Thread: Die Grenzen des Wissens
Die Grenzen des Wissens sind scheinbar unendlich und immer in Bewegung. Wir können versuchen, sie zu erforschen und zu erweitern, aber es wird immer etwas geben, das wir nicht verstehen oder über das wir keine Erkenntnisse haben. Für manche Menschen mag dies unmöglich erscheinen, schließlich gibt es so viel Wissen auf der Welt und wir lernen immer mehr dazu, warum sollte es also Grenzen geben? Tatsächlich aber hat jeder welche und sie sind enger als man denkt.
Zum einen können wir nicht alles auf einmal wissen – unser Gehirn hat schließlich nur begrenzte Kapazitäten. Zum anderen gibt es Dinge, die wir einfach nicht erfassen können, entweder weil sie noch nicht entdeckt wurden oder weil sie viel zu komplex sind. Es ist nur natürlich zu versuchen, sich viele Dinge, die man nicht versteht zu erklären.
Womit wir beim Schlagwort Weisheit wären. Sie ist die Fähigkeit, Erkenntnisse, die wir bereits erworben haben, sinnvoll anzuwenden und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es geht dabei darum, die richtigen Fragen zu stellen und die Antworten, die wir erhalten, zu hinterfragen und zu überdenken. Weisheit kommt nicht von selbst – sie muss erworben und geübt werden. Sie geht über das bloße Wissen hinaus und ist etwas, das man im Laufe der Zeit durch Erfahrung und Reflektion erwirbt. Dazu gehören auch die Grundprinzipien der Logik und die Fähigkeit Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Dennoch kann eine Schlussfolgerung, die darauf basiert, falsch sein.
Wirklich weise ist es also, mal sein eigenes Ego beiseite zu schieben und zu akzeptieren, dass es klügere und weisere Menschen gibt. Expert*innen und Fachleute, die mehr wissen als man selbst, die sich nicht nur länger mit dem Thema beschäftigt, sondern auch nach wissenschaftlichen Standards ihre Expertise erworben haben. An dieser Stelle übergeben wir das Wort @florianaigner, der den nun folgenden Thread zu diesem doch recht philosophischen Thema geschrieben hat. Es geht im Kern – so merkwürdig es klingt – um den Mut, sich zu seiner eigenen Dummheit zu bekennen und, dass das eine große Stärke sein kann. Aber lest selbst.
Ich glaube, es ist ein unverzichtbarer Teil der Persönlichkeitsentwicklung, sich manchmal total dumm gefühlt zu haben. Die eigenen geistigen Grenzen mit voller Unerbittlichkeit aufgezeigt bekommen zu haben. Wir sollten das feiern, nicht vermeiden. (Thread)
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
In der Wissenschaft ist das alltäglich. Ständig bekommt man es mit Gedanken zu tun, die sich zu groß anfühlen um in den eigenen Kopf zu passen. Man sieht aber gleichzeitig: Andere Leute haben das verstanden und arbeiten damit. Es ist also prinzipiell möglich.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Das ist kein Zeichen fehlender Intelligenz. Im Gegenteil. Einstein hatte das Gefühl ganz massiv, als er mit der schwierigen Mathematik für seine Relativitätstheorie kämpfte: „Du musst mir helfen, sonst werde ich verrückt!“ schrieb er verzweifelt an einen Freund.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Einstein war damals schon ein berühmtes Genie. Er hätte sich überheblich auf den Standpunkt zurückziehen können: „Ich bin der Klügste, was ich nicht verstehe ist eben unverständlich!“ Hat er aber nicht. Er war klug genug um seine eigenen Grenzen zu sehen – und zu erweitern.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Er vermied also dieses Gefühl der geistigen Ohnmacht nicht, er führte es gezielt herbei, indem er sich genau in diese Fragen vergrub, bei denen er das Gefühl hatte zu scheitern. Und so entstand die allgemeine Relativitätstheorie.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Und ich habe den Verdacht, dass mache berühmten Leute (etwa orangefarbene Expräsidenten oder weltraumträumende Milliardäre) genau das Gegenteil davon tun: Bei manchen spüre ich keinen Funken Anerkennung für die eigene geistige Begrenztheit.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Das erscheint auch logisch: Wenn man die ganze Zeit von Leuten umgeben ist, die einem sagen, wie großartig man ist, dann wird es vielleicht irgendwann schwierig anzuerkennen: „An diesem Problem scheitere ich gerade!“
Aber ich bin davon überzeugt, dass wir dieses Gefühl brauchen.— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Ich glaube, wir müssen dieses Erkennen der eigenen geistigen Grenzen begrüßen. Das ist etwas Gutes. Sich dumm zu fühlen sollte nicht schambesetzt sein. Es ist manchmal wichtig. Nur wer an seine Grenzen stößt, kann seine Grenzen erweitern.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Menschen, die glauben, immer recht zu haben, haben auffallend häufig unrecht. Da scheint eine Gesetzmäßigkeit dahinterzustecken. Aber ich bin nicht ganz sicher, ob ich da recht habe.
— Florian Aigner (@florianaigner) December 4, 2022
Das sagen andere User:
Ja, die Grenzen des Wissens können genau die richtige Motivation sein, die man braucht, um noch einmal zu studieren, eine Ausbildung zu machen oder sich anderweitig fortzubilden. Sie sind kein Grund aufzugeben. Hinterlasst uns doch einen Kommentar, wie ihr zu dem Thema steht oder was ihr für Erfahrungen gemacht habt. Was die Leserinnen und Leser dieses Threads dazu zu sagen hatten, das erfahrt ihr jetzt:
Wobei es den Effekt gar nicht so häufig gibt. Leute, die sich selbst falsch einschätzen, sind vor allem in einem Ding inkompetent: Der Selbsteinschätzung an sich.https://t.co/HfJiMzCghv
— Bernd Paysan 🇪🇺🇨🇳💉⁴😡³ (@forthy42) December 4, 2022
Ich habe eine ausgeprägte Dyskalkulie. Ich liebe es, wenn ich manchmal dann doch was verstehe. Wenn ein Rechenweg plötzlich Sinn ergibt, weil ich das System dahinter begreife. Passiert selten. Meistens steh ich wie der Ochs vorm Berg.
— Koschka Szadow (@KSzadow) December 4, 2022
Ja!
Aus Niederlagen zu lernen, ist die vielleicht größte Tugend überhaupt.
Daneben finde ich es bedauernwert, dass die alte Tugend der Demut sich so derart verstaubt anfühlt. Sie könnte einen ab und an vor mancher Niederlage bewahren.— ChristophPeterS (@CPeterS47) December 4, 2022
..mir „bricht mein Hirn“. 4 Std. Mathe am Stk. war hardcore. Und HÜ. Aber ich hab es geschafft und habe noch im Herbst Germanistik zu studieren begonnen. Für mich eine völlig neue Welt, die Uni. Sehr spannend. Nie wäre ich soweit gekommen, wenn ich mich Mathe nicht gestellt hätte
— Monika Sowieso 😻🍁✊ (@MrsMurphy63) December 4, 2022
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! Wenn ihr mögt, schaut doch hier noch rein: