Thread: Das in sich gekehrte Geschwisterkind
Schwere Erkrankungen oder Verletzungen im Kindesalter sind immer ein einschneidendes Erlebnis in der Biografie eines Kindes. Die Schmerzen, die Therapie oder Operation und der damit verbundene Krankenhausaufenthalt kann große Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Doch nicht nur für die Betroffenen selbst, auch Angehörige leiden zum Teil unter solch schwierigen Situationen. Und während Eltern darüber sprechen und sich gegebenenfalls Hilfe suchen können, äußern Geschwisterkinder ihr Verhalten oft durch auffälliges, manchmal aggressives Verhalten. Twitteruserin @Tine_Sommerkind berichtet von einem Fall, in welchem die Eltern aus Fürsorge das Geschwisterkind eines schwerkranken Kindes nicht mit ins Krankenhaus nehmen. Die Reaktion des Kindes und die des Krankenhauspersonals haben wir für euch im folgenden Thread aufgeschrieben.
Die Eltern einer kleinen Patientin erzählen, dass das Geschwisterkind zuhause sehr in sich gekehrt und teilweise aggressiv ist, seit die Tochter auf Intensiv liegt.
Sie möchten ihn schützen und haben sich deshalb bisher dagegen entschieden, mit ihm auf die Station zu kommen.
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
Sie haben Angst, dass der Sohn den Anblick nicht ertragen könnte.
Wir reden, erklären unter welchen Umständen ein Besuch gut und sinnvoll sein kann.
Dass die eigenen Gedanken, das Phantom „Krankenhaus“ und die sichtbare Sorge der Eltern für Kinder meist viel schlimmer
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
auszuhalten sind, als begleitet ihr Geschwisterchen zu besuchen.
Die Eltern vertrauen uns, wir planen den Besuch.
Kurz vorher nochmal eine telefonische Absprache, ob der Zustand der Patientin stabil genug ist.
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
Die Familie kommt. Der Junge hat ein wundervolles Bild für seine Schwester gemalt und sein Lieblingskuscheltier dabei.
Zu Beginn sind die Eltern angespannt, ich kümmere mich um den kleinen Besucher. Er hat ein paar technische Fragen aber blendet scheinbar
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
sehr viel „Drumherum“ aus, wirkt weder erschrocken noch sonderlich irritiert. Er sieht einfach nur seine kranke Schwester & ist ganz sanft und liebevoll, spricht mit ihr, erklärt ihr das Bild und möchte sein Kuscheltier so lange dalassen bis das Mädchen wieder gesund ist.
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
Und dann merkt man nach circa 10 Minuten: es wird langweilig.
Das Geschwisterchen schläft (medikamentös) so tief, dass sie sie nicht zusammen spielen können. An der Technik darf er nicht herumdrücken und eigentlich weiß er jetzt Bescheid, wo seine Schwester ist, dass wir Alles
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
versuchen, damit sie wieder gesund wird und alle seine Fragen sind erstmal altersgerecht beantwortet.
Also verlasse ich mit ihm das Zimmer, damit die Eltern bleiben können und bringe ihn vor die Station wo (wie verabredet) seine Tante schon wartet. Die beiden werden nun ein Eis
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
essen gehen und dann im Park spielen, bevor sie mit den Eltern nach Hause fahren.
Am nächsten Tag erzählen Mama und Papa dass sie erleichtert sind, diesen Besuch gewagt zu haben. Ihr Sohn sei wie ausgewechselt, jetzt da er weiß, wo seine Schwester ist, weil man ihn einbezogen— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
hat und er nun besser verstehen kann, wo Mama und Papa jeden Tag hinfahren und warum sie manchmal so sehr weinen müssen.
Kinder sind unheimlich klug und empathisch. Und wir helfen ihnen mehr, wenn wir sie ernstnehmen, ehrlich sind und auf sie eingehen, als wenn wir versuchen
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
ihnen etwas zu verheimlichen – auch wenn das sicherlich aus der besten Absicht heraus passiert.#kinderintensiv #geschwisterkind
— Tine.Sommerkind (@Tine_Sommerkind) January 29, 2023
Das sagen andere User*innen:
Die Geschichte scheint einen Nerv getroffen zu haben und viele User*innen drücken ihr Verständnis aus oder erzählen ihre eigene Erfahrungen. Dabei sind spannende Ansichten und interessante Berichte herausgekommen.
Kinder können oft mehr, als wir uns vorstellen
Super empathisch 💕
Ich denke Kinder verkraften viel mehr als wir Erwachsenen es uns vorstellen können.— Wellnessqueen 🌺🐞🌻 (@lovlyfee) January 29, 2023
Es kann so viel Angst nehmen
Kind 1 durfte bei uns immer mit auf die Kinderintensiv. Haben damals gefragt, weil eigentlich erst ab 12, fanden alle total gut und sagten uns auch, dass wir ehrlich sein sollten. So verliebte sie sich in ihre Minischwester und hatte später auch keine Angst
— Ostseemom (@Ostseemom) January 29, 2023
Ein bisschen Augenmaß wäre wünschenswert
Meine mama war für zwei Tage nach einer Organtransplantation auf der Intensivstation. Ich durfte nicht zu ihr, weil ich noch nicht ganz 12 Jahre alt war und ja deshalb Kinderkrankheiten mitbringen könnte. Es war ende Februar und im april bin ich 12 geworden
— itsallaboutbeer (@HanaxBeer) February 5, 2023
Wertvolle Erfahrung
Mega! Ich erinnere mich gut an den 1. Besuch auf Intensiv bei meiner Mama. Der OA hat das angeleiert, vorab im Büro alles erklärt, Fragen beantwortet, begleitet. Es war so wichtig. So wertvoll. Werde ich ihm nie vergessen. Auch wenn ich „schon“ 15 war
— Mayla #spoonie (@VerMayla) January 29, 2023
Manchen kann es beim Trauern helfen
Sehr schön. Unseren Sohn 6 J haben wir auch mit auf KinderITS genommen, damit er verstehen kann was passiert. Sogar als unser Kind ein paar Jahre später zu Hause verstorben ist, war er dabei, auch bei der Beisetzung und beim Bemalen des Sarges.
— babylein3012 (@babylein3012) January 29, 2023
Oft reicht es schon, die Atmosphäre zu erleben
Sehen wir im Hospiz so oft, reden, begleiten und finden meist einen sehr guten Weg für alle. Selbst wenn das heißt, dass Kinder, besonders in der Pubertät, nicht ins Zimmer gehen wollen. Gespräche führen, das Haus sehen, die Atmosphäre schnuppern. Das reicht oft schon.
— Blesinde23 (@blesinde23) January 29, 2023
Das ist sicherlich eine Abwägungssache
Ich finde es toll, dass Geschwisterkinder überhaupt reingelassen werden. Je nach Klinik sind Kinder wegen Corona unter 12 nämlich als Besucher ausgeschlossen, was ich wirklich blöd finde
— Quasselette (@Quasselette) January 30, 2023
Nicht alle sehen es so positiv
Bei mir war es damals das absolute Gegenteil. Ich war ca 9 Jahre alt, meine mama war lange im Krankenhaus auf der Intensivstation, mein Vater hat mich mitgenommen um sie zu besuchen. Danach wahr ich ehrlich gesagt lange Traumatisiert und hatte extreme Angst vor Krankenhäusern.
— 🌸 Mandy 🌸 (@__Khaleesi___) January 29, 2023
Danke!
Wie toll dass ihr mit den Eltern gesprochen habt, sie euch vertraut haben und der Junge seine Schwester sehen konnte und so alles besser einsortieren kann. Danke für diese Empathie ☺️
— Iris D (@iris_colano) January 29, 2023
Seid ihr jetzt noch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens?