Thread: Ein harmloser Name
Es klingt erst einmal wie ein typischer stadtplanerischer Fachbegriff, altbacken, trocken und ein bisschen diffus: defensive Architektur. Damit sind nicht Stadtmauern oder Wehrtürme gemeint, sondern Gestaltungen und Maßnahmen im öffentlichem Raum, die dazu bestimmt sind, sogenannte „unerwünschte Aktivitäten“ zu verhindern. Und wenn wir schon dabei sind, das Kind beim Namen zu nennen, dann lasst es uns ganz direkt tun: Wir reden hier von Anti-Obdachlosen-Architektur.
Spikes auf Oberflächen, Bänke, deren Sitzflächen durch Armlehnen unterbrochen sind, oder runde Sitzstangen, auf denen man unmöglich länger verweilen kann. Wie deutlich kann eine Gesellschaft ihrem äußersten Rand sagen, dass er nicht willkommen ist? Das Perfide an diesen Maßnahmen ist, dass sie bisweilen auf den ersten Blick einladend wirken. Auf den zweiten jedoch geht es darum, diejenigen aus dem öffentlichen Stadtbild zu halten, die durch das System gerutscht sind. Also die Menschen, die uns an die unbequeme Wahrheit erinnern, dass das liberale Heilsversprechen nicht für alle realistisch ist.
Um die Zusammenhänge feindlicher Architektur geht es auch im folgenden Thread von @sonja_weihrauch.
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Ich möchte heute nochmal daran erinnern, dass obdachlosen Menschen nicht mal das Mindeste gegönnt wird!
„Defensive Architektur“, was für ein harmloser Name für eine widerwärtige, menschenverachtende Gestaltung öffentlichen Raumes. Sie soll den Aufenthalt von— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
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Obdachlosen und Suchterkranken verhindern. Spikes und Betonklötze sind in potentielle Sitzflächen eingelassen. Einwegmülleimer verdrängen Pfandsammler aus der Innenstadt. Den Zugang zu trockenen und windgeschützten Flächen verwehren hässliche Betonklötze.— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
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In den U-Bahnstationen und zentralen Plätzen gibt es kaum noch Bänke. Unbequeme Sitzquadrate aus Metallgittern haben sie ersetzt.— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
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Jeder Städteplaner, jeder Architekt, jeder Bauherr, der so etwas unterstützt hat und noch unterstützt ist verachtenswert! Das Leben der Obdachlosen, wissentlich zu verschlimmern und damit noch Kohle zu machen, ist wohl mit das Widerlichste, was es gibt!— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
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Ich möchte mich hier nochmals bei dem Rapper @DisarstarHH bedanken, der letztes Jahr mit einer geilen Aktion und einer Flex darauf aufmerksam gemacht hat! 🫶 Ich hänge den Link zum vollständigen Youtubevideo an.— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
Bibesch: Auf den Fotos ist eine Unterführung zusehen, die mit Spikes gepflastert ist, Sitzflächen, die mit Armlehnen zum Liegen unbrauchbar gemacht wurden, abgewinkelte Sitzflächen, die zu unbequem zum längeren Sitzen sind
— Sunny trägt Maske MNSistEhrensache (@sonja_weihrauch) July 9, 2023
Fazit und Reaktionen:
Wenn ihr zum ersten Mal von diesem Thema gehört habt, dann heißt das natürlich nicht, dass ihr ignorant seid. Sehr wohl allerdings zeigt es das Privileg auf, sich noch nie gefragt zu haben, wo man die nächste Nacht verbringt. Einen sicheren, trockenen und im besten Fall warmen Ruhe- oder Schlafplatz zu finden, ist für verarmte Menschen ohne Zuhause eine Herausforderung. Dass wir als Gesellschaft diesen Anblick und das damit einhergehende schlechte Gewissen irgendwie umgehen möchten, ist auch nachvollziehbar. Allerdings löst die Vertreibung von Obdachlosen das Problem nicht, sondern verschiebt es nur in unsichere Bezirke. Was Menschen ohne Wohnsitz dagegen wirklich helfen würde, wären Unterstützungsangebote, die ihnen ein Leben in Würde zurückgeben. Genau deswegen dürfen wir die Augen vor diesem Problem nicht verschließen. Darin waren sich auch die Twitteruser*innen einig.
Ich arbeite in einer Wärmestube/Obdachlosenunterkunft. Bei uns dürfen die Gäste auch untertags bleiben. Bei vielen Unterkünften müssen die Gäste aber untertags raus. Wo sollen sie hin wenn die Städte/Gemeinden so verbaut werden? Das ist vor allem im Winter ein großes Problem.
— Jürgen AUGSCHBURGER (@JAugschburger) July 9, 2023
So oder so, eine Änderung zum Besseren
In der Nähe meiner Arbeit wurde eine Bank mit Zwischenlehnen aufgestellt. Es gab zum Glück viel Kritik. Nach nicht mal einer Woche waren die Lehnen abgeschraubt. Ich weiß leider nicht, ob es aufgrund der Kritik offiziell geändert wurde oder ob jemand sie entfernt hat.
— Krissi Kn (@KnKrissi) July 9, 2023
Es scheint so
Unsere Gesellschaft es mangelt an Mitgefühl und Menschlichkeit!
— Society is cold and fucked up💉💉FCB (@der_michi33) July 9, 2023
Eigentlich klar
Würde man den Obdachlosen Raum zum Leben geben, bräuchte es keine „Defensive Architektur“ 😔
— Straw🍓Berry💛🐶🌳♥️☀️ (@Straw_Berry0210) July 9, 2023
Das ist Teil des Problems
Vielen Dank. Das ist mir noch gar nicht aufgefallen!
Ist das übel!— DerMax (@WMegerle) July 9, 2023
Hinsehen ist schwieriger als wegsehen
— Danny von Merkwürden (@danny_kapunkt) July 10, 2023
Dabei ist es doch gar nicht so schwer: