Thread: Ein Tor ins finsterste Mittelalter
Kaum haben sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf einen Entwurf für neue Coronaregelungen im Infektionsschutzgesetz verständigt, da finden sich auch schon die ersten Stimmen der „Aber die Freiheit“- Fraktion, denen das wieder alles viel zu weit geht. Und das, obwohl die neuen Regeln bislang die lockersten sind, die wir seit Beginn der Pandemie bekommen haben. Die Schulen bleiben geöffnet, keine Lockdowns und auch von den 2G- oder 3G-Regelungen keine Spur mehr.
Wie erinnern uns, im Frühjahr waren die Coronaschutzmaßnahmen auf Druck der FDP deutlich zurückgefahren worden. Jene Kräfte in der FDP sind es nun, die auch die Maskenpflicht am liebsten für immer und überall abgeschafft sehen wollen. All das trotz der hohen Infektionszahlen mit einer dreimal so hohen Dunkelziffer, trotz vermehrt auftretender Long-Covid-Fälle und trotz immer mehr Personalausfällen in allen Branchen. Alles im Namen der Freiheit, der Wirtschaft und um es einer laut schreienden Minderheit recht zu machen. Richten soll es stattdessen die heilige Kuh Eigenverantwortung, von der wir zwar wissen, dass sie nicht besonders gut funktioniert, aber wen kümmert das denn eigentlich noch?
Das immer weiter erodierende Gesundheitssystem juckt anscheinend auch niemanden aus dieser Interessengruppe. Ideologie geht hier schon längst vor Solidarität und dem Schutz vulnerabler Gruppen. Eines hat sich aber nicht geändert: Das medizinische Fachpersonal wird nach wie vor allein gelassen. Und so müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht nur mit den Folgen eines kaputten Systems herumschlagen, sondern auch mit den Gegnerinnen und Gegnern der simpelsten Schutzmaßnahmen. Was das konkret bedeuten kann, das schildert euch nun unser Twitterarzt @narkosedoc.
Dieser ganze wissenschaftskritische Schwachsinn ermüdet mich.
Es ist wie ein Tor ins finsterste Mittelalter.
Vor ein paar Tagen lag so jemand im Aufwachraum. Er hatte sich wegen einer Routine-OP bei uns aufnehmen lassen. In der Klinik gilt MNS-Pflicht.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Weder in den Vorgesprächen zur Aufklärung für die OP und die Narkose, noch bei den obligatorischen Abstrichen (MRSA/SarsCoV2) war er in irgendeiner Weise auffällig. Rückblickend erköärt sich auch warum. Er wollte die Dienstleistung der OP in Anspruch nehmen.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Er wusste, dass er ohne MNS gar nicht erst in die Klinik kommt. Dass er ohne Abstrich nicht für die OP freigegeben wird. Alles war gut – bis er im Aufwachraum wach wurde. Dort verweigerte er die Maske. Dann wollte er, dass wir die Maske ausziehen – wir wären Marionetten.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Er war nicht delirant, er war voll orientiert. Ein wenig wirkte es so, als hätte er sich auf diesen Moment vorbereitet. Die ganze Wut von 2 Jahren kam aus ihm raus und entlud sich ausgerechnet an den in jeder Hinsicht größten Verlierern ebendieser Pandemie.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Er schrie rum (ohne Maske, Aerosol Spread und so). Er war Argumenten nicht zugänglich. Er schrie sich in Rage. Statt harter Konsequenzen wurde wieder mal das Konzept Deeskalation versucht. Die Pflegekraft hatte bereits Zugeständnisse gemacht (er könne seine Maske weg lassen).
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Dies beruhigte ihn nicht, es bestätigte ihn in seinem Verhalten und führte verständlicherweise zu Unmut bei den Mitpatient*innen.
Da der Patient voll orientiert war, wies ich ihn auf die kommende Konsequenz hin.
Maske an und Ruhe oder Verlegung ohne weitere Überwachung.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Schwarz oder Weiß.
Er wollte mit mir diskutieren.
Ich aber nicht mit ihm, auch weil ich wegen seines Affentanzes einen instabilen Patienten mit dem Assistenzarzt alleine lassen musste. Also Verlegung auf Normalstation. Dort erneute Ansage – Regeln beachten oder Entlassung.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Hier wurde es kompliziert. Es fielen die Begriffe Hausrecht, Behandlungswunsch, ärztliche Sorgfalt, unterlassene Hilfeleistung… ganz ehrlich – ich bin kein Jurist, ich bin Arzt. Und wir wurden auch mit diesem Problem alleine gelassen.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Es kotzt mich einfach an. Dieser Egoismus und diese endlosen Diskussionen mit Leuten die meinen sie wären Experten, weil sie ein Kreisdiagramm von einem Säulendiagramm unterscheiden können. Maske auf, fertig. Ist das so schwer?
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Ja, falsch getragen bringt eine Maske nichts. Daran ist aber nicht die Maske schuld, sondern derjenigen, der sie falsch aufsetzt.
Der Impfstoff ist mittlerweile veraltet und kann deshalb auch eine Infektion nicht verhindern. Umso wichtiger sind andere Schutzmaßnahmen.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Wir können das nicht ignorieren. Auch wenn das Ende der Pandemie von vielen herbei gelogen wurde, macht es die Lügen nicht richtiger. Wir sind noch mitten drin und die Leute, die wegen BA4/BA5 ausfallen fehlen in der Versorgung.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Der gegen den Wildtyp und Delta noch relativ gute Schutz durch die Impfung verpufft mehr und mehr gegen die immer neuen Mutationen. Ist das so schwer zu verstehen? Die Impfung WAR eine sehr gute Waffe, sie wurde entschärft durch die neuen Mutationen.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Hier sehe ich die EMA in der Pflicht die bereits verfügbaren (!) Impfstoffe gegen BA4/BA5 schneller zulassen. Aktuell sind Impfstoffe in der Prüfung gegen die erste Omikronvariante helfen – wir sind aber nicht mehr bei BA1 sondern bei BA5!
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Wir brauchen Impfstoffe, die bestmöglich und nicht nur ein bisschen gegen die aktuellen Varianten helfen! Da muss auch unser @BMG_Bund Druck auf die EMA machen. Die FDA hat bereits signalisiert neuen Impfstoffen auf Basis der erprobten Wirkung die Zulassung auszusprechen.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Das brauchen wir auch. Damit wir unserem Immunsystem endlich mit aktuellen Steckbriefen und nicht mehr mit veralteten Informationen füttern. Hier braucht es deutlich mehr Tempo, sonst hinken wir noch ewig hinterher.
— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Von mir aus sollen sie die BA5-Impfstoffe als off-label frei geben, das sind wir gewohnt. Ich kann dafür die Verantwortung übernehmen, ich bin alt genug 😎
Irgendwann im Oktober gegen BA1 zu impfen halte ich für weitestgehend sinnlos.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Bis dahin tragt bitte eine Maske, denn der Winter wird auch so hart genug. Und wenn zu viele von uns ausfallen, weil Du zu viele angesteckt hast, heißt es am Ende #WennIchKrankWerdeStirbstVielleichtDu
Denkt darüber mal nach. 😷
Weniger ich, mehr wir. Wäre doch schön.— Intensivdoc (@narkosedoc) August 1, 2022
Das sagen andere User:
Da fehlen einem glatt die Worte. Dass man solche Menschen nicht zur Verantwortung für ihr Handeln zieht, hat eine fatale Signalwirkung auf den solidarisch handelnden Rest. Man fragt sich zurecht, wo das alles noch enden soll. Was die Leserinnen und Leser dazu zu sagen hatten, wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Wir haben ein paar der treffendsten Kommentare und Reaktionen hier für euch gesammelt:
Fall aus der Familie: Pat. steckt sich nach langwieriger OP im Aufwachraum mit Corona an (von Personal bestätigt). Die lange Erkrankung verhindert bzw. verzögert danach die dringend erforderliche Reha. Freiheit? Wohl eher Freiheitsberaubung durch mittelalterlichen Schwachsinn.
— Memmius (@gernot_ruzicka) August 1, 2022
Mein Vater (Hochrisikopatient) hat sich l. Woche nach OP im KH bei Zimmernachbarn angesteckt, wurde C+ entlassen, wurde gestern mit dem Krankenwagen in 80km entferntes KH gebracht. Hohes Fieber,Sauerstoff, Lungenentzündung. Danke an #FDPmachtkrankundarm +den #Durchseuchung skurs
— to save ANNE with an E 🙂 #renewannewithane ᵇˡᵐ (@tosaveANNEwith1) August 1, 2022
Ich bewundere euer Durchhaltevermögen!
Herzlichen Dank!
Überlegung eines Laien:
Kann man sich vor der Krankenhausaufnahme nicht unterschreiben lassen, dass man die Maske trägt, ansonsten XXXX Euro Strafgebühr zahlt.— Interessierte (@Lillienavatar) August 1, 2022
Bei uns war es so, dass die „Maskenverweigerer“ diese immer unter der Nase getragen haben und sich dann im Park mit Kumpels zum Rauchen ohne Maske verabredet haben. Dann einer positiv, Pat angesteckt, Ende vom Lied: gesamte Station positiv. Danke für nichts
— 💛 KetaPrinzessin 💙 (@KetaPrinzessin) August 1, 2022
weiter zu behandeln, vorausgesetzt er benimmt sich und hält sich an die Maskenpflicht. Wenn nicht, kann ihn ja vielleicht der HA behandeln. Wer sich so aufführt, dem kann es so schlecht nicht gehen.
Für mich wäre das eine Behandlungsverweigerung, somit keine unterlasse Hilfe 🤷🏼♀️— Nach müde kommt doof (@Wawu75) August 1, 2022
Ach, wenn ich da an meine Klinikzeit zurückdenke… selbst bei Aggressionen der Pat. Wenn mit Klage wegen unterlassener Hilfeleistung gedroht wird, dann will die Klinik einfach nur, dass man Ruhe gibt. Eigentlich brauch jede Klinik Sicherheitspersonal.
— Dr.C.Werner (@DrCWerner) August 1, 2022
Einzige sinnhafte Konsequenz:
Lebenslanges Hausverbot. Und entsprechender Vermerk im System.
Keine Behandlung außer in vitalen Notfällen.
Das ist die einzige Sprache, die der Querterror versteht.
— Stormageddon, Dark Lord of All (@Stormageddon666) August 1, 2022
Die Spielregeln sind klar und wer’s für max. eine Stunde (!) es nicht schafft, den Lappen aufzubehalten, kann die Klinik gern von draußen sehen.
Wer der Meinung ist, mich austricksen zu wollen: der darf die Klinik von außen sehen.
Sorry, aber wir hatten erst wieder nen Ausbruch.— Aya 🌸 simps fictional volleyball guys & painters (@kimyeonseo) August 1, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Da wir gerade beim Thema sind, schaut doch noch hier rein: