Thread: Datenschutz beim Gesundheitsamt Wiesbaden
Im nun folgenden Beitrag kommt zusammen, was in diesem Land zusammengehört. Die Corona-Pandemie, die verschleppte Digitalisierung, der ganz normale Behördenwahnsinn und das Thema Datenschutz. Ja, die Corona-Krise hat die strukturellen Schwächen der Gesundheitsämter offengelegt. Nach drei Infektionswellen und 18 Monaten Pandemie sind die meisten von ihnen immer noch auf Faxgeräte und von Hand befüllte Excel-Tabellen angewiesen, um die Kontakte Infizierter zurückzuverfolgen. Kein Wunder also, dass sie bei dem Versuch, Infektionsketten nachzuvollziehen, an ihre Grenzen stoßen. Soft- und Hardware wären theoretisch vorhanden, jedoch mangelt es an Konzepten zur effizienten Umsetzung und Vernetzung in- und außerhalb der Behörden, was in manchen Fälle zu Stilblüten wie der nun folgenden Geschichte führt. Der Twitteruser @plbkwsk hat über den Versuch geschrieben, den Impfstatus seiner Eltern nachzuweisen. Hier kommt das Ergebnis:
Die Eltern war’n im Urlaub. In einem Risikogebiet.
Natürlich sind die Eltern geimpft. Nicht von irgendwem, sondern vom Gesundheitsamt Wiesbaden.
Jetzt ratet, wer meinen Eltern eine Aufforderung geschickt hat ihren Impfstatus nachzuweisen?
Richtig. Das Gesundheitsamt Wiesbaden.— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Im Schreiben werden meine Eltern gebeten ihren Impfstatus per Mail, Post oder Fax (!) nachzuweisen.
Rufe beim Gesundheitsamt Wiesbaden an & frage sehr freundlich, wie es sein kann, dass man dort keine Kenntnis hat vom Impfstatus meiner Eltern hat.
Die Antwort lautet: Datenschutz.— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Der nette Mann am Telefon sagt mir, dass ein pdf, jpg oder png genügt. Hauptsache nicht größer als 20 MB. Ich frage ihn wie oft er Anhänge bekommt, die größer als 20 MB sind. »Datenschutz« sagt er und atmet schwer. Ich könne aber gerne wieder anrufen, wenn ich noch Fragen hätte.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Außerdem hätte er mal ein Interview gegeben für den Wiesbadener Kurier, der ziemlich gut erklärt, wie die digitale Einreiseanmeldung für Menschen aus Wiesbaden funktioniert. Ich danke ihm, lege auf und google. Der Artikel im Wiesbadener Kurier ist hinter einer Paywall. Natürlich.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Vater & ich versuchen telefonisch die Impfzertifikate meiner Eltern aus der CovPass-App zu exportieren. Meinem Vater eine App auf seinem Android-Telefon zu erklären, die ich auf meinem iOS-Telefon gar nicht habe, kostet mich 2 Jahre Lebenszeit.
Fazit: Exportieren geht gar nicht.— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Neuer Ansatz: Ich google wie man auf einem Huawei einen Screenshot macht. Vater die Tastenkombination beizubringen dauert nicht so lange. Nur etwa 14 mal macht er das Handy lauter, leiser oder aus, dann hat er es. Was er hat ist allerdings kein Screenshot, sondern der Hinweis, …
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
… dass Bildschirmaufnahmen für die CovPass-App nicht zugelassen sind. Vater schlägt vor den Bildschirm einfach mit dem iPad von Mama abzufotografieren. Ich sage ihm, dass das so nicht geht und rufe hilfesuchend beim Gesundheitsamt an.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
„Haben Sie ein Handy?“, fragt der nette Mann am Telefon.
„Klar!“, sage ich.
„Dann machen Sie doch einfach ein Foto vom Bildschirm ihres Vaters.“
Ich frage den netten Mann am Telefon, wie viele abfotografierte Endgeräte er pro Tag bekommt.
„Datenschutz“, sagt er und atmet schwer.— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Mutter hat übrigens kein iPad. Hätte sie ein iPad wäre alles kein Problem. Mutter hat ein altes Android-Tablet, das dummerweise kein Foto von Vaters Bildschirm mit den Impfzertifikaten machen kann, weil das Tablet immer erst den QR-Code öffnen möchte, bevor es ein Foto macht.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Vater möchte jetzt versuchen das Impfzertifikat mit der Frontkamera von seinem eigenen Handy im Badezimmerspiegel zu fotografieren. Ich lasse ihn jetzt einfach mal selber herausfinden, warum das nicht funktionieren kann.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Rufe hilfesuchend bei Steffen an. Dem netten Mann vom Gesundheitsamt. Wir sind jetzt schon per Du. Steffen hat die rettende Idee: Ob meine Eltern denn keine analogen Zertifikate hätten. Foto davon ginge auch. Ich bedanke mich & verspreche nie mehr anzurufen. Schade, sagt Steffen.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Vater fotografiert die analogen Impfzertifikate & schickt die Nachweise an Steffen. Ein Ende ist in Sicht. Ich mache mich ans Mittagessen.
Zehn Minuten später ruft Mutter an. Ich müsse mich auf ihren Computer einwählen. Sie hätten eine komische Email vom Gesundheitsamt bekommen.— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Die „komische Email“ kommt nicht vom Gesundheitsamt. Sie kommt vom Provider. Ein Mailer-Daemon. Vater hat zwei Bilder mit einer Gesamtdatenmenge von 35 Megabyte verschickt. Ich kann mir nicht erklären wie das sein kann. Dann stellt sich raus: Das 2. Foto ist ein Video. Chapeau!
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Mutter & ich beschließen Vater nicht mehr zu involvieren. Leite jpeg & mpeg weiter an mich selbst. Am heimischen Mac mache ich aus allem zwei schöne PDFs & schicke beide ans Gesundheitsamt. Zwanzig Minuten später folgt mir ein Steffen auf Instagram. So viel zum Thema Datenschutz.
— Paul Bokowski (@plbkwsk) October 28, 2021
Das sagen andere User:
Zugegeben, als Nichtbetroffener hat man erst mal gut Lachen. Aber wenn man bedenkt, wie viele Steuergelder verbrannt werden, weil die Verantwortlichen jahrelang gespart und gepennt haben, wird einem ganz anders. Ein paar der treffendsten Kommentare zum Thread haben wir hier für euch gesammelt.
Köstlich!
Auch wenn es für dich und deine Eltern stressig war: Steffen hat neue Menschen kennengelernt, du hast 1 Insta-Follower mehr und ich hatte viel Spaß beim Lesen.
Datenschutz? Ach was…🤭Bleibt gesund!💚
— N!n💤 Geimpftgefährlich!🐾🕶️ (@zadperl) October 28, 2021
Nur kurz zum Verfahren.
Wir Ges-Amts-MA sind beim Ges-Amt geimpft und kein Mensch kann den Impfstatus einer Kollegin herausfinden, weil das nicht in die Datenbank eingepflegt werden kann. Wenn wir nachweisen müssen, müssen wir ein Foto des Zertifikates einschicken.
Datenschutz.— 🔴🔴🔴me – just me🕯🖤 (@hoffmanntextdo) October 28, 2021
Alter! Unsere Behörden würden selbst den Hauptmann von Köpenick bitten, seine Orden per Fax zu schicken 🤷🏻♀️ Neues aus Schilda aka @Stadt_Wiesbaden
— Julia Richter (@Julia_MUC) October 28, 2021
Wenn ich nicht auf einer Behörde arbeiten würde, würde ich das nicht glauben und mich herzhaft amüsieren 🤪
— #museumscast (@museumscast) October 28, 2021
Auch wenn es sich für dich nicht so angefühlt hat, ich habe sehr gelacht (und dabei an meinen eigenen Vater gedacht). 😂
— Frank (@frankdortmund) October 28, 2021
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. Wo wir gerade beim Thema Behördenwahnsinn sind, schaut doch mal hier rein: