Thread: Eure beschämendsten Momente
Deutschland gilt gemeinhin als reiches Land. Armut? Gibt es hier bei uns doch überhaupt nicht! Und dennoch sollte mittlerweile eigentlich jeder mitbekommen haben, dass Einkommen und Vermögen heute ungleicher verteilt sind als noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Studien kommen seit Längerem zu dem Ergebnis, dass in Deutschland Reiche meist reich bleiben und Arme meist arm. Dass Bildungs- und Karrierechancen ebenso wie der soziale Statuts extrem stark vom Elternhaus und damit verbunden eben auch „vom Geld“ abhängen.
Laut aktuellem „Paritätischen Armutsbericht“ beträgt die Armutsquote in Deutschland gegenwärtig 15,9 Prozent, was gleichzeitig der höchste Wert seit der Wiedervereinigung ist. In diesem Zusammenhang warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband davor, dass die Effekte der Corona-Krise Ungleichheit und Armut in unserem Land noch weiter verschärfen werden. Weil sich viele Menschen schlicht nicht vorstellen können, was es heißt, in einem Land wie Deutschland „arm“ zu sein oder in Armut leben zu müssen, wollen wir euch heute den Thread von @DaniBrodesser ans Herz legen. Ergreifend ehrlich und am Ende vor allem eines: beschämend und traurig.
An alle, die armutserfahren sind: was waren die beschämendsten Momente, die euch widerfahren sind?
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Bei mir war es der Tag, an dem ich mit den Kindern im Freibad war (ca. 5 Euro Eintritt, das einzige Mal in jenem Sommer) und mir unser damaliger Vermieter vor versammelter Nachbarschaft eben diesen Ausflug vorgeworfen hat, da wir noch eine halbe Monatsmiete schuldig waren.
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Oder als mir mein damaliger Chef eines Gasthauses vorgeworfen hat, ich würde stehlen „weil ich es ja nötig hätte“. Es hatten 100 Euro bei der Abrechnung gestohlen. Er hatte den 100er selbst rausgenommen um einzukaufen, aber vergessen, es einzutragen. Eine Entschuldigung kam nie.
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Auch einer meiner Favoriten: „FreundInnen“, die mir erklären wollten, ich solle doch bei einer Erotikhotline anfangen zu telefonieren (Respekt vor allen die das können, ich kann es nicht) und auf meine Ablehnung mit „na schau, du willst ja gar nicht arbeiten“ reagierten!
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Oder die Sozialberatungsstelle, die mir geraten haben, die Scheidung einzureichen, eine eigene Wohnung zu suchen, denn dann würde ich Mindestsicherung bekommen. Wir sollten nur so tun als würden wir uns scheiden lassen. Auf meine Antwort dass wir das aber als Familie durchstehen
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
möchten und ich meinen Mann nicht in noch mehr Schwierigkeiten bringen möchte (er hätte sich alleine die Wohnung niemals leisten können, und es wären dann ja auch die Alimente dazu gekommen) kam ein lapidares: na, wenn Sie nicht wollen dann können wir auch nicht helfen.
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Zur Info: wir haben nie BMS bekommen da mein Mann freier Dienstnehmer war. Also eher Scheinselbständiger. Und da fällst aus fast allen Unterstützungen raus.
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Die wiederholen sich eigentlich ständig, wenn ich selbst guten/ engen Freunden/ Verwandten immer wieder sagen muss, dass diese „nur 5/10/15€“ für mich trotz des „nur“ nicht gehen & es auch dort, wo es „eh günstig“ ist, meistens immer noch zu teuer ist. Das finde ich am
— dieJanki (@dieJanki) January 12, 2021
beschämendsten, weil die das auch im Alltag mitkriegen & es trotzdem offenbar entw. nicht verstehen o. nicht ernstnehmen, obwohl ich ü. alle Schamgrenzen hinweg offen bin.
Bei Fremden ist das selten, woher sollen die’s wissen, solange ich noch aufrecht & erhobenen Hauptes gehe.— dieJanki (@dieJanki) January 12, 2021
Es sind so viele, dass ich schwer entscheiden kann. Ich wurde mal ungläubig ausgelacht, weil ich noch nie verreist war.
— 𝚖𝚊𝚛𝚕𝚒𝚎𝚜. (@outerspace_girl) January 12, 2021
Bei Klassenfahrten war ich immer ganz zufällig „krank“. Meine Mutter hat mal geweint, als die Schule eine Auslandsreise beschlossen hat, aber uns war dann schnell klar, ich werde eh krank sein.
— 𝚖𝚊𝚛𝚕𝚒𝚎𝚜. (@outerspace_girl) January 12, 2021
Meine beschämendste Erfahrung ist, dass mir die Zinsen von meinem Schmerzensgeld aus der verpfuschten Rückenop seit der ich im Rollstuhl sitze, vom Sozialamt nicht gegönnt werden. Das sind 20€ im Jahr. Die Art und Weise wie mir vermittelt wird, dass ich mich daran bereichere.
— Sel Marin (@muckie2020) January 12, 2021
Wenn Leute etwas bestimmtes essen gehen wollen und ich weiß, dass ich es mir nicht leisten kann und mir dann Leute Geld leihen wollen dafür (falls ich es anspreche). Aber hätte lieber das Geld, um Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen.
— Memeaccount vong Bailey her… ? .. ? .. ? … (@ActionJens) January 12, 2021
Dieses „leihen“ vorschlagen, finde ich auch immer so geil… ich hab’s gar nicht. Auch nicht nächste Woche.
— dieJanki (@dieJanki) January 13, 2021
Ist zwar schon lange her, aber es wird mir unvergessen bleiben:
Hungrig, ohne Job und mit gekündigter Wohnung beim Sozialamt aufzuschlagen und dort gesagt zu bekommen: „da können wir ihnen nicht helfen, das Geld sehen wir doch nie wieder“.— Rüdiger #LeaveNoOneBehind Lorenz ☀️🧡 (@PeptoRL) January 14, 2021
zb: unser mathelehrer hat drauf bestanden dass wir alle denselben (teuren) taschenrechner kaufen und ich hab monatelang in jeder stunde sagen müssen dass ich ihn immer noch nicht hab
— murzeli (@glennoschmenno) January 12, 2021
Ich hab bei einem meiner Kinder mal die Ausrede nehmen müssen dass die Lieferung noch nicht da ist. Fakt war dass ich mir die 70 Euro nicht leisten konnte.
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
WOW! Ich kenn das von Hausärzten, die meine Schmerzen auf „die Situation“ zurückführten und nichts gemacht haben, nach Jahren hat sich rausgestellt es waren Bandscheibenvorfälle. Aber deins ist sowas von arg!😭
— Frau SonnenSchein🌻 (@DaniBrodesser) January 12, 2021
Als Kind sich schuldig fühlen weil man Kosten verursacht.
Nicht weil Mama es mich je hat spüren lassen aber man bekommt es als Kind durchaus mit. /o\
Jemandem ‚zur Last fallen‘ triggert heute noch sehr.— S’Erbserl. (@e_rbse) January 12, 2021
Ich bekam eine Waschmaschine geschenkt. Darauf meinte der Schenker „komm, jetzt lädtst mich dafür auf eine Pizza ein“.
Es war nicht direkt Beschämung, zumindest meinte er es nicht so. Aber ich habe mich trotzdem sehr geschämt, dass ich ablehnen musste weil einfach nicht leistbar— Joihoit Wersunst (@JoihoitWersunst) January 12, 2021
Ich wollte Toast kaufen. Hatte nur Kupfergeld. (5 Cents und paar 2cents)Wurde nach Hause geschickt mit den Worten „Nehme ich nicht. Habe ich keine Zeit für!“ – ich war 8. Und wir hatten Ende des Monats und die Kassiererin war dermaßen unfreundlich. Es ging um 75 Cent.
— Kassandra Umzugs-Plüsch (@K_VanPluesch) January 12, 2021
ich fand’s besonders schlimm wenn in der schule immer witze über leute die hartz IV bekommen gemacht wurden oder allgemein auch das wort „harzter“ und man als kind/jugendliche natürlich erstmal gezwungen mitlacht damit man nicht „auffliegt“
— leners (@VageneKrabs) January 13, 2021
1/2
Der Typ vom Jobcenter der meine Zahlung einfror, weil ich die RentenNr auf einem Wisch vergessen hatte und dann 10 Tage in Urlaub ging. Niemand anders für zuständig und das ich Alleinerziehend war, war auch egal.— Shatrinja ★ (@Shatrinja) January 12, 2021
Als ich ihn anschließen fragte warum er nicht angrufen oder geschrieben hätte sagte er „Sie wollen was von mir und nicht ich von ihnen.“
— Shatrinja ★ (@Shatrinja) January 12, 2021
1. Gehänselt zu werden wegen getragener nicht passender Kleidung.
2. Lehrerin gibt mir Geld für eine Klassenfahrt und Mitschüler bekommen es auch noch mit.Nicht so dramatisch wie bei anderen, aber es hat mich geprägt
don’t judge a book by its cover
— fini hält die Fräse (@moerfinchen) January 13, 2021
Das Jobcenter zwang mich zu einer psychol. Untersuchung in Berlin Mitte. Als ich da raus kam fehlten mir 20 Cent für die Rückfahrkarte
Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte ein Pärchen auf dem Bürgersteig
Deren Reaktion war so beschämend das ich dann nach Hause gelaufen bin— Not Heidis Clown ! (@InfraRiotGirl) January 12, 2021
Ich war mit Teenie im Zoo, das Geld war knapp wir teilten uns eine Pommes. Trotzdem reichte es nicht für den Bus zurück. Ich versuchte schwarz zu fahren, flog aber auf und wir wurden aus dem Bus geschmissen. Letztlich musste sein Vater uns holen. Das war der Tiefpunkt!
— Pippilotta @home 🌈 😷 (@SchwarzerHund40) January 12, 2021
Die Klassenlehrerin stellte die Geburtstagskinder immer vor die Klasse und man sollte alle Geburtstagsgeschenke aufzählen…
— Calamity Jane (@Wanheda_I) January 12, 2021
Wen dich die Kollegen schief anschauen weil du dein Essen von Zuhause mitnimmst.weil du dir die 3€nicht leisten kannst,und sie dich immer wieder fragen ob du dir die billige Kantine nicht leisten kannst.Sind meistens solche Kleinigkeiten,wo du dich aber zum abschotten anfängst.
— Andy (@Andy89521009) January 12, 2021
Die Fassade nach außen hin hat immer gehalten, aber die tägliche Angst beim Öffnen des Briefkastens sitzt mir noch heute in den Knochen.
— La Contessa (Walküre a.D.) (@maria_hofbauer) January 12, 2021
Im Turnunterricht wurden die Kinder ohne Badezimmer zuhause stets aussortiert und zum Füßewaschen gebracht. Vor der ganzen Klasse abgeführt zu werden, während die rosig geschrubbten Kinder kichernd meine grau geränderten Füße beäugten, war für mich mit am Schlimmsten
— Sylvia Steinitz (@SylviaSteinitz) January 12, 2021