Thread: Der erste Schultag

Eines vorweg, das ist vermutlich der bis dato längste Thread des Jahres, aber es lohnt sich, ihn zu lesen. Denn @DrInfluenza hat hier im Detail den gesamten ersten Schultag von ihrem „K1“ niedergeschrieben. Vermutlich werden sich die einen oder anderen Eltern wiedererkennen. Aber auch, wenn das nicht der Fall ist, diese Geschichte ist einfach nur großartig.

Erster Schultag – Thread

Heute war der erste Schultag von unserem K1. Es begab sich also zu jener Zeit um

5.10: Das Baby wird wach und verlangt Milch, wir dösen beim Stillen beide wieder ein.
5.30: Mein Wecker klingelt. Das Baby schreckt hoch. Ich kann durch erneutes stillen

— Dr. Influenza (@DrInfluenza) September 10, 2019

nochmal eine Baby-Tiefschlafphase erreichen und stehe leise auf. Alles ist ruhig, ich freue mich auf eine stille halbe Stunde bevor der Trubel losgeht und schleiche ins Bad.
Durch den Lichtschalter-Klick wird das Neu-Schulkind wach, sitzt im selben Moment senkrecht im Bett und

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beginnt zu sprechen. Schnell und viel. Obwohl es eigentlich ein Morgenmuffel ist.
Ich streiche seufzend die stille halbe Stunde.
Während ich dusche lausche ich einem Monolog über erste Schultage im allgemeinen und den heutigen im besonderen, Schulränzen, Schultüten, …

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6.10: ich wecke K2. Dieser morgenmuffelt wie gewohnt herum, falsche Hose! Falsches Oberteil! Will nicht Zähne putzen! Oben höre ich den nicht morgenmuffeligen Mann rumoren.
6.30: Frühstück. K2 verweigert die Zubereitung durch den Mann, denn der ‚weiß nich wie das geht!!!‘

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Tief atmend bereite ich also das komplizierte Frühstück (Haferflocken, Naturjoghurt, Blaubeeren) zu und diskutiere parallel, warum die Kinder nicht jetzt sofort in die Schultüten schauen können (K2 hat eine Kleine). Der Mann räumt derweil Küche und Wohnzimmer auf, denn heute

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kommt die Putzfrau.
6.55: ich gehe hoch und hole das freundlich erzählende Baby. Während ich es anziehe scheucht der Mann die Kinder zum anziehen und ins Auto, dabei gelingt es ihm weder Tüte noch Ranzen noch Wickeltasche zu vergessen und parallel die Laune von K2 zu heben.

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7.10 wir sitzen im Auto und bringen K2 in den Kindergarten, dort darf er natürlich die kleine Schultüte vorzeigen und zieht dann mit seinem Kumpel ab in die Duplo-Ecke.
7.35 Ankunft an der Schule. Wie immer gibt es keinerlei Parkplätze, zu den üblichen Anwohnern kommen heute noch

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Eltern, Großeltern und erweiterte Kernfamilie von 24 ABC-Schützen, die parkplatzsuchend um die Schule kreisen. Wir ergattern einen Platz nicht allzuweit entfernt und ich gratuliere mir dazu, dass wir ab morgen mit dem Lastenrad kommen werden. Baby wird in die Trage verschnallt

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und wir erklären K1, dass die Schultüte nicht etwa im Auto bleibt sondern mit in die Schule darf.
7.55: wir sind pünktlich (!) auf dem Schulhof, dort befinden sich schon ca. 20 aufgeregte Kinder mit ca. 100 aufgeregten Angehörigen. Mann und ich feiern uns für die Entscheidung,

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die Großeltern erst zum Mittagessen eingeladen zu haben.
8.00: Pünktlich beginnt die Begrüßung durch den Direktor und die Paten aus der neuen 2. Klasse. Es wird die Klassenlehrerin präsentiert, diese ist ca. 60, solariumgebräunt und trägt eine Brille mit getönten Gläsern.

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Sie hat die letzten Jahre nicht unterrichtet sondern war in einem Kindergarten angestellt 🤔 aber gut. Lehrermangel und so 🤷‍♀️
Anschließend wird darum gebeten, dass die Schüler durch ein Spalier der 3./4. Klasse nach oben ins Klassenzimmer gehen, die

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Eltern dort die Schultüte ablegen und dann zügig in den Aufenthaltsraum gehen um dort Kaffee und Kuchen zu sich zu nehmen.
Im Klassenzimmer angekommen herrscht konfuse Verwirrung. Erste Eltern verweigern das Verlassen des Klassenzimmers und haben offensichtlich erwartet, heute

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auch unterrichtet zu werden. Außerdem fällt auf, dass ein Stuhl zu wenig existiert, ein Kind hat keinen Platz. Während ich innerlich schon Augen rolle für mangelnde Organisation, stellt sich heraus, dass ein Schüler der neuen 2. Klasse sich versehentlich wieder auf seinen Platz

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aus dem letzten Jahr gesetzt hatte. Er wird ins Nachbarzimmer in die 2. Klasse geschickt. Nun kehrt Ruhe ein. Ich will K1 noch Bescheid sagen, dass wir gehen, werde jedoch mit einer unwilligen Geste abgespeist, da sie bereits mit ihrer Banknachbarin ins Gespräch vertieft ist.

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Während wir Kuchen essen und ich stille lernen wir einige nette und einige wirklich seltsame Eltern kennen.
Die Kinder haben eine Schulstunde Unterricht und werden anschließend noch fotografiert. Dann kommen 23 aufgeregte Erstklässler herein. K1 erzählt, die anderen hätten alle

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eine Liste nur sie nicht. Ich frage was für eine Liste, bekomme jedoch als Antwort nur, dass sie jetzt eine neue Freundin habe.
Als die Lehrerin ins Zimmer kommt spreche ich sie auf die Liste an und muss kurz danach leider implodieren.

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In den Ferien hat jedes Kind von ihr einen Begrüßungsbrief bekommen. Diesem lag auch die Einkaufsliste für die Schule bei. Leider hat sie den Brief von K1 vergessen. 🤬
Somit war K1 heute die einzige, die keinerlei Sachen dabei hatte. Und kein Namensschild. Und keinen Ordner

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bekleben konnte! Ich atme tief ein und aus (Danke Geburtsvorbereitungskurs!) und frage, ob wir wohl so eine Liste bekommen könnten?! Antwort: Ja, später, sie müsse sich erstmal ausruhen (nach 45min Unterricht). Ich atme weiter.
Dann frage ich eine Mama, ob sie die Liste

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zufällig fotografiert habe und mir schicken könne. Kann sie. Ich sehe 2 Seiten aufgelistetes Schulzubehör in Schriftgrösse 10.
Die Lehrerin kommt zurück. Reicht mir eine Seite. Ich frage nach Seite 2, die finde sie grad nicht mehr. Ich atme.
Die Lehrerin sagt, ich könne K1 auch

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erstmal einfach irgendeinen Block mitgeben. Ich atme. K1 erzählt, was die anderen für Ordner haben. Warum wir noch keinen haben? Ich atme.
10.45: Gottesdienst. Sehr nett organisiert von den Schülern. Ich bete für viel Geduld und danke für den Geburtsvorbereitungskurs.

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Mitten drin wird K3 in der Trage unruhig. Virtuos und unbemerkt kann ich während der Predigt in der Trage stillen, der Pfarrer spricht zum Glück laut genug um die glucksenden Begeisterungsäußerungen von K3 zu übertönen.

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12.00 Ende Gottesdienst. Die Lehrerin steht verwirrt in der Kirche, man soll die Kinder bei ihr abmelden. Aber sie hat keine Liste dabei. Deswegen weiß sie jetzt nicht mehr, wer schon abgemeldet ist.
Ich melde K1 ab.
Wir fahren wieder zum Kindergarten um K2 zu holen.

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12.15: Wir holen K2, K1 rennt derweil ihrem Lieblingserzieher in die Arme und verkündet, morgen lieber wieder in den KiGa zu kommen. Es läuft. Im Auto hauen sich die Kinder gegenseitig mit ihren Schultüten.

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Ich bespreche mit dem Mann, dass er mich kurz vor dem Restaurant beim Schreibwarenladen mit Listenservice rauslässt, ich dort die Liste abgebe und wir die Sachen später dort abholen. Gesagt getan.
12.30: Der Laden gibt an, heute keine weiteren Listen bearbeiten zu können.

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Ich atme. Und renne dann weiter zum Müller um die Ecke um dort im Rekordtempo alles zu besorgen. Inkl. Blut eines Einhorns, einem weißen Elefanten und einem Geschichtenheft G1 in A5, Querformat, Lineatur für die erste Klasse.
Meine nicht mehr an hohe Schuhe gewöhnten Füße

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stöhnen, dennoch kann ich mich virtuos zwischen anderen verzweifelten Eltern durchwinden und den letzten glitzernden Einhorn-Leitzordner ergattern. Ich bezahle an der Kasse flugs mit meiner linken Niere und bin nach rekordverdächtigen 13min wieder draußen. 1,5km zurück

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zum Restaurant auf hohen Schuhen über Kopfsteinpflaster. Bei jedem Schritt schlägt die Tasche gegen meine Beine und ich würde mich jetzt gerne einfach irgendwo in ein nettes Café setzen. Allein.

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Im Restaurant sind bereits alle Großeltern eingetroffen und haben K1+2 mit Geschenken überschüttet, um die Reizüberflutung nicht abreißen zu lassen. Ich überlege mich einfach an einen anderen Tisch zu setzen.
Der Mann sitzt angespannt mit Baby auf dem Schoß neben seiner Mutter

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und lauscht einem Monolog über erste Schultage aus Lehrersicht. Die bestellten Getränke kommen und K2 schüttet ein Glas Apfelschorle über sich und seinen Vater. K2 brüllt. Der Mann sitzt versteinert da und wendet offensichtlich auch gerade die Geburts-Atemtechnik an. Die SchwieMu

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berichtet, der Mann habe früher auch oft was umgeworfen und schwenkt in den ‚peinliche Kindheits-Anekdoten-Modus‘ um. Der Mann bestellt ein großes Bier. Mein Vater merkt an, dass wir hier das ganze Lokal unterhalten. Ob man was gegen das schreiende K2 machen könne?!?!

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Ich atme. Ziehe K2 das nasse Hemd aus. Beruhige. Hole ein neues Getränk (mit Strohhalm!!!!!). Beruhige weiter. Höre Ratschläge, was man früher in diesem Fall gemacht habe (Ins Auto gesperrt). Atme. Die SchwieMu berichtet nun vom ersten Schultag des Mannes. Ich signalisiere per

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Blickkontakt Mitleid und lenke das Gespräch auf Essen. K2 will Spätzle. Nein, Pommes. Nein, doch Spätzle. K1 will Käsespätzle. K2 jetzt auch. Nein, doch lieber Spätzle.

Der Mann hat früher auch so gerne Spätzle gegessen! Wahnsinn, wie ähnlich ihm ALLE unserer Kinder sind.

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Ich merke an, dass das Baby noch keine Spätzle mag und lausche dann dem minutiösem Bericht meiner Eltern über das gestrige Herbert Grönemeyer-Konzert, während ich parallel Fragen beider Kinder beantworte, wann das Essen kommt. (gleich!!)

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Kurze Stille beim essen, bis das Baby kundtut, dass es auch JETZT SOFORT Hunger hat. Ich esse also mal wieder einhändig. Die Kinder verziehen sich in die Spielecke des Restaurants und wir können kurz durchatmen. Der Mann bemerkt, dass die Hose immernoch nass sei. Bevor die

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SchwieMu dies zu einem Monolog über nasse Hosen in des Mannes Kindheit zum Anlass nehmen kann schlage ich vor, dass wir nun zu uns nach Hause aufbrechen, um Kaffee zu trinken.
Der Mann zischt mir zu, dass das sicher nicht seine Idee gewesen sei!
Wir fahren nach Hause. Während

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wir im Keller die Sachen aus dem in der Tiefgarage stehenden Auto tragen und kurz Ruhe genießen hören wir, wie oben ein Schlüssel gedreht wird. Richtig. Die SchwieMu hat einen Schlüssel. 🙄

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Kuchen kann relativ komplikationslos gegessen werden, auch, weil wir die Kinder in den Garten schicken und sie fortan statt ständig dazwischen zu reden nur noch alle 1,5min an die Scheibe klopfen. Beide sind mittlerweile völlig drüber und eskalieren demnach wegen allem.

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17.00: Meine Eltern beschließen aufzubrechen, die Schwiegermutter schließt sich an. K2 eskaliert, weil jetzt alle gehen. K1 eskaliert, weil sie nicht morgen wieder in die Schule will!!

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Die Aussage der SchwieMu: ‚So ein Quatsch! Natürlich willst du in die Schule! Die Oma wollte auch immer gerne in die Schule!!‘ verbuche ich unter ‚sinnfreie Aussagen einer anderen Generation‘ und sage K1, dass gut verstehe, dass ihr alles zu viel sei. Die SchwieMu atmet.

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Ein weiterer Erziehungs-Minuspunkt ist mir sicher, als ich sie bitte, K2 nicht zu füttern (füttern!! Mit 3,5!!) nachdem er gesagt hat, dass er satt sei. (Noch ein kleiner Löffel für Papa…)

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Während ich den jetzt durchbrüllenden K2 sowie die ebenfalls schreiende K1 ins Bett bringe und bei beiden noch eine Entspannungsmassage mache um sie irgendwie runter zu bekommen komplimentiert der Mann seine Mutter hinaus und beruhigt das müde Baby.

— Dr. Influenza (@DrInfluenza) September 10, 2019

19.15: K1/2 schlafen. Das Baby und der Mann schlafen auf der Couch. Ich verordne mir eine Twitter-Pause um diesen Thread zu schreiben.

Jetzt ist er fertig und ich muss die neuen Schulsachen beschriften. 😣

— Dr. Influenza (@DrInfluenza) September 10, 2019