolles Vertrauen und sorgt indirekt mit für die Destabilisierung des sozialen Friedens, der ohnehin von Rechtspopulisten und Russlandfreunden torpediert wird. An dieser Stelle wollen wir natürlich noch ein paar andere Twitteruser*innen zu Wort kommen lassen. Ein paar der treffendsten Antworten und Einschätzungen zum Paket haben wir hier für euch gesammelt:
Das geht aber nicht nur Armutsbetroffenen so. Wir (2 Vollverdiener und 11jährige Tochter) haben auch Angst. Trotz zweier „anständiger“ Gehälter reicht es gerade so.
— Kati Mi (@KamaemMi) September 4, 2022
Absolute Zustimmung, das ist nicht auf Augenhöhe, sondern unter der Gürtellinie.
— Devilsgift (@Devilsgift82) September 4, 2022
Was mich am meisten stört ist, dass man immer wieder in finanzielle Not gerät, wenn man auf Sozialleistungen angewiesen ist. Die Bearbeitungszeiten von Folgeanträgen sind viel zu lang. Auch das sich Arbeit nicht mehr lohnt (v.a. Mit Kindern!) darf nicht sein. Ich bin so wütend
— Aysha_Beste (@AyshaBeste) September 4, 2022
Statt die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aufzuheben, gibt es einmalig Geld. Jeder der Armutsbetroffen ist braucht zwingend Lebensmittel, da kann man nicht drauf verzichten. Da hilft kein Tankrabatt und kein 60 Euro Ticket oder einmalig 100-200 Euro.
— Max mustermann (@Maxmust42439942) September 4, 2022
#Regelsatz von 500 Euro zum 1.1 ist genau so ein schlechter Witz wie die Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro. #Entlastungspaket
— Ulrich Schneider (@UlrichSchneider) September 4, 2022
Volumen drittes #Entlastungspaket: 65 Milliarden Euro. Hilfen für die Ärmsten in Grundsicherung noch in diesem Herbst: 0 Euro. Zielgerichtete Entlastung und solidarische Krisenbewältigung stelle ich mir anders vor. #ArmutAbschaffen #YNWA
— Gwendolyn Stilling (@GStilling) September 4, 2022
der bisher gut 5€, die in Regelsatz für Essen/alkoholfreie Getränke eingeflossen sind. Und die hatten nachweislich schon nicht ausgereicht, um *gesunde* Ernährung zu finanzieren.
— Martin Rücker (@martinruecker) September 4, 2022
Stromkosten in #Hartz4 lassen sich nicht pauschalieren und schon gar nicht vom viel zu geringen Regelsatz bezahlen. Die zusammen mit energieeffizienten Geräten zu übernehmen, wäre ökosozial. Das #Entlastungspaket ist es nicht.
— Joachim Rock (@JoachimRock) September 4, 2022
Es drängt sich ja der Gedanke, dass diejenigen das Entlastungspaket ganz gut finden, die es garnicht so dringend brauchen.
— Ines Schwerdtner (@inesschwerdtner) September 5, 2022
Der Witz an diesem sogenannten #Entlastungspaket ist, dass allein die Fortführung des #9EuroTicket eine größere Entlastung dargestellt hätte als dieser Flickenteppich aus Almosen und Absurditäten.
— Robert Fietzke (@robert_fietzke) September 4, 2022
will die party ungern stören, aber kindergeld wird bei sozialleistungsempfänger*innen mit angerechnet. die erhöhung wird bei den ärmsten also NICHT ankommen. die leidtragenden sind wie immer die kinder, jedes 5. kind lebt in deutschland in armut. #entlastungspaket
— asha hedayati (@frauasha) September 4, 2022
Schon jetzt ist klar, dass der Nachfolger für das #9EuroTicket für Menschen mit wenig Geld VIEL zu teuer sein wird. Schon wieder werden sie ausgeschlossen. Der Betrag muss bei der Neuberechnung der Regelsätze beachtet werden!#Entlastungspaket
— Tafel Deutschland e.V. (@Tafel_DE) September 4, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Zum Thema Armut haben wir noch das hier: